Queere Weihnachtstradition

Vielleicht lag es daran, dass ich einen Bericht des Sonntagsblatts über Queere Theologie quergelesen hatte, als ich gestern Nachmittag in die Stadt ging.

Dort hängt noch die Weihnachtsbeleuchtung, in der das „Christkind“ eine große Rolle spielt. In Nürnberg ist das gar kein Kind, sondern eine Mischung aus Rauschgoldengel und Himmelskönigin (es trägt eine Krone, die haben Engel normalerweise nicht). Also ziemlich das Gegenteil dessen, was die christliche Tradition an Weihnachten feiert, wenn wir singen „wahr Mensch und wahrer Gott“.

Das „Christkind“ ist keins von beiden. Interessant ist freilich: Es wird seit 1975 immer von einer jungen Frau verkörpert, zugleich ist es offensichtlich nicht-binär. Erstens, weil der begriffliche Bezug zum Christus noch da ist. Und zweitens, weil Engel, wie wir seit Alan Rickmans großartigem Auftritt in „Dogma“ wissen, geschlechtslos sind:

Das „Christkind“ gibt es seit 1933 (!), schreibt die Stadt. Es ist nicht nur ein Beispiel für weihnachtlichen Synkretismus (den sind wir ja gewohnt in Zeiten des Christdemokratenbaums). Sondern auch eine durch und durch queere Erscheinung. Das fand ich, als es mir gestern auffiel, doch sehr bemerkenswert.

Vielleicht hätte die Erinnerung an das Nürnberger „Christkind“ die Aufregung etwas dämpfen können, die der Satz „Gott ist queer“ in Quinton Ceasars Abschlusspredigt des Kirchentags hervorgerufen hat. Diese Worte fielen übrigens an genau dem Ort, wo das „Christkind“ jedes Jahr zum Christkindlesmarkt seinen großen Auftritt hat. In Nürnberg sagt das niemand laut, aber Advent und Weihnachten haben hier doch einen spürbar queeren Charakter. Vielleicht trägt das „Christkind“ zum 100. Jahrestag dann ja einen Regenbogen. Vielleicht auch schon eher?

Share