Homosexualität: Trägt das Schöpfungsargument?

Uli Eggers stellt in seinem einleitenden Artikel zum „Dossier Homosexualität“ im aktuellen Heft von „Aufatmen“ die entscheidende Frage: „Sind wir im wissenschaftlichen und theologischen Gespräch auf Stand und kennen die Argumente anderer Christen, die unsere Sicht nicht teilen? Haben wir tragende Antworten, die auch noch für unsere Kinder nachvollziehbar sind?“ Ich fühle mich zwar in keiner Hinsicht als Fachmann, fand gleichwohl, die Argumente anders Denkender hätten ruhig ausführlicher dargestellt werden können. Um diese selbst zu referieren, muss ich mich erst noch weiter einlesen, daher hier einstweilen ein weiterer prüfender Blick auf die Argumentation des Dossiers selbst.

Ich habe mich letzte Woche mit der Frage befasst, welche Gültigkeit die Vorschriften aus Levitikus 18-20 für uns heute haben und bin dabei auf größere Schwierigkeiten in der Anwendung gestoßen (zur jüdischen Auslegung des Gesetzes habe ich übrigens heute diesen Bericht in der taz gefunden). Anstatt nun weiter ins Neue Testament zu gehen, möchte ich zurück ins Buch Genesis. Denn beim Lesen in den Beiträgen des Dossiers hatte ich das Empfinden, dass der tiefere, eigentliche Grund für die negative Sicht von Homosexualität darin liegt, wie die Schöpfungsgeschichte hier verstanden wird. Was Paulus dann in Römer 1 und 1. Korinther 6 schreibt, kommt nur noch erschwerend dazu.

1. Die These und ihre Implikationen

Die Logik, und ich hoffe, dass ich das nun skizziere, aber nicht karikiere, ist folgende: Gott hat die Menschen als Mann und Frau geschaffen und sie dazu bestimmt, sein Ebenbild zu sein. Markus Hofmann schreibt in seinem Beitrag (S. 51) unter Verweis auf Johannes Paul II, die Gemeinschaft von Mann und Frau sei „die höchste Offenbarung des ebenbildlichen Seins und Existierens des Menschen, die Gott von Anfang an gemeint hat.“ Und Christoph Raedel (S. 61): „Die Gottebenbildlichkeit des Menschen verwirklicht sich im Aufeinander-Bezogen-Sein des männlichen und weiblichen Geschlechts.“

Mann- und Frausein wird hier komplementär verstanden. Männer als Männer (und Männer unter Männern) beziehungsweise Frauen als Frauen (und Frauen unter Frauen) sind also nur eine eingeschränkte Form von Ebenbild. Um Gott vollkommen widerzuspiegeln müssen Mann und Frau zusammenkommen – die (so verstanden ja buchstäblich „heilige“) Familie. Und was würde diese These schöner belegen als die Tatsache, dass zur Zeugung neuen Lebens Vater und Mutter gebraucht werden?

Das ist auf den ersten Blick ein sehr ansprechender Gedanke, weil er mit der Komplementarität auch die Parität der Geschlechter zu betonen scheint: Männer und Frauen brauchen einander, Kinder brauchen zur gesunden Entwicklung auch beide Bezugspersonen. Allzu patriarchalische Thesen lassen sich damit widerlegen, eheliche Treue wird dagegen geadelt.

Die unvermeidliche Konsequenz im Blick auf Homosexualität lautet dann freilich, dass dieses Verhalten (das von der Neigung konsequent unterschieden wird) das Bild Gottes im Menschen verdunkelt oder entstellt. Das wird gegebenenfalls dadurch leicht relativiert, indem man hinzufügt, das sei auch nicht schlimmer als andere Dinge wie … – und dann kann man beliebige andere Tat- und Unterlassungssünden einsetzen, an die wir uns ein bisschen zu sehr gewöhnt haben. Es bleiben also aus dieser Sicht nur die schon beschriebenen zwei legitimen (Aus-)Wege: Eine Veränderung der Neigung bzw. sexuellen Orientierung (und damit die Rückkehr zum biblischen Urbild) oder ein enthaltsames Leben als Single.

2. Die Aporien dieser These

Aus zwei Gründen erscheint mir diese Argumentation unbefriedigend:

Erstens wird uns im Neuen Testament unisono Christus als „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ vor Augen gestellt. Wäre die Komplementaritätslogik im Blick auf Genesis 1 richtig, hätte Gott dann nicht als Ehepaar in die Welt kommen müssen?

