„Sünde“ ist überbewertet

Neulich unterhielt ich mich mit einem Freund, der Theologie unterrichtet. Er hatte sich gerade mit dem Begriff „Vergebung“ beschäftigt und dabei festgestellt, das Thema kommt in den Evangelien (und im Neuen Testament überhaupt) zwar immer wieder einmal vor, aber längst nicht so oft, wie man das meinen könnte, wenn man manchen theologischen Traditionen unteren Verkündigen zuhört. Jesus ist keineswegs ständig dabei gewesen, Menschen ihre Sünden zu vergeben. Stattdessen hatte fast alles, was er tat und sagte, mit dem Kommen des Reiches Gottes zu tun und mit dem Stichwort der Gerechtigkeit.

Das traf sich gut, denn mir war es mit dem Begriff „Sünde“ ähnlich gegangen vor einiger Zeit. Im Neuen Testament kommt, wenn meine Software das richtig anzeigt, der griechische Begriff „hamartia“ 173 mal vor, in 150 Bibelversen. Allerdings nur ganze 41 mal in den vier Evangelien, 24 mal in den synoptischen Evangelien. Davon macht die dreifach erzählte Heilung des Gelähmten knapp die Hälfte aus, dazu kommt dann das Vaterunser und das Kelchwort beim Abendmahl und darüber hinaus bleibt nicht mehr viel übrig, wenn man die Länge der Texte bedenkt.

Im Römerbrief dagegen fällt das Wort Sünde 48 mal – ein gutes Viertel also und damit einsame Spitze im Neuen Testament. Der Hebräerbrief schlägt mit 25 Erwähnungen zu Buche, zusammen macht das 42% aus. Und es sind nun eben der Römer- und der Hebräerbrief, auf die sich zum Beispiel unsere Theologien des Sühnopfers stützen, genauso wie die Anschauung, dass die Erlösung von der Sünde (und dies nun verstanden als individuell zu verantwortendes, schuldhaftes und strafbedrohtes moralisches Versagen) das zentrale Problem sei, für das Bibel und Christentum eine (exklusive) Lösung anzubieten hätten (und manche konservative Stimmen würden hinzufügen: Für nichts anderes als dafür!).

Tom Wright hat immer wieder einmal darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir Paulus und das Neue Testament nicht vom Römer- sondern zum Beispiel vom Kolosser- und Epheserbrief her lesen würden, vielleicht zu ganz anderen Verhältnisbestimmungen kämen. Zudem bietet Wright auch eine großartige Rückbesinnung darauf, was die Rede von „Sünde“ (und „Sündern“) im Judentum zur Zeit Jesu bedeutete und inwiefern Sünde damals als Problem betrachtet wurde.

Jesus und außerhalb des Römerbriefes auch Paulus haben also nicht annähernd so oft über Sünde gepredigt, wie das in der Tradition des Spätmittelalters und der Reformation, weiten Teilen des Pietismus und vor allem der Heiligungsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts geschah. Dass das Wort fehlt, muss nicht unbedingt bedeuten, dass auch die Sache nie in den Blick kommt. Menschliches Scheitern, Zerbrochenheit, Verlorenheit und sogar Bosheit werden immer wieder thematisiert, vor allem aber Gottes Antwort auf diese Misere.

Dallas Willard hat in The Divine Conspiracy gefrotzelt, das Evangelium des „Sündenmanagements“ (von dem es eine konservative und eine liberale Variante gibt) führe zu einem „Vampirchristentum“, das nur an Jesu Blut interessiert sei, nicht jedoch an der Nachfolge Christi und der Umgestaltung des Selbst durch Gottes Geist mitten in einer instabilen Welt.

Im apostolischen Glaubensbekenntnis, das ja durchaus einige theologische Leerstellen enthält, erscheinen die Begriffe Sünde und Vergebung ganz am Schluss. Ursprünglich war das ja ein Leitfaden für die Bibellektüre. In dieser Hinsicht vielleicht kein ganz schlechter. Wenn wir das Thema Sünde und Vergebung einen Augenblick zurückstellen und es nicht zwanghaft überall hineinlesen, wo es weder der Begrifflichkeit noch der Sache nach erscheint, dann entdecken wir möglicherweise viele spannende Aspekte von Gottes Handeln, die uns bisher gar nicht so richtig aufgefallen sind.

Den Versuch wäre es allemal wert!

