Nochmal: Fromme Männermythen

Es ist nicht das erste Mal, dass mich das Thema beschäftigt. John Eldredges „Ungezähmten Mann“ fand ich so schwach und klischeebeladen, dass ich es gleich wieder in die Ecke gefeuert habe und bei Mark Driscoll werde ich das Gefühl nicht los, dass er sich nur den derben Jesus erschaffen hat, der zu ihm passt. Geistig hat das wohl eher Stammtischniveau, manches liegt deutlich drunter.

Wie schön, dass sich auch im Land von John Wayne, James Dean und Bruce Willis nun der Widerspruch regt. Brandon O’Brien (der irische Name kann kein Zufall sein…) setzt sich in Christianity Today mit den selbsternannten Männerbefreiern kritisch auseinander. Dass ein bestimmter Typ von Mann in vielen Gemeinden nicht vorkommt, gesteht er zu (ich frage mich nebenbei, ob das auf bestimmte Frauentypen nicht auch zutrifft). O’Brien kritisiert dann zu Recht, wie Frauen hier schon wieder zum Problem erklärt werden, und dass Männlichkeit schablonenhaft so hingestellt wird, als gäbe es nur die Alternative zwischen metrosexuellem Weichling und brachialem Macho.

Vor allem aber bestreitet er die beliebte Prämisse, Jesus sei der vorbildliche Mann. Als solcher erscheint er im Neuen Testament gerade nicht, sondern als der neue Mensch, es wird also die Einheit von Mann und Frau in Christus betont. Polarisierungen, die helfen sollen, ein „klares“ männliches Profil zu entwickeln, sind mit Jesus nicht zu machen. Und die angeblich „typisch männlichen“ Eigenschaften des triumphierenden Siegers und Weltenrichters sind genau die, die seinen Nachfolger(inne)n unter dem Kreuz in der Bibel gerade nicht zur Nachahmung empfohlen werden.

Was ich nicht kapiere: Der so heftig beklagte Frauenüberschuss besteht doch im Wesentlichen in Gemeinden, die von Männern geleitet werden. Hat da noch niemand einen Zusammenhang gesehen? Und kann es sein, dass die Bibel überhaupt keine Theorie über wahres Mann-/Frausein liefert, sondern nur von konkreten Männern und Frauen erzählt?

Share

10 Antworten auf „Nochmal: Fromme Männermythen“

  1. Hallo Peter,
    mit großem Interesse lese ich immer deinen blog. Dein o.g.Thema beschäftigt mich selber gerade. Kürzlich habe ich einen Workshop auf einem christlichen Männerseminar gehalten zum Thema „Warum Männer nicht in die Kirche gehen?“ (ich musste richtig Werbung machen bzw. positiver formulieren(„Wie kann Kirche aussehen, so dass Männer gerne dabei sind?), denn die Männer auf dem Seminar gehen offensichtlich alle in die Kirche) Es geht eben nicht nur um den Frauenüberschuss in den Gemeinden, sondern warum sich (nicht christlich sozialisierte) Männer oft mit dem Stil unserer Gottesdienste und Hauskreise schwer tun.
    Ich lerne gerade einiges selber durch unsere Bikerfrühschoppen und einem Treffen zu dem nur Männer (Christen und welche, die gerade auf dem Weg sind) kommen.

  2. Hab grad den Video angesehen, den du verlinkt hast! Ich hab es fast nicht glauben können!! Unglaublich! Um Himmels willen, das macht mir fast Angst…

  3. @ Nobbi: Wenn es um echt kirchenferne Leute geht, denke ich, dass wir Männer wie Frauen nicht erreichen. Aber die Kultur der meisten Gemeinden kommt Frauen etwas mehr entgegen, weil sie stark auf Harmonie und Intimität setzt. Da sind Frauen im Vorteil, aber es ist wohl eine kulturelle Frage.

    Wir betonen Werte wie Familie ganz stark und halten uns bei Themen wie Zivilcourage und Politik eher zurück. Familie ist die Schlüsselmetapher für das Selbstverständnis vieler Gemeinden. Sie wird in unserer Gesellschaft aber immer noch als die Domäne der Frauen wahrgenommen, in der die Männer quasi Gäste sind. Im NT ist „ekklesia“ ja ein Begriff, der aus der Politik entlehnt wurde. Vielleicht sollten wir da mal weiterdenken…

  4. finde besonders deinen letzten Satz seh gut. ich glaub auch, dass die Bibel selten Formeln oder allgemeingültige Muster liefert. Sie erzählt eher vom konkreten Einzelfall. Aber dennoch muss man sich zu dem Thema verhalten. Progressive ChristINNEN (das musste jetzt sein) führen zwar einen Diskurs über die Genderproblmatik aber zu oft läuft der drauf hinaus, die Frauen befreien und zu ihrem Recht kommen lassen zu wollen. Das ist gut. Ist aber ein defizitärer Diskurs, weil er die Realität in ein Täter-Opfer Schema presst. Da finde ich es gut, wenn auch mal der Mann ins Blickfeld gerät, der zwar nicht ökonomisch „unterdrückt“ wird, aber der zZ genauso kulturell geknechtet und bevormundet wird.