Dass die katholische Theologie, die hier Maria immer noch ins Spiel bringen (oder sich zumindest gut sichtbar an der Seitenlinie der Gotteslehre warmlaufen lassen) kann, den Gedanken der Komplementarität nicht ganz aufgibt, mag diese Spannung noch lindern. Ebenbildlichkeit ist aber streng christologisch zu verstehen. Als Evangelischer hat man nun die Wahl, ob man sagt, Gott ist eben doch eher männlich – und dann greift man vielleicht auf das antike Paradigma vom Mann als dem aktiven und der Frau als dem passiven Part zurück und sagt, im Blick auf Gott (etwa als actus purus) sind wir ja alle passiv, „weiblich“, die „Braut“ aus der Offenbarung des Johannes und dem Brief an die Epheser (was – noch weiter gedacht – sofort die Frage aufwirft, ob solche Redeweisen von Braut, Hochzeit, ehelicher Liebe und Treue am Ende gar implizieren, dass zwischen Gott und Menschheit ein solch komplementäres Verhältnis besteht, in dem einer – problematisch wird der Gedanke im Blick auf Gott – ohne den anderen nicht „vollständig“ ist).

Oder – und das läge mir jetzt viel näher – man sagt eben, Gott steht jenseits all dessen, was menschliche Geschlechtlichkeit ausmacht. Er ist auch mehr als nur die komplementäre Einheit der Unterschiede (als ginge es um eine Art Yin und Yang). Der Gott, der sich in Christus offenbart, kann sich in einem Mann genauso wie in einer Frau widerspiegeln und natürlich erst recht in seiner Kirche aus vielen Männern und vielen Frauen – aber diese Unterscheidung erscheint nie allein, sondern sie wird (etwa in Galater 3,28) durch soziale (Sklaven/Freie) und ethnische (Juden/Griechen) Kategorien eingerahmt, die damals in der Regel ebenfalls durch qua Geburt galten. Was wiederum zeigt, dass es sich hier um Geschlechterrollen handelt und diese nicht als biologisches, sondern als kulturelles Phänomen begriffen werden. Die körperlichen Unterschiede bleiben ja bestehen.

So würde sich zweitens auch leichter erklären, warum Jesus im Blick auf die kommende Welt (oder die „Ewigkeit“) die Ehe relativiert und – das wird in diesem Zusammenhang oft vergessen – natürlich nicht zur Flucht aus der Ehe oder Untreue ermuntert, aber die damals so mächtigen Familienbande zugunsten der Nachfolge relativiert und zölibatäres Leben als gleichwertige Option der Lebensgestaltung unter Gottes Verheißung verstanden wird.

Es spricht also alles dafür, dass Gott sich auch für Jesus im einzelnen Menschen wie auch in der Gesamtheit des Gottesvolkes widerspiegelt, Ehe und Familie dagegen keine eigene, darüber hinaus gehende „Offenbarungsqualität“ besitzen. Sonst wäre ja zu erwarten, dass sich dieses Element verstärkt, wenn Gottes Herrschaft in ihrer ganzen Fülle kommt. Zudem wäre die oben erwähnte Aufforderung zum zölibatären Leben ja auch nur eine sehr unbefriedigende Lösung für den Fall, dass heterosexuelles Empfinden fehlt. Die geforderte Ergänzung bleibt ja in jedem Fall aus. Und selbst wenn es so wäre – ergibt sich daraus denn zwingend der Schluss, dass eine Partnerschaft unter Männern oder unter Frauen, anders als der bewusste Verzicht, das Ideal der Ergänzung noch viel umfassender untergräbt oder verfehlt?

3. Ein Blick in die Urgeschichte

In der Regel wird die biblische Urgeschichte heute als Antwort Israels auf altorientalische Schöpfungsmythen wie das Gilgamesch-Epos verstanden, die deren Projektionen entlarven und die Götterwelt entzaubern (die interessanterweise aus männlichen und weiblichen Göttern besteht, die einander begehren, betrügen oder bekriegen). Mein Eindruck ist, dass Homosexualität hier gar nicht in den Blick kommt, auch nicht in Abgrenzung gegen das Heidentum. Vielleicht aber sehen wir eine Distanzierung vom sexualisierten Gottesbild der Nachbarvölker. Die erste biblische Erzählung hat einen sehr universalen Horizont, die zweite spiegelt die Lebenswelt des Ackerbauern wider. Sowohl in Genesis 1 als auch in Kapitel 2 treffen wir auf die grundlegende Dualität der Geschlechter. Im ersten Kapitel wird festgehalten, dass die Menschheit aus Mann und Frau besteht:

Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.

Geschlechtlichkeit als biologische Gegebenheit ist etwas, das wir Menschen mit den Tieren (die ja im Kapitel 7 auch paarweise in die Arche kommen) gemeinsam haben, aber eben nicht mit Gott. In puncto Ebenbildlichkeit steht der Mensch hier nämlich im Singular. Will man aus diesen Sätzen eine Kritik homosexueller Beziehungen ableiten, dann müsste man aus Sicht von Gen 1 wohl das Argument der fehlenden Fruchtbarkeit anführen. Nur ist es heute ja so, dass wir zwar das Leid unwillentlicher Kinderlosigkeit achten, es aber nicht mehr als einen lebensmindernden Fluch begreifen. Die meisten Christen haben zudem einen pragmatischen Umgang mit Empfängnisverhütung gefunden.