PS: Bevor jetzt die Kommentare all derer losgehen, die falsche Umkehrschlüsse lieben – ich habe nicht gesagt und auch nicht impliziert, dass (1.) Sünde kein Thema im NT ist, (2.) Vergebung überflüssig, (3.) das Kreuz sinnlos. Ich stelle nur in Frage, ob (1.) Sünde und Vergebung die bestimmenden oder gar (2.) einzig legitimen Kategorien sind, in denen Gottes Handeln in Christus beschrieben werden sollte.

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46 Antworten auf „„Sünde“ ist überbewertet“

  1. Sehe ich auch so, Sünde ist sicher nicht die alles beherrschende oder gar einzig legitime Kategorie, keinesfalls. Gerade die Sündenvergebung macht uns ja frei. Es gibt Menschen, denen man das gar nicht oft genug sagen kann, weil sie sich immer in einem Kreis drehen „Sind mir wirklich alle Sünden vergeben? Auch xx??“. Bei Menschen, die sich allerdings darum einen Dreck scheren, kann man schon mal dezent 😉 darauf hinweisen, dass Gott kein Gott der Beliebigkeit ist und wir Jesus nacheifern sollen, wie er gelebt hat, sehen wir in den Evangelien.

    Anderes Nebenthema:
    „apostolischen Glaubensbekenntnis, das ja durchaus einige theologische Leerstellen enthält“
    Welche meinst du denn?

    1. Es springt von der Geburt zur Passion und lässt alles dazwischen aus: Jüdische Herkunft Jesu, öffentliches Wirken, Verkündigung…

      1. Ach das. Okay, klar. Das sind aber m.E. keine theologischen Leerstellen, sondern Auslassungen, oder?

        Kennst du ein in deinem Sinne „vollständiges“ Glaubensbekenntnis?

  2. Spannend. Vor allem wenn man den Gedanken auf die Verkündigung des Evangeliums und die Praxis des Evangelisierens überträgt. Wo ist unsere Soteriologie im Römer- und Hebräerbrief gefangen und deshalb Ansätze wie EE, die vier geistlichen Gesetze, etc, zu einseitig? Ist es vielleicht gar nicht nötig, Menschen zuerst – oft krampfhaft – von ihrem Zustand als Sünder zu überzeugen, bevor sie sich der Notwendigkeit der Erlösung bewusst werden und daher Christus annehmen?
    Ich kenne ein paar Ansätze für die Evangelisation, die sich nicht auf Sünde und Erlösung zentrieren, sondern auf Nachfolge und Veränderung – wäre aber sehr froh um ein paar weitere Hinweise. Kennt da wer was?

  3. Ich fänd es spannend, noch mal hierüber nachzudenken: „Kommen des Reiches Gottes zu tun und mit dem Stichwort der Gerechtigkeit“.
    Schließlich sagt Jesus: Trachtet zuerst nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit, dann wird es alles andere zufallen“… also auch die Sündenvergebung?
    Was aber heißt das: Reich Gottes und Gerechtigkeit?

  4. Gewagt, gewagt!

    Danke dafür.

    Ich habe schon immer gemeint, dass die allermeisten Menschen weniger Probleme damit haben, es müsste ihnen etwas „vergeben“ werden – sondern viel eher Fragen nach einem gelingenden Leben, nach Gerechtigkeit, nach Zielen für ihr Leben.

    Soll man also gut evangelikal erst allen ein schlechtes Gewissen „einreden“, um dann – tataa! – Jesus als Lösung zu präsentieren? Das kann es nicht sein. Christentum ist viel mehr.

  5. Ingolf Dalferth spricht sich dafür aus, dass das Christentum eben nicht von einem grundsätzlichen anthropologischen Mangel ausgeht, sondern dass die Gnade Gottes vielmehr als ein Überschuss gedacht werden sollte. Aus diesem Grund muss der Mensch auch nicht davon überzeugt werden, dass er ein Sünder ist. Der Glaube ist deshalb im doppelten Sinne umsonst – einerseits ist er völlig unerwartet, eben ein Geschenk, andererseits weil man durch ihn etwas bekommt, was man nicht braucht.

        1. Das erinnert mich an Jüngels „Gott als Geheimnis der Welt“: Gott ist nicht notwendig. Gott ist mehr als notwendig.

  6. Hallo Peter,
    auch wenn ich da zustimme, nicht einseitig die Augustinische Sündenlehre ständig zurück aufs NT zu projizieren, so halte ich es dennoch für sehr einseitig, die Bedeutung eines Themas daran zu messen, wie oft es genannt wird. Die Gottesebenbildlichkeit wäre dann völlig unbedeutend. So kommen natürlich in den Antithesen auch der Sündenbegriff nicht vor, aber es ist klar, dass es sich um eine Konkretion der „besseren Gerechtigkeit“ und damit auch: der Radikalisierung des Sündenbegriffs handelt. Ich plädiere eher dafür, die verschiedenen thematischen Stränge nicht gegeneinander auszuspielen, sondern eben hermeneutisch zu fragen: wie kann man heute den Sündenbegriff verstehen?
    Zu Wrights Vorschlag: es ist ja eigentlich zumindest in der Deutschen Exegese Konsens, dass diese beiden Briefe nicht zu den „echten Paulinen“ zählen, wie geht denn Wright damit um?

