Rückblick: Sicherheit

Wir sagen das ja manchmal so dahin, dass der, der etwas beiträgt (und vorbereitet) oft den größten Gewinn in einem Gottesdienst oder Treffen hat (egal wie viele Leute kommen). Am vergangenen Wochenende ging es mir so mit dem Thema Sicherheit, von dem ich zuerst gedacht hatte, dass es ein Langweiler-Thema wäre. Ha!

Wo überall Unsicherheit lauert und zunimmt, braucht man nicht zu erklären (Renten, Daten, Energieversorgung, sozialer und politischer Frieden, Gesundheit, …). Unsere normale Sicherheits-Strategie (individuell wie kollektiv) besteht aus 1. Rückzug, 2. Kontrolle und 3. Kompensation in den verschiedenen Formen. Alles beruht dabei auf der Annahme, dass die größte Gefahr für ein gutes, erfülltes, glückliches und gelingendes Leben außerhalb von uns liegt. Für diese Art Sicherheit bezahlen wir einen hohen Preis (materiell, mental und spirituell), weil sie unsere Freiheit einschränkt (vgl. das Zitat von Benjamin Franklin unten).

Jesus sieht das Problem ganz anders.

Er sieht die größte Gefahr in uns selbst, und daher versagen die herkömmlichen Strategien so kläglich. Jesus bietet daher auch keine metaphysische Lebensversicherung, keinen Deal, in dem Gott Leid abwendet und uns in Watte packt. Er ist gar nicht daran interessiert, Platzkarten für “den Himmel” gegen Taufscheine oder religiös-moralische Bündnisse herzugeben. Seine größte Sorge ist, dass wir vor lauter Sicherheit feige, gleichgültig und egozentrisch werden. Und dann wäre so ziemlich alles verloren, was uns als Gottes Ebenbild auszeichnet.

Daher sagt er, wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren. Wer sein Leben dafür aufs Spiel setzt, Jesus nachzufolgen und diese Welt mit ihm zu verändern (in der jeder Selbsterhaltung auf Kosten der anderen sucht), der findet es erst wirklich. Also: Mach dich verletzlich und riskiere etwas, wenn nötig, riskiere alles um der Liebe und der Gerechtigkeit willen.

Er hat das auch selbst vorgelebt: An Weihnachten haben wir uns eben noch an Gottes Verletzlichkeit erinnert. Jesus hat nie Bodyguards gehabt, obwohl er sich ständig mit gefährlichen Leuten anlegte. Sein Leben hat er geliebt, aber nicht um jeden Preis. Er hat nicht einmal im Augenblick des Verrats und der Folter an Groll und Zorn festgehalten. Und Gott hat sich zu ihm gestellt und ihn in der Auferweckung zum Sieger über den Tod erklärt und damit über alles, was uns bedroht.
Der jüdische Publizist Morris Mandel hat den Vergleich zwischen der rundum geschützten Auster und dem rundum den Elementen ausgelieferten Adler angestellt. Das erklärt schön, warum Gott uns so offen in einer gefährlichen Welt leben lässt. Wir sind dazu bestimmt, mehr zu sehen, als die Auster durch den Spalt ihrer Schale. Wir sind stärker und beweglicher und können wachsen unter Anspannung und Druck. Unsere Grenze ist der Himmel – und streng genommen nicht einmal der.

Ich denke, man kann als Christ die eine oder andere Versicherung haben; aber was man nicht kann, ist sich verkrümeln, jedes Risiko meiden und dabei auf den Himmel hoffen, während hier manchmal die Hölle los ist. Viele Menschen gehen aus lauter Langeweile völlig schwachsinnige Risiken ein, nur um zu spüren, dass sie noch am Leben sind. Können wir denen ein besseres Beispiel an Risikofreude (und Leidensbereitschaft…) geben? Sie haben ein Recht darauf – und wir können eigentlich auch nur gewinnen.

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