In Genesis 2,20-24 wird etwas mehr über Mann und Frau gesagt, der Text wird ja bei jeder Trauung vorgelesen:

Der Mensch gab Namen allem Vieh, den Vögeln des Himmels und allen Tieren des Feldes. Aber eine Hilfe, die dem Menschen entsprach, fand er nicht. (21) Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, sodass er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloss ihre Stelle mit Fleisch. (22) Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. (23) Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heißen, denn vom Mann ist sie genommen. (24) Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch.

Der Aspekt Fruchtbarkeit wird hier gar nicht thematisiert, sondern die Frage des passenden Gegenübers. Interessanterweise wird „passend“ hier ausdrücklich im Sinne von „Ähnlichkeit“ verstanden und nicht im Sinne komplementärer Differenz – denken wir nur an Luthers Übersetzung „Männin“. Beim Mann/Menschen dagegen wird das Bedürfnis nach einer intimen Bindung hervorgehoben. Intimität ist im Vergleich zur Sexualität der tiefere, umfassendere und dauerhaftere Antrieb im Menschen. Wir müssen also Sexualität von Intimität her denken, nicht umgekehrt – von der Sehnsucht also, sich einem Gegenüber in der Tiefe zu offenbaren und mitzuteilen, sich zu verschenken und von einem anderen beschenken zu lassen. Das hat nun für mein Empfinden weder etwas spezifisch Männliches noch typisch Weibliches, sondern Männer und Frauen sind sich darin ja gerade gleich.

Dass hier nur von Mann und Frau die Rede ist, kann man nun entweder deskriptiv verstehen – Menschen gibt es nun einmal als Männer und Frauen und der statistische „Normalfall“ (wer wollte das bestreiten?) bleibt natürlich die heterosexuelle Paarbeziehung – oder aber präskriptiv als Ordnung, als das einzig gewollte und erwünschte Muster. Das aber, so scheint mir, ist eine Entscheidung des Auslegers und wohl auch seines kulturell geprägten Vorverständnisses.

Ach ja, in den Kommentaren bitte wieder beim Thema bleiben und Diffamierungen aller Art meiden…

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37 Antworten auf „Homosexualität: Trägt das Schöpfungsargument?“

  1. Die Polarität zwischen Mann und Frau als rein biologische Tatsache zu beschreiben und alle weiteren darauf bezogenen ethischen Äußerungen als vorwiegend kulturell erzeugte Rollen zu benennen, ist eine wissenschaftsgeschichtlich sehr fragwürdige These.
    Dazu gab es in faz.net am 7. September 2006 einen ausführlichen Artikel von Volker Zastrow „Der kleine Unterschied“, der die Genese des „Gender Mainstreaming“ als die erschütternde Geschichte der sogen. Reimer-Brüder nacherzählt; der Artikel ist glücklicherweise noch kostenfrei abrufbar und m.E. sehr lesenswert: http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E75AE8F760BF94344B9187BB752F34D74~ATpl~Ecommon~Scontent.html
    Im Blick auf katholische Offenbarungslehre sehr unverdächtig ist Karl Barth, der in KD III/4 § 54.1 auf seine Weise die Polarität von Mann und Frau ethisch entfaltet. Ebenfalls lesenswert; bei ihm stellt sich das Offenbarungsproblem so nicht.
    Frage:
    Ist es wirklich nötig, die Grundstruktur christlicher Anthropologie umzubauen, um dem Phänomen Homosexualität und den Menschen, die so empfinden und leben, gerecht zu werden?

  2. @Werner: Mir geht es ja weniger darum, die Polarität von Mann und Frau zu bestreiten oder aus den Anthropologie zu verbannen, sondern sie aus der Gotteslehre heraus zu halten. Da gehört sie für mein Empfinden nicht hin. Natürlich bedingt die biologische Polarität auch die kulturellen Rollenbilder. Diese sind zwar nie identisch, andererseits aber auch nicht unveränderlich, wie die Kulturgeschichte zeigt. Patriarchalische Vorstellungen haben wir ja auch abgelegt, obwohl sie in der Bibel an vielen Stellen erscheinen.

  3. Jetzt sehe ich: den Reimer-Artikel hatte ich damals auch gelesen. Darum geht’s mir wirklich nicht, alle Unterschiede zu leugnen oder als durch Erziehung allein bedingt hinzustellen. Nur halte ich nicht jede Interpretation dieser Differenz für gleichermaßen stichhaltig und legitim.