    1. @Arne: Klar macht die Wortstatistik noch keine klare Aussage über die inhaltliche Gewichtung. Aber offenbar kann die Sache, da wo sie thematisiert wird, auch in anderen Begriffen und Vorstellungen erscheinen. Frelich lässt sich auch der Sündenbegriff neu fassen. Dazu lohnt der Blick auf dessen Problematik aber eben auch. Die Neufassung kannst Du ja dann übernehmen – alles Gute für die Prüfungen!

  7. Im ev. – landeskirchlichen Kontext und der in ihm gepflegten Predigtkultur in Deutschland wird heute Sünde garantiert nicht überbewertet, im Gegenteil, sie wird ignoriert oder klein geredet. Hier wünsche ich mir deutlich mehr ein realistisches Bewusstsein von der Macht der Sünde und natürlich erst recht die Freude an dem Sieger über die Sünde!

    1. Schön formuliert! Der Mensch braucht Vergebung, ohne geht es nicht.

      Hebräer 4, 7-10:
      „Unterstellt euch Gott, und widersetzt euch dem Teufel. Dann muss er von euch fliehen.
      Sucht die Nähe Gottes, dann wird er euch nahe sein. Wascht die Schuld von euren Händen, ihr Sünder, und lasst Gott allein in euren Herzen wohnen, ihr Unentschiedenen!
      Seht doch endlich ein, wie groß eure Schuld ist; erschreckt und trauert darüber! Dann werdet ihr nicht mehr lachen, sondern weinen; und aus eurer Freude wird Traurigkeit.
      Beugt euch vor dem Herrn! Erst dann wird Gott euch aufrichten.“

  8. Tja, dem Burkard kann ich nur zustimmen! Was der Peter schreibt, hört sich erstmal nicht schlecht an, aber wenn man das ganze AT liest und auch ernst nimmt und nicht die ersten 11 Kapitel nur mythologisch versteht, sondern z.B. den Sündenfall und die Sintflut wörtlich nimmt, dann ist das Hauptproblem des Menschen eben doch, dass er zuerst gegen Gott gesündigt hat und darausalles Schlechte kommt, was uns heute auf diesem Planeten plagt. Die Sintflut zeigt ja gerade, wie hart Gott die Sünde bestrafen muss, was unserem heutigen antroposophisch-zentrierten Mainstream-Verständnis so zuwider ist.
    Wäre das Sündenproblem von allen Menschen im Glauben ernsthaft vor das Kreuz gebracht, wären wir versucht hier schon vom Himmel auf Erden zu reden! Das ist aber laut biblischen Bericht kaum zu erwarten. Wer wirklich einen realistischen Blick in sein eigenes Wesen bekommt, wird bekennen müssen, dass eben die eigene Sünde das Problem ist.

    1. Die Frage, ob man den ersten Kapiteln der Bibel Genüge tut, indem man sie einfach mal wortwörtlich versteht, wurde hier ja schon oft diskutiert. Ich halte das – auch theologisch/lehrmäßig – für den falschen Ansatz.

      Aus seelsorgelicher Perspektive (oder wie immer man das nennen will), sehe ich das Problem, dass Menschen, die sich so um ihre persönliche Sünde drehen, ihr ganzes Leben an diesem einen Punkt hängen bleiben. Hauptsache, man entkommt dem Zorn Gottes und landet nicht in der Hölle. Voilà – das „Evangelium des Sündenmanagements“.

      Das Ergebnis sind nicht selten total verkorkste Typen. Und weil man ja so um das eigene Heil besorgt sein muss, ist der Blick für den weiten Horizont dessen, was Jesus mit „Reich Gottes“ gemeint hat, total verbaut. Das ist schade für die Menschen selbst – und es ist schade für ihre Mitmenschen, denen sie so viel Gutes nicht geben können, denn das eigene Heil ist stets gefährdet und muss mit aller Kraft bis ans Lebensende durchgebracht werden. – Willkommen in der Freiheit der Kinder Gottes!

