Rechtfertigung: Wright or wrong? (3)

Ich mache es kurz mit dem Überblick über das Kapitel 4 zum Thema „Rechtfertigung“, die Details würden zu weit führen und die groben Linien hatten sich schon angedeutet in den letzten beiden Posts:

Wright zitiert Alistair McGrath mit der Feststellung, dass sich der Begriff „Rechtfertigung“ in der Theologie von seinem neutestamentlichen Ausgangspunkt gelöst hat, um zu einer Bezeichung für das gesamte Heilsgeschehen zu werden. Wenn man aber diese Vorstellung in die Paulustexte zurück projiziert, führt das zu Schwierigkeiten.

Gerechtigkeit bezeichnet keine moralische Qualität, sondern den rechtlichen Status einer Person, zu deren Gunsten das Gericht entschieden hat. Für Paulus ist das untrennbar verbunden mit der langen Geschichte Israels seit dem Bundesschluss Gottes mit Abraham in Genesis 15, dessen Ziel die Überwindung des Bösen und die Wiederherstellung der Welt ist. In Deuteronomium 28-30 ist dargelegt, welche Konsequenzen die Verletzung des Bundes für das Gottesvolk hat, und auch die Katastrophe des Exils stellt nicht das Ende dieser Verheißung Gottes dar. Paulus bezieht sich in Römer 4 und Galater 3 explizit auf Abraham und verwendet Bundesterminologie.

Die eschatologische Dimension der Rechtfertigung besteht dann darin, dass Paulus wie andere Juden an ein bestimmtes Ziel Gottes mit seinem Volk/der Welt glaubt, dass er anders als sie davon ausgeht, dass Gottes rettendes Handeln in Jesus, dem Messias, kulminiert und (ähnlich wie die Qumran-Sekte) davon ausgeht, dass nun ein neues Zeitalter begonnen hat – und zwar noch mitten im „Alten“.

Das führt zur christologischen Dimension: wenn Paulus von Jesus als dem Christus – d.h. Messias – redet, dann bedeutet das für ihn, dass

  1. sich in Jesus Gottes Ziel mit seinem Volk erfüllt, der entscheidende Sieg gelingt, der neue Tempel geschaffen wird und das messianische Friedensreich anbricht.
  2. das wahre Gottesvolk ist in dem Messias zusammengefasst ist, ähnlich wie das im AT von den Patriarchen bzw. David und Isai auch gesagt wird.
  3. die besondere Leistung des Messias in seiner Treue bzw. seinem Gehorsam besteht (Röm 5,19/Phil 2,8), der den Ungehorsam und die Untreue Israels aufhebt – der eine treue Israelit, durch den sich Gottes Plan schließlich doch erfüllt
  4. der treue Gehorsam des Messias in seinem Tod als Repräsentant seines Volkes  gipfelt, für das er eintritt. Nach Römer 8,3 verurteilt Gott am Kreuz nicht den Messias, aber die Sünde im Fleisch. Wer also in Christus ist, den trifft dieses Urteil nicht mehr.
  5. mit der Auferstehung des Messias (d.h. seiner Rechtfertigung durch Gott) die Neuschöpfung der Welt begonnen hat, die derzeit noch der Vergänglichkeit und dem Verfall unterworfen ist.
  6. der Geist des Messias auf sein Volk ausgegossen wird, damit es wird, was es Gottes Aussage zufolge schon ist – das Vertrauen auf den Messias schließt also das Vertrauen auf den Geist ein und ist von diesem nicht zu trennen. Die Struktur des Rechtfertigungsgeschehens ist trinitarisch
  7. der gekreuzigte Messias auch der kommende Richter der Welt ist, dessen zukünftiges Urteil nach den Werken mit dem jetzigen, vor-läufigen Urteil auf der Grundlage des Glaubens korrespondiert.

Im nächsten Post geht es dann ran an die Texte. Wright beginnt im Galaterbrief.

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