  4. D’accord.
    Die Polarität im Gottesbild ist höchstens insofern relevant, als dass Gott in sich lebendig und reich ist, ein in sich kommunikativer Gott (Trinität), der den Menschen zum Bundespartner geschaffen und dadurch auch zur Kommunikation berufen hat. Gott gibt uns im anderen Geschlecht eine Ergänzung und Herausforderung zur Seite, eben „das Andere“, und stellt uns durch unsere natürliche Konstitution in eine kommunikative Polarität hinein, die zu Seinen Schöpfungswerken, nicht zu seinen eigenen Daseinsbedingungen gehört.
    Im Blick auf die sexuelle Konstitution ist es dennoch nicht unwichtig, ob und wie diese geschöpfliche Polarität zwischen Mann und Frau wahrgenommen und ethisch bewertet wird. Es gibt eine Reihe von Argumentationen, die mit der These von der Kulturbedingtheit der Rollen das klassische Modell „Mann und Frau“ als eine unter anderen beliebigen Konstruktionen darstellen und damit auch den Ansatz einer christlichen Ehe-Ethik einebnen.
    Ich weiß natürlich, dass es in den Diskussionen hierüber schnell zu einem subtilen Kampf um oder gegen bestimmte Lebensformen kommt; eine zahlenmäßige Minderheit gerät hierbei auch juristisch und menschlich schnell ins Hintertreffen, wenn man kurschlüssig vom prinzipiellen Ansatz zu platten moralischen Forderungen übergeht. Das disqualifiziert aber das Schöpfungsargument aus Gen 1,26f nicht.

  5. Ja, das hat z.B. Miroslav Volf gut herausgearbeitet in „Exclusion and Embrace“, dass die Trinität zwar kein Abbild der Geschlechterpolarität, wohl aber ein Modell für den Umgang mit dem Anderen darstellt. Mann/Frau ist sicher keine beliebige Konstruktion, eben weil es eine Grundgegebenheit des Lebens und Identitätsgefühls von Menschen ist. Ich denke aber, um der (legitimen) Ehe-Ethik willen ist auch manche biblische Aussage vielleicht etwas überinterpretiert worden, was eben in der Diskussion um Homosexualität nun für Probleme sorgt.

  6. Hallo!
    Ich finde Eure Diskussion sehr interessant und einige Aspekte / Argumente kann ich nachvollziehen, andere ehrlich gesagt nicht, vermutlich weil ich den Gedankengang nicht verfolgen kann (zumindest nicht nach erstmaligem lesen).
    Ich für meinen Teil bin einerseits froh, dass ich nicht darüber richten werde, was „richtig“ und was „falsch“ ist. Andererseits habe ich noch keine abschließende Meinung zu diesem Thema und suche solche Threads wie diesen….
    Derzeit sehe ich einerseits klare Haltungen von Paulus zu diesem Thema; beim Verständnis der Bibel kann ich dem Gedanken etwas „logisches“ nachempfinden, dass Gott Mann und Frau für einander geschaffen hat. Ein absolutes Wunder, dass aus der Verbindung von Mann und Frau neues Leben erwachsen kann (ich erlebe das gerade selber als Vater eines 10M alten Kindes).
    Heißt das gleichzeitig: Ich muss Homosexuelle Paare wegen ihrer Entscheidung auf sündhaftes Verhalten aufmerksam machen und ihnen sagen, dass (so wie ich die Bibel verstehe) sie in Sünde leben. Jesus selber sagt nichts konkretes zu diesem Thema und an allen Spekulationen, er sei Schwul gewesen in Anlehnung an „den Jünger, den er besonders liebte…..“ halte ich für abwegig, da Jesus die Liebe Gottes den Menschen gezeigt hat und da so denke ich sicherlich keine Paarbeziehung mit gemeint hat!

    Wenn homosexuelle Menschen in die Gemeinde kommen, dann will ich sie genaus so behandeln und Beziehung mit ihnen führen können, beten können wie mit anderen Geschwistern auch. Ich weiß nicht wie es sich anfühlt einen Mann sexuell anziehend zu finden und natürlich ist das für mich merkwürdig…. Steckt dahinter aber die bloße Willensentschiedung eines Menschen oder wird er durch seine Hormone so geleitet? Ich arbeite im sozialen Bereich und viele homosexuelle Menschen haben eine brüchige Familiengeschichte – mit Beziehungsstörungen zu Eltern. Bei manchen Menschen steckt hinter der sexuellen Orientierung auch tatsächlich die Entscheidung: Der Mann hat mir so weh getan, also will ich nur noch mit einer Frau zusammenleben….

    Was ich sagen will: Danke für die geistreichen und differenzierten Anregungen zu diesem Thema. Ich würde mich freuen noch mehr „Futter“ zu bekommen!

    Viele Grüße

  7. Hi Peter,

    wow, ich finde das weiterhin bewundernswert, wie Du dieses Thema durchdenkst. Und ich bin gespannt, was für Dich am Ende dabei rauskommt.