      1. Solche Menschen, lieber Johannes D., gibt es sicher, und die brauchen einen anderen Schwerpunkt bei der Betrachtung des Evangeliums, Betonung auf Gnade. Andere, die das „völlig entspannt“ in dem Sinne sehen, dass es völlig wurscht ist, ob ich mich an Gottes Gebote halte oder nicht, brauchen etwas ganz anderes, nämlich dass Gott keine Sünde duldet. Das hatte ich schon in meinem ersten Beitrag geschrieben, und das finde ich weiterhin sehr wichtig.

        In diesem Sinne kann man Sünde nur persönlich für sich oder für andere „überbewerten“ (was auch immer das heißt).

        Das Wunderbare ist: Gott vergibt, ein für allemal, wenn wir ihn um Vergebung bitten, wir brauchen uns dann keine Sorgen mehr zu machen.

      2. @Johannes D.
        übrigens meinte ich anthropologisch – nicht den „Rudolf Steiner“
        Die „11er“ Frage wurde hier tatsächlich sehr ausführlich behandelt und kommt etlichen Heiden (Wenn man das so sagen darf) sehr entgegegen, was mich nachdenklich stimmen würde.
        Aber ohne diese historischen Begebenheiten der ersten 11 Kapitel der Bibel bliebe die Sündenurfrage ja komplett im Nebel und deswegen sind sie, gerade weil der Herr Jesus sich klar auf sie bezieht, voll und ganz theologisch/lehrmäßig relevant!
        Wer sich, wie auch immer um sich selbst (oder seine Sünden) dreht, der hat definitv die falsche Mitte und eiert ganz schön rum. Und original zeigt die Geschichte nicht, dass Leute, welche die Sünde als Grundproblem erkannt haben, kleinkariert gewesen wären. Die Reformation und Erweckungen (Withefield/Wesley etc) haben unser aller Grundübel sehr klar angesprochen und haben nachweislich eine blutige Revolution verhindert, wie sie in Frankreich stattfand.
        Und das man selbst kämpfen muss, um in den Himmel zu kommen ist gerade dann eine Plage, wenn man allein auf sich selbst und nicht allein auf den Herrn vertraut.
        ER wird im Himmel die Ehre bekommen und nicht Leute, die irgendeinen selbsterlöserischen Ansatz verfolgt haben, sondern ganz und gar von ihrer eigenen Unfähigkeit, aber im Gegensatz von SEINER Allmacht und Gnade, ergriffen sind.

    2. Es gibt mehr als nur zwei Möglichkeiten die Urgeschichte zu lesen. Für mich ist es einer der zentralen und tiefsinnigsten Texte der Bibel, aber ich schließe mich Klaus Westermann an: die Urgeschichte will nicht zeigen was passiert ist, sondern was PASSIERT. Also sie deutet auf Grundstrukturen. Dadurch wird sie eben gerade nicht weit weg gedrängt, sondern sie ist uns viel näher als das bei einer historischen Lesart der Fall wäre – Adam das bin eben auch ich, es steckt eben auch ein Kain in uns, unserer Kultur hat eben auch immer Aspekte des Turmbau zu Babels. Entscheidend ist ja eben, dass man wenn man von DER Sünde spricht, das man nicht von Tatsünden sprechen sollte. Pannenberg spricht von der antimoralistischen Funktion der „Erbsündenlehre“ (er spricht lieber von der Universalität der Sünde): man kann eben die Menschen nicht einfach in „good guys“ und „bad guys“ einordnen. Schön wär es wenn man die Lehre der „allgemeinen Gnade“ dann auch dementsprechend hochfährt und zeigt: ebenso wie niemand frei von sündigen Strukturen ist, ist auch niemand frei von Gnade.

      1. Diese Sicht auf die Urgeschichte wäre mir persönlich viel zu wenig. Da hilft auch die Umdefinition, was die Urgeschichte „zeigen“ will, nicht. Die Urgeschichte zeigt klar, dass Sünde den Weg zu Gott versperrt, ja dass Sünde auch klare negative Konsequenzen für uns Menschen hat.

    3. Wer – aber das gehört hier nur am Rande hin – die Sintflut-Geschichte wörtlich versteht, der kommt in Teufels Küche, weil dann Gott buchstäblich als unberechenbares Monster dasteht. Nur wenn man sie nicht historisch liest, sondern als Mythos versteht, kann man begründen, dass der Sinn dieser Erzählung gerade darin liegt, Gott von diesen willkürlich zürnenden Gottesbildern abzugrenzen.

      1. Wir kommen eher in Teufels Küche, weil wir u.a. die Sintflut nicht ernst mehr nehmen. "Da wir den Schrecken des Herrn kennen, ermahnen wir …" und "Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen". "Da wir wissen, das der Herr zu fürchten ist …".