    Das ist eben der Unterschied zu der Zeit der Bibel: dort gabs es eben vorgefertigte Bahnen, heut muss alles ausgehandelt werden, da kommt die Kultur und bietet wieder vorgefertigte Rollenmodelle an, die sich dann wieder verselbstständigen und zu ungeschriebenen Gesetzen werden…

  5. Diese unsere Kultur macht es uns eben nicht leicht: man muss immer wieder alles neu definieren. Waren da die Rollenschemata unsrer Großeltern nicht einfacher? Wie waren damit glücklich – und wie!
    „Das ist eben der Unterschied zu der Zeit der Bibel: dort gabs es eben vorgefertigte Bahnen, heut muss alles ausgehandelt werden, da kommt die Kultur und bietet wieder vorgefertigte Rollenmodelle an, die sich dann wieder verselbstständigen und zu ungeschriebenen Gesetzen werden…“

  6. Zitat:
    „… Waren da die Rollenschemata unsrer Großeltern nicht einfacher? Wie waren damit glücklich – und wie!…“

    Waren sie das wirklich? Sahen nicht viele Ehen früher so aus, wie es in der Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“ dargestellt wird? Tägliches herrisches Beleidigen war an der Tagesordnung, viele Ehen wurden einfach nur weitergeführt und ausgehalten.
    Es ist anstrengend aber lohnend Rollenschemata mal anzuschaun und zu hinterfragen. Die meisten Männer wünschen sich heute eine Partnerin, eine Gefährtin auf Augenhöhe, was die meisten Frauen auch begrüßen.

    Das „Skandalvideo“ aus Peters Post ist enfernt worden, so kam ich nicht mehr dazu mich zu entrüsten. Was wurde denn dort gezeigt?

  7. @ Hartmut: Ob glücklicher oder nicht – man kann das Rad manchmal nicht mehr zurückdrehen. In letzter Konsequenz müsste man Frauen die Bildungschancen begrenzen (so war das ja bis vor ein paar Jahrzehnten und ist es bis heute in manchen Regionen der Welt).

    @ silence: Auf dem Video war ein US-Prediger, der über Pinkeln im Stehen und Männlichkeit nach biblischem Muster schwadroniert. Skurril, aber nicht so wichtig…

  8. @Peter,
    Danke – das war ja wirklich nicht so wichtig. Überlegungen über Bildungschancen, Aufgabenverteilungen, soziale und emotionale Kompetenzen und deren Umsetzung in Familien, Paarbeziehungen oder Gemeinschaften sind sicher wichtiger.
    Meiner Meinung nach ist Chauvinismus ein entscheidendes Hindernis für Entwicklung und Dialog. Frauen sollten ebenso darauf verzichten wie Männer.

  9. „Und kann es sein, dass die Bibel überhaupt keine Theorie über wahres Mann-/Frausein liefert, sondern nur von konkreten Männern und Frauen erzählt?“
    Ich stell‘ mich hier auf keine Seite („So muss ein Mann/eine Frau sein!“), aber die Aussage mag ich so nicht stehen lassen.
    Die Bibel könnte in vieler Hinsicht klarere Aussagen machen, ja bitte!!
    Aber sie macht erstens schon Aussagen zum Mann-/Frausein (mit denen ich als Frau gewisse Probleme habe) und zweitens benutzt so ziemlich jeder Ausleger, den ich je gehört habe, die in der Bibel erzählten Berichte über konkrete Personen und Ereignisse als Grundlage für Rückschlüsse. Was wir daraus „mitnehmen“ können, genauer.
    Willst du sagen, gerade in diesem Thema können wir das nicht? Wenn ja, wieso?

    1. Sicher bedienen sich viele Ausleger bei biblischen Texten und stellen Theorien über das Mann- und Frausein an sich auf. Aber ich finde in meiner Bibel nirgends eine abstrakte Definition des Männlichen und des Weiblichen. Stattdessen wird von Männern und Frauen erzählt. Im Hintergrund steht dabei eine bestimmte, eher patriarchalische Ordnung, zu der diese Geschichten mal in größerer, meist in geringerer Spannung stehen. Aber Grönemeyers Frage „Wann ist ein Mann ein Mann?“ ist den Texten völlig fremd.

Kommentare sind geschlossen.