    Ich frage mich allerdings auch grade wieder, wo hin diese theologischen Diskurse uns führen können. Wahrscheinlich fällt es mir einfach noch schwer, die theologische Denkweise zu begreifen. Bei uns Mathematikern ist das einfacher, da sind die Axiome klar und es gibt eigentlich keinen Streit, wenn daraus etwas gefolgert wird, da auch die Regeln des Beweisens klar sind. Bei den Naturwissenschaften geht es – soweit ich das verstehe – weniger um richtig oder falsch, sondern darum, wie gut eine Theorie die Welt erklärt, und ob man damit Voraussagen machen kann, die dann experimentell nachgewiesen werden können. In der Theologie habe ich dagegen als Laie von außen immer den Eindruck, dass viel diskutiert wird, obwohl manchmal nicht mal die Axiome klar sind. Gibt es denn sowas wie einen theologischen Konsens? Und wenn nicht, was ist dann das Ziel der Theologie?

    Sorry für diese eher kritischen Fragen. Sie schwirrten mir beim Lesen Deines Artikels einfach im Kopf rum, da ich mich gefragt habe, ob der Verfasser des Aufatmen-Artikels mit Deinen Gedanken mitgehen würde. Und sie kommen aus echtem Interesse.

    Was ich übrigens einen wertvollen Gedanken fand, der sehr gut formuliert hat, was ich schon immer empfunden habe, ist, dass wir die Sexualität von der Intimität her denken müssen. Auch homosexuelle Paare lieben einander immer noch, wenn der Sexualtrieb nachlässt. Und auch wenn ich an meinen Partner denke, dann steht ja nicht die Sexualität im Vordergrund, sondern die intime Gemeinschaft mit ihm.

    Was für mich in der Diskussion auch eine wichtige Frage wäre, ist, gegen welchen Teil des Doppelgebots der Liebe homosexuelle Beziehungen verstoßen und aus welchen Gründen. Verfehle ich die Liebe zu Gott, zu meinem Nächsten oder zu mir selber und warum. Allerdings weiß ich natürlich wieder nicht, ob man von dem Gedanken her eine theologische Betrachtung aufbauen kann (mir würde sie trotzdem helfen, die Kontraposition zu verstehen. :))

  8. @Ulf: Das mit der brüchigen Familiengeschichte finde ich spannend. Das ist ja eines der Hauptthesen von z.B. Wüstenstrom (Markus Hoffmann, der ja offensichtlich auch in der Aufatmen geschrieben hat). Da ich selber keine ganz einfache Familiengeschichte habe (meine Mutter hatte psychische Probleme) hat mir das früher auch eingeleuchtet und auch heute frage ich mich noch manchmal, was für einen Einfluss das haben könnte.
    Ich habe allerdings das später aus mehreren Gründen (mit kleinen Zweifeln) wieder verworfen.

    Erstens habe ich mit Homosexuellen geredet, die ein solches problematisches Verhältnis anscheinend nicht hatten. Zweitens habe ich mir gedacht, dass sich bei solchen Organisationen natürlich dann auch genau diese Homosexuellen versammeln, bei denen das so ist. Drittens habe ich mich gefragt, ob nicht auch der Umstand, dass man homosexuell ist gerade zu Problemen führen kann (also die Frage, was Ursache und was Wirkung ist) und schließlich hat auch ein Soziologe wie Tony Campolo (der selber nicht daran glaubt, dass homosexuelle Beziehungen gut sind) gesagt, dass die Soziologie einen solchen Zusammenhang nicht herstellen konnte.

    Umso interessanter ist Deine Aussage. Würdest Du das als statistisch relevant empfinden? Könntest Du ein bisschen mehr dazu erzählen?

  9. @Tobias: So schrecklich anders als andere Wissenschaften funktioniert Theologie auch nicht. Sie stellt auch Hypothesen auf, die einerseits mit den (zugegeben: oft recht vielschichtigen) Aussagen der Schrift, andererseits mit unseren täglichen Erfahrungen und aktuellen Fragestellungen in einem stimmigen Verhältnis stehen sollen. Nur hat man statt mit Messdaten (die sind selten eindeutig) und Axiomen (die sind es, das gibt’s aber wirklich nur in der Mathematik) sondern eben mit historischen Texten zu tun. Hier also sind das Fragen wie: Was sagt die biblische Tradition über Homosexualität? Welches Vorverständnis tragen wir an die Texte heran, das unsere Wahrnehmung beeinträchtigen könnte? Was waren die herrschenden Meinungen in der Umwelt das AT/NT? Wie haben Christen zu anderen Zeiten das verstanden? Was wissen wir heute über dieses Thema? In welcher Richtung sollten wir aufgrund der Botschaft der biblischen Texte weiterdenken? Welche praktischen Folgerungen ergeben sich daraus?