        Deine Argumentationslinie ist mir eher aus dem Gespräch mit Ungläubigen bekannt, aber offensichtlich darf man nicht mehr  überrascht sein, wenn dies nun auch ins christliche Lager mit aufgenommen wird.

        1. Unberechenbar? Noah war der Prediger der Gerechtigkeit und mit dem Bau der Arche hat Gott den Menschen von damals, welche wohl alle auf einem einzigen Ur-Kontinent gelebt haben, ganze 120 Jahre Zeit gegeben, um Buße zu tun. Sie haben das aber nicht getan! Noah wird eine Attraktion in der damaligen Welt gewesen sein und weit bekannt gewesen sein. Unberechbar ist was anderes.
        2. Monster? Ein sehr starker Ausdruck, der dem Gott der Bibel nicht gerecht wird, auch wenn man sie historisch liest! Dieser Ausdruck wird gern von Ungläubigen verwendet. Wenn man Gottes Heiligkeit komplett ausklammert und denkt, Gott wäre wie ein Mensch, dann könnte man auf so eine Idee kommen! Aber mit der Offenbarung Jesu sollte dieser Eindruck ausgeräumt sein. Unser weithin verbreiteter anthropozentrischer Ansatz und unsere Selbstliebe machen und blind für Gottes wahres Wesen.

        Gottesfurcht ist den meisten von uns eher ein Fremdwort und man fürchtet eher Krebs, Umweltkatastrophen, Tsunamies und dergleichen – aber vor Gott fürchtet (im heilsamen Sinn) heute kaum einer mehr. Dabei sind die genannten Übel ein kleines gegen den Zorn Gottes.

        "Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit ist denen, die verloren gehen!"

        1. @Matthias: Dass Noah gepredigt haben soll, ist mir neu. Der baut in Genesis 6 sein Schiff und hält schön den Mund – kein Wort der Warnung an seine Mitmenschen. Anscheinend fließt in Deine historisierende (d.h. eben nicht historische!) Lesart allerlei Apokryphes ein. Das muss vermutlich auch so sein, denn wenn man die Geschichte wörtlich nimmt, stellt Gott am Ende fest, dass sein Lösungsversuch des Menschenproblems ein Flop war. So viel zum Thema „Gottesfurcht“ und „Ernst nehmen“. Gott wirklich ernst nehmen bedeutet für mich etwas anderes, als diesen Buchstabenglauben mit seinen allzu einfachen Gleichungen auf Biegen und Brechen zu verteidigen.

          1. Ich bin jetzt wirklich etwas verwundert – Im Petrusbrief wird Noah doch eindeutig als Prediger der Gerechtigkeit betitelt. Auf Apokryphen brauche ich nicht zurück zu greifen.

            2Petr 2,5 und wenn er die alte Welt nicht verschonte, sondern nur Noah, den Prediger der Gerechtigkeit, als achten neben sieben anderen bewahrte, als er die Flut über die Welt der Gottlosen brachte;

            Man kann kaum davon ausgehen, dass er stillschweigend ein riesiges Schiff gebaut hat,
            ohne zumindest seinen verwunderten
            Nachbarn vom Sinn seiner ganzen Aktion erzählt haben dürfte. Immerhin war die Arche nach den Maßen der Bibel mindestens 133,5 m lang, über 22,3 m breit und ca. 13,4 m hoch! (Übrigens wissentschaftlich sehr sinnvolle Maße für ein Schiff dieser Größe, die auch heute noch verwendet werden).

            In den Augen der heutigen Welt habe die Christen mit dem Bau der Gemeinde eine nicht minder wichtige Aufgabe, die allerdings, ähnlich wie damals, kaum ernst genommen wird: Die Rettung vor dem kommenden Zorn Gottes.

  9. Danke Dir für deinen interessanten Artikel. Auch wenn ich Dir in der theologischen Grundintention zustimme: exegetisch hätte ich da einen Einspruch.

    Wenn Epheser- und Kolosserbrief erwiesenermaßen Pseudepigraphien sind und der Römerbrief älter als die Synoptiker, was hat das für eine Auswirkung auf deine Auswertung der Häufigkeit der Erwähnungen?

    Gruß aus Halle
    Philipp

    1. Mit „erwiesenermaßen“ wäre ich vorsichtig, zudem geht es mir nicht um eine zeitliche Abfolge (also: Römer spät, daher unwichtig), sondern darum, dass im Kolosser (E. Schweizers Sekretärshypothese finde ich immer noch recht stichhaltig) andere Begriffe und Zusammenhänge im Vordergrund stehen, namentlich der Aspekt der Macht/Mächte und der Wiederherstellung kosmischer Harmonie und Einheit.