  10. Also zweite Runde…

    Mir ist die ganze Diskussion zu scholastisch. In sofern geht es mir ein bisschen wie Tobias. Vielleicht weil ich auch Programmierer bin, wo es auch nur „true“ und „false“ gibt und man jeder Redundanz und jeden unverständlichen (weil fehlerträchtigen) Spagetti-Code vermeiden will.

    Ich möchte mal an die zentrale Frage erinnern: Ist diese – die heterosexuelle sich reproduzieren Gemeinschaft – wirklich Heilsrelevant?

    Wenn ja…

    A) Warum erwähnt das Jesus in der Bergpredigt nicht?

    B) Sind alle Die, die nicht in heterosexuellen sich reproduzierenden Gemeinschaften leben können vom Heil ausgeschlossen?

    C) Es werden in der Genesis auch keine Asiaten oder Dunkelhäutige Menschen beschrieben. Adam kann aber nur schwarz, weiß oder irgend eine andere Hautfarbe gehabt haben (und nicht mehrere). So wie er nur EINE Haarfarbe gehabt haben kann. Und? Ist das heilsrelevant? Sind die, die nicht wie Adam aussehen vom Heil ausgeschlossen? Weil sie nicht „Gottes Ebenbild“ sind?

    …wohl kaum!

    Peter, du hast ja jetzt ein Exemplar von „Ohne Kreuz keine Krone“, wenn du da mal auf Seite 56 (Kap. 4 9. Abschnitt) schaust, da erörtert Penn, das die Ehe zwar zu den erlaubten Dingen gehört, aber das ihm an sich noch kein Heil zugesprochen werden kann. Im Gegenteil: Wenn ich mich daran klammere können die Ehe zu meinem Fluch werden. Die ganze Palette von Bibelstellen auf die Penn verweist schenke ich mir jetzt mal. Die kannst du ja selber nachsehen.

    Fazit für mich: Die Ehe (hetro- oder homosexuell) ist völlig überbewertet. Gott schenkt uns vielleicht eine wunderbare Gemeinschaft mit einem Menschen (oder auch nicht), aber das Heil kommt von Gott und nicht von dem, was uns geschenkt oder verwehrt bleibt. Das Heil ist in dem Kreuz, was wir aufnehmen und tragen. Die Opfer die wir damit bringen werden uns zum Heil. Als Mann eine Frau zu heiraten und zu schwängern ist an sich noch kein Opfer! Also wofür soll Gott uns dafür belohnen? Dann können wir gerade wohl von Gott erwarten, das er uns das ewige Leben dafür schenkt, weil wir eine Sahnetorte gegessen haben… Sorry, ich glaube da könnt ihr lange warten.

    Gruß

    Olaf

  11. @Peter: Deinen Aussagen zu Messdaten und Axiomen würde ich etwas widersprechen. Messdaten sind natürlich nicht eindeutig, müssen es aber – so wie ich die Naturwissenschaften verstehe – auch nicht sein, da es dort eben nicht um ein Richtig oder Falsch, sondern um ein Besser oder Schlechter geht.

    Besonders aber würde ich der Aussage widersprechen, dass es Axiome nur in der Mathematik gibt. Meiner Meinung nach gibt es Axiome überall, wo diskutiert und argumentiert wird. Nur tragischerweise werden sie meistens nicht genannt oder sind den Argumentationspartnern nicht einmal bewusst. Man kann das besonders gut bei Politikern sehen. Wenn da zwei sitzen und der eine stellt seiner Argumentation das Axiom „Der freie Markt reguliert sich selbst zum Besten aller“ zugrunde und der andere das Axiom „Der freie Markt hat die Tendenz, Chaos erwachsen zu lassen, das der Welt schadet und muss deshalb reguliert werden“, dann können sie über Sinn und Unsinn von Gehaltsbegrenzungen, Mindestlohn oder ähnlichen Dingen diskutieren, bis die Welt endet, sie werden nicht zu einer Einigung kommen. Viel fruchtbarer wäre es, zu versuchen, die Axiome rauszuarbeiten und zu versuchen, zu prüfen, wie gut sie die Welt beschreiben. Natürlich ist es richtig, dass es oft ein Gemisch ist, denn zusätzlich zu Axiomen werden dort eben auch noch Messdaten (was kann man in der Vergangenheit beobachten) herangezogen, doch ich denke, auch das wird oft im Lichte von Axiomen gedeutet.

    Mag natürlich auch sein, dass ich das nur so sehe, weil das die Art von Denken ist, in der ich geschult worden bin.

    Und damit nochmal zur Theologie: ich kann Deine Ausführungen dazu nachvollziehen, finde es aber bei der Theologie zumindest als Laie immer noch erstaunlich, dass daraus so viele unterschiedliche Deutungen entstehen und dass ich am Ende doch danach entscheide, was am ehesten mit meinem Herzen und meinem Leben resoniert. Tut das ein Theologe auch, oder bleibt er da doch eher rational? Ich denke, auf jeden Fall wird es auch hier natürlich einen großen Unterschied machen, was ich für Grundannahmen treffe (z.B. wo ich mich zwischen den Extrempolen, die Bibel sei nur ein rein geschichtliches Buch und die Bibel sei von Gott quasi diktiert einordne).

    @Olaf: Ich muss nochmal sagen, dass ich Peters Ausführungen durchaus interessant und nicht zu scholastisch finde. Ich denke auch, dass dieser Zugang für ihn – und wohl auch für viele andere – wichtig ist. Ich musste nur darüber nachdenken, ob er auch den Austausch zwischen den Fronten weiterbringen kann oder nicht.

    Aber auch bei dem, was Du schreibst, merke ich schon wieder, wie schwierig solch ein Diskurs doch ist, da z.B. meine Vorstellung von Heil und ewigem Leben ganz und gar nicht mehr die sind, die ich noch vor zehn Jahren hatte und ich deshalb auch nicht weiß, was Du darunter verstehst. Wenn ich glaube, dass es hier um ein „Leben in Fülle“ geht, das schon hier und jetzt zum Wohle der Welt anfängt, dann kann ich schon glauben, dass da auch ein Leben in Einklang mit der wahren Natur des Menschen, wie Gott sie gegeben hat, ein wichtiger Teil sein kann.

    So, jetzt muss ich aber los zur Arbeit.

    1. @Tobias: Ich habs nochmal nachgelesen. Axiome im klassischen Sinn sind selbstevidente Aussagen, sie können und müssen nicht bewiesen werden. Natürlich gibt es hier und da unhinterfragte Annahmen, aber die sind, wie Du ja zeigst, oft keineswegs selbstevident. Naturgesetze können (aber das finde ich dann begrifflich unsauber) auch als Axiome bezeichnet werden, sind aber empirisch begründet und im Prinzip ebenso widerlegbar.

      Theologie ähnelt ja den Sprach- und Kulturwissenschaften, hat viel von deren Methodik und dasselbe Maß an Vieldeutigkeit, das mathematisch-naturwissenschaftlich schwer nachzuvollziehen ist, vgl. z.B. die Glaubenskriege der Ökonomen.

      Ich glaube, der einfache Christ (gewöhne mir gerade das Wort „Laie“ ab) macht im Prinzip dasselbe. Er stellt Verknüpfungen her zwischen dem Wort Gottes und seiner individuellen und unserer kollektiven Lebenssituation. Methodisch ist das weniger reflektiert, aber nicht unbedingt weniger intuitiv. Oft fehlt nur das Problembewusstsein, weil man Dinge nur so weit durchdenkt, wie es nötig ist, aber nicht weiter. Da hat der Theologie zumindest in der Theorie den Vorteil, dass er aus der Geschichte oder der Ökumene Beispiele kennt, was passiert, wenn man einen Gedanken konsequent zu Ende denkt. Und daher biegt er im Idealfall auch mal eher ab, bevor er das Ende der Sackgasse erreicht. Vermutlich gilt dann aber auch: Wenn einer sich doch verfährt, dann richtig.

  12. Definition von „Heil“ und „ewigem Leben“, als Nachtrag von meinem Posting vom 18. Mai 2010 um 22:39 Uhr.

    Ziel von Erlösung ist die völlige (Wieder-)herstellung der Schuldlosigkeit und die Abwesenheit von Leid. Er-lösung meint also (in meinen kulturellen und persönlichen Kontext) die Loslösung von Schuld und Leid.

    Beim ersten Punkt – der Schuld – könnte man noch streiten, aber beim zweiten – dem Leid – dürfte unstrittig sein, das dass hier auf der Erde unmöglich ist. Leid gehört einfach zum Leben dazu. Leben ist eben Bewährung und nicht Party (jedenfalls nicht 24 Stunden 7 Tage). Hierin sind sich alle Weltregionen weitestgehend einig.

    Unter liberalen Nontheistischen Quakern ist das aber auch schon nicht mehr selbstverständlich. Mir ist die Vorstellung das das Höchste Glück das ist, was auf der Erde möglich ist, eine ziemlich armselige Vorstellung. Werbung und Unterhaltungsindustrie möchten das immer suggerieren. Klar, warum sollte ich mir ein Auto kaufen und die Welt verpesten, für dieses jämmerliche kleine bisschen „Glück“, ein tolles Auto zu haben, wenn ich glaube das dass Wahre Glück erst im Jenseits kommt? So verkauft man keine Spritschlucker.

    Und ich denke Gott wird fragen: Hey, warum soll ich dich im jenseits belohnen, wenn du dir in Disseits dein Lohn schon selber ausgezahlt hast? Frei nach Mt 6:2, nur das man sich selber, statt anderen etwas gute antut. Was die Sache aber nicht besser macht, sondern auf die Spitze treibt.