    1. Danke, ich hab’s überflogen, aber keinen Bedarf verspürt, etwas dazu zu sagen. Die Argumentation mit Dämonen in der Psychiatrie und Spielotheken und was nicht spricht für sich selber.

  10. Lieber Thomas,

    danke für den Link. Deine Sicht ist allerdings schon ziemlich einseitig! So schwarzweiß ist die Welt nicht. Es gibt bei Nichtchristen auch Nächstenliebe und viel Gutes, genauso wie es auch bei Christen Sünde, z.B. Hartherzigkeit, Heuchelei etc. gibt.

    Natürlich gibt es viel Sünde auf dieser Welt. Aber es hilft uns nicht weiter, beim „ach, was ist die Welt so schlecht“ stehenzubleiben. Denn so wirkt dein Artikel ein wenig. Unser Auftrag ist es, Licht und Salz für die Welt zu sein, und uns den Nöten und Schwierigkeiten der Menschen anzunehmen und ihnen zur Seite zu stehen. Und ihnen Jesus nahezubringen. Aber ich denke, das weißt du.

    Das heißt für mich nicht, die Sünde kleinzureden, wie das hier in diesem Original-Blogeintrag m.E. ein wenig zu plakativ passiert. Aber ich gebe Peter recht, dass es nicht nur heißen kann, einmal ein Übergabegebet gesprochen zu haben, und danach ist alles andere egal. Dann habe ich Jesus nicht richtig verstanden. Denn auch dann bin ich immer noch ein sündiger Mensch und brauche die barmherzige Vergebung Jesus.

    1. »Aber ich gebe Peter recht, dass es nicht nur heißen kann, einmal ein Übergabegebet gesprochen zu haben, und danach ist alles andere egal. Dann habe ich Jesus nicht richtig verstanden. Denn auch dann bin ich immer noch ein sündiger Mensch und brauche die barmherzige Vergebung Jesus.«

      Ich würde diesem Zitat auch voll Recht geben! Aber viele Probleme entstehen ja selbst in der Übergabegebetspraxis, die es noch gar nicht so lange gibt! Finney hat meiner Information nach mit Aufrufen nach Vorne angefangen und dies wurde weiter „ausgebaut“ und ist heute oft gängige Praxis – von Bonnke bis ProChrist bis dahin, das man denkt, in einem Zweiergespräch müsste eine Bekehrung so vollzogen werden! Biblische Beispiele sucht man vergebens. Das dabei mehr Probleme als Lösungen entstehen ist mittlerweile wohl offensichtlich. Was aber heute in der Verkündigung sehr oft fehlt ist gerade das klare Ansprechen von Sünde als Hauptproblem und zwar so, dass Herzen durchbort werden und Menschen ihre Verlorenheit erkennen und fragen: Was muss ich tun, um gerettet zu werden?
      Weil das Ansprechen persönlicher Sünde in der christlichen Landschaft weitesgehend so harmlos und flau geworden ist , kann man ohne Probleme in Sünde leben und gleichzeitig in der Gemeinde tätig sein.
      Das Hauptproblem unserer schwächlichen Gemeindelandschaft ist eben die Sünde.

  11. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang das Interview mit Wolfgang Huber in der aktuellen ZEIT. Er sagt darin u.a.: „Nach Martin Luthers Auffassung ist jeder Christ ein Sünder und ein Gerechter zugleich. Wir sind gerecht, weil wir uns die Gerechtigkeit als eine Gabe Gottes zusprechen lassen, die wir nicht selber erwerben, sondern als Gnade empfangen. Wir sind Sünder – Reiche wie Arme -, weil wir nun einmal fehlbare Menschen sind. Den Begriff der Sünde nur moralisch zu verstehen, wie es sich seit der Einführung der Verkehrssünderkartei durchgesetzt hat, ist einer der großen Unglücksfälle unserer Sprache. Sünde ist weit mehr als eine moralische Kategorie. Sie gibt darüber Auskunft, ob ein Mensch meint, sein eigenes Leben nur seiner eigenen Kraft zu verdanken.“
    In diesem Artikel und den Kommentaren wird „Sünde“ vor allem moralisch verstanden, oder?

    1. Ich habe in dem Artikel gar keine inhaltliche Klärung des Sündenbegriffs versucht (wie Arne ja schon festgestellt hat), sondern nur die Frage aufgeworfen, ob es DAS zentrale Stichwort des Evangeliums ist. Dass in bestimmten Traditionen (namentlich Pietismus und Aufklärung) der Sündebegriff längst vor der Flensburger Kartei einen stark moralischen Zug bekam, erschwert die Diskussion freilich noch zusätzlich.

  12. Wenn man aber mal nicht nach der Zentralität des Sündenbegriffs fragt, sondern nach der Funktion, den der Ursünden-Begriff im Gefüge der christlichen Lehre hat, so muss man – wie das ja Volf tut – ja von der antimoralistischen Funktion der Sünden-Lehre sprechen. Ich denke die Ursünde soll nicht für Resignation oder Zynismus sorgen, sondern einfach ein einfaches schwarz-weiß Denken untergraben (Vgl. das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner). Der Universalismus der Sünde ist nun einfach eher geeignet dazu, unsere „boundary marker“ zu dezentrieren, als es zum Beispiel der Universalismus der Gnade wäre. Warum? Weil wir immer wieder allergisch auf Verfehlungen anderer reagieren und uns die Ursündenlehre damit konfrontiert, dass wir strukturell gesehen nicht frei von dem sind, was wir an anderen kritisieren.

    1. @Arnachie: Das ist ja schon eine (sympathische) Reinterpretation, wenn aus der Ur-bzw. Erbsündenlehre die Infragestellung der eigenen Standpunkte folgt und nicht die (hier ja auch schon von manchen wiederholte) Aussage, alle Andersdenkenden seien auf direktem Weg in den Feuersee.

  13. @Matthias: Das ist schon eine abenteuerliche Auslegung des 2. Petrus. „Verkündiger“ dürfte in dem Kontext nicht auf eine Predittätigkeit für seine Zeitgenossen hindeuten, sondern darauf, dass Noah für die Nachwelt (nämlich die Leser des 2. Petr.) zum Exempel für Gerechtigkeit wurde – für Gottes Bundestreue nämlich.

    Ansonsten gilt, was im Genesis-Text steht. Denn ein offensives Werben um Rettung war in dem Plot von Gen 6ff. nicht vorgesehen, sonst hätte das Schiff (wo Du schon die Maße erwähnst) ja vielleicht doch größer ausfüllen müssen.

    Zum historisierenden Lesen: Bitte erklär‘ mir mal, wie Noah die Kängurus in Australien abgesetzt hat. Oder die komplette Umstellung der Nahrungskette nach der Flut. Oder…

    1. „Zum historisierenden Lesen: Bitte erklär’ mir mal, wie Noah die Kängurus in Australien abgesetzt hat. Oder die komplette Umstellung der Nahrungskette nach der Flut. Oder…“

      Lieber Peter, wenn du so argumentierst, dann könnte ich dich genauso fragen, wie Jesus über das Wasser laufen konnte, oder wie er 5.000 Menschen mit Brot und Fisch satt machen konnte, oder gar, wie er auferstehen konnte.

      1. Klar kannst Du fragen. Ich verweise hier ja nur auf die skurrilen Fragen, die erst in dem Moment entstehen, wo man die Flutgeschichte historisierend liest.

        Dass ich an die Auferstehung glaube, heißt doch nicht, dass ich nicht mehr unterscheide zwischen den unterschiedlichen Erzählmodi der Bibel. Im Gegenteil: Die betreffenden Passagen in den Evangelien haben einen erkennbar anderen Charakter als die Geschichte von Noah & Co.

    2. Habe ich von einem offensiven Werben geredet? Jona hat in seiner Predigt auch alles andere als geworben, war aber zu seinem eigenen Verdruss überaus erfolgreich. (Hälst du die Jonageschicht für wahr im historischen Sinne?)
      Aber du wirst doch nicht behaupten wollen, dass Noah den Leuten, die in gefragt haben, gar nichts gesagt hat! Wer ein solches Schiff inmitten auf dem Land baut, kann kaum verborgen bleiben. Und ich würde mich auch sehr wundern, wenn die Leute nicht gewusst hätten, was sich Noah da „zusammen gesponnen“ hat.

      Zu z.B. den Kängurus:

      1Mo 10,25 Und dem Eber wurden zwei Söhne geboren: Der Name des einen war Peleg, denn in seinen Tagen wurde das Land geteilt ; und der Name seines Bruders war Joktan.

      Das Wort „Kontinentalplattenverschiebung“ wurde zu biblischer Zeit offensichlich noch nicht verwendet, aber diese biblische Beschreibung ist zweifach sinnig:
      1. Das eine Kontinentalplattenverschiebund stattfand, wird kaum ein Geologe verneinen.
      2. Die Beschreibung selbst ist wissentschaftlich auch nicht unsinnig oder falsch, sondern dieser Vorgang wurde mit einfachen Worten, die jeder verstehen kann, beschrieben!

      Dann ist es doch kein Problem, das auf der einen Platte nur Kängurus gewesen sind und auf einer anderen keine Pferde!

      Aber was scheibe ich bloss alles hier? Es darf eben nicht sein, was nicht sein darf! Die „klassische“ Lehre (Und ich denke, du weißst, was ich meine) scheint Dir schlicht ein Dorn im Auge zu sein. Deswegen sind alle guten Argumente auch eher uninteressant und nicht relevant für Dich!

      1. @Matthias: Den Dass-nicht-sein-kann-was-nicht-sein-darf-Schuh musst Du Dir schon selber anziehen. Gen 10,25 auf die Kontinentaldrift umzudeuten, ist doch völlig an den Haaren herbeigezogen. Und die Vorstellung, dass sich das in geschichtlicher Zeit ereignet haben sollte, verträgt sich in keiner Weise mit der Theorie an sich. Vermutlich hätte die Turboverschiebung, die Du postulierst, derartige Erdbeben verursacht, dass die Sintflut ein Witz dagegen gewesen wäre. Frag doch mal einen Geologen, ob das vorstellbar ist (vorzugsweise keinen religiös indoktrinierten).

        Das ist es ja, was ich meine: Die vermeintliche Unfehlbarkeit der Bibel wird mit den wildesten und abstrusesten Theorien und Spekulationen bemäntelt. Jedes Postulat macht dann zehn neue erforderlich. Das allein ist schon ein deutlicher Hinweis darauf, dass es eigentlich nicht stimmen kann – Occam lässt grüßen.

        Was Noah angeht, haben wir nur das, was im Text steht. Wenn wir so wie Du alles mögliche dazu dichten, haben wir den Text und seine Aussage damit schon längst verändert. Und deshalb ist der Vorwurf, jemand, der diesen Text als Text ernst nimmt, ihn aber nicht als Tatsachenbericht im modernen (!!) Sinn versteht, „seinen Verstand über Gottes Wort“ stelle, während all diese Dichtungen und absurden Tricksereien die reine Demut und der wahre Glaube sind, auch so gründlich daneben.

        Diese ganzen Verbiegungen erinnern an das Problem von Verschwörungstheorien und mancher Wahnvorstellungen in der Psychologie, wo mit derselben kruden, aber in sich natürlich völlig schlüssigen Logik bestimmte Vorstellungen erzeugt und verfestigt werden.

        1. Frag doch mal einen Geologen, ob das vorstellbar ist (vorzugsweise keinen religiös indoktrinierten).

          Solch einen Geologen zu finden ist gar nicht so einfach: Die letzte Geologin, die ich traf, wollte unbedingt, dass ihr Kind die Evolutionslehre in einer alternativen Schule mitbekommt. Wer ist denn nun indoktriniert? Welcher Geologe (oder Mensch) befindet sich auf neutralem Boden? Keiner, oder sehe ich das falsch?

          1 Auch euch hat er auferweckt, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden,
          2 in denen ihr einst wandeltet gemäß dem Zeitlauf dieser Welt, gemäß dem Fürsten der Macht der Luft, des Geistes, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt.

          1. Tja, da ist er wieder, der luftdicht geschlossene Zirkel. Wenn jemand, der die Evolutionstheorie nicht ablehnt, kein Gesprächspartner in seinem Fachgebiet mehr sein kann, dann wird’s freilich eng. Ich habe ja lediglich vorgeschlagen, die Plausibilität deiner eigenwilligen Kontinentaldrifttheorie mal kommentieren zu lassen. Dazu braucht man keinen neutralen Boden, sondern ein kleines bisschen Offenheit.

  14. Das ist ja ganz interessant, aber darüber zu debattieren ist oft müßig. Aber wir kommen irgendwie komplett vom Thema ab, das ja hieß „Sünde ist überbewertet“. Sünde ist hier interessanterweise von Peter in Anführungszeichen geschrieben worden, was auch immer Peter damit sagen wollte. Peter, warum hast du Sünde in Anführungszeichen geschrieben?

  15. Was in den Evangelien vorherrscht, ist ein Jesús, der Mensche die gescheitert sind durch seine Großmur in Freunde verwandelt: Zacheus, Magdalena, die Ehebrecherin, die Samritrin… Das heiß, das Böse durch das Guter ¨berwinden, vergeben so wird uns Gott vegben. Jesús ist nicht gekommen um zu richten, sondern um aufzurichten, zu suchen was veloren ist. Er war immer einschließend, ni ausschließend.
    Er lässt jedoch jedem frei, sich selber auszuschließen

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