    Grüße

    Olaf

  13. @ Olaf:
    Versetehe ich dich richtig – du beurteilst ethische Fragen mit dem Gegensatzpaar „heilrelevant und insofern bindend – erlaubt und insofern prinzipiell beliebig gestaltbar“?
    Ich finde die Katergorie des Heilsrelevanten hilfreich, weil sie alles Ethische relaviviert und nachordnet (Bonhoeffer: „vorletzte Dinge“); heilsrelevant ist allein Christus (geschenktes Heil). Allerdings kennt das Neue Testament für alles Vorletzte dennoch ethische Verbindlichkeiten und differenzierte Klarheiten. Beide Aspekte – Letztes und Vorletztes – gehört in die Lebenssicht des Glaubens hinein (vergleiche: 1. Korintherbrief)

    @Tobias:
    Theologie ist eine eigenwillige Wissenschaft, die sowohl auf Erfahrung als auch auf Gott bezogen ist. Sie ist nie nur induktiv (von der Erfahrung zur Einsicht) oder nur deduktiv (von der Offenbarung zur Einsicht), sondern geht zirkulär zwischen beidem hin und her und gewinnt so ihre Einsichten. Deshalb gehören für mich der Bibelbezug, intellektuelle Distanz und Klarheit als auch zwischenmenschliche Solidärität zur ethischen Urteilsbildung hinzu. Diese Aspekte kommen in dieser Diskussion insgesamt erstaunlich gleichmäßig zum Zuge. Hoffentlich geht’s noch ein bißchen weiter so …

  14. Hab herzlichen Dank für Deine guten Posts, Peter!
    Hier eine kleine Anmerkung zu Deinen Gedanken zur Ebenbildlichkeit, die dann in einen neuen Vorschlag münden sollen. (Der erhöhte) Christus ist das vollkommene Ebenbild Gottes: Ja. Im Kolosserbrief geht es aber im Gegensatz zum Text in Genesis nicht um die Geschlechtlichkeit. Im Genesis-Text ist dies hingegen eine klare Aussage des Textes: “nach dem Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie”. M.E. geht daraus hervor, dass wir Gottes Ebenbild als “human family” als Ganzes widerspiegeln. D.h. ein Single, ein homosexuelles Paar, etc., sollte sich als Ergänzungsbedürftig verstehen, wenn es um das geschlechtliche Spektrum der Repräsentation der Gottesebenbildlichkeit geht. Aber das hat nichts Defizitäres!
    Ich denke nicht, dass der Genesis-Text von seiner Textabsicht her gegen Homosexualität argumentiert. Dennoch ist es m.E. eine implizite Aussage, dass es Gottes Absicht ist, dass es Mann und Frau gibt. Dazu gehören vor allem biologische Unterschiede. Und diese ziehen auch psychosoziale Unterschiede “nach sich” (bzw. sie gehören dazu). Nur finden diese unterschiedliche kulturelle Ausprägungen. Die Tatsache, dass es rein biologisch zwischen Mann und Frau besser passt, lässt m.E. auch die Schlussfolgerung zu, dass sich Mann und Frau in der Regel auch psychosozial eher ergänzen, bzw. eine größere Anziehungskraft zwischen beiden besteht (entsprechend gibt es weltweit wohl auch mehr heterosexuell als homosexuell empfindende/lebende Menschen). Das ist aber nur “in der Regel” so, und es gibt eben auch Menschen, die anders empfinden. Vielleicht wollen manche davon anders, aber können es nicht. Könnte man darauf nicht das Beispiel von Jesu Umgang mit Ehescheidung anwenden? Jesus sagt, dass der eigentliche Wunsch Gottes das Bestehen der Ehe ist, aber dass Mose wegen “der Härte der Herzen” (d.h. wegen der Unvollkommenheit des Menschen) die Scheidung erlaubt hat. Weil wir in einer Welt leben, in der weniges ganz Heil ist oder wieder ganz heil wird, könnten wir öfter auch mal auch aus dem, was scheinbar “second best” ist (eine zerbrochene Ehe, eine homosexuelle Veranlagung?) das beste machen und im seelsorgerlichen Gespräch auf den Weg einer zweiten Ehe oder einer (monogamen) homosexuellen Beziehung helfen.

  15. @werner (20. Mai 2010 um 09:13):

    Du machst den logischen Fehler von deiner Rechtfertigungslehre aus zu gehen. Wenn man von der Quakerischen-Rechtfertigung aus geht, ist dein Einwurf hinfällig. In der (konservativen) Quaker-Theologie gibt es kein Heil in der Sünde. Also kein „geschenktes Heil“ oder ein „Heil allein aus dem Glauben an Christi“. Sündenfreies Leben ist die Grundvoraussetzung für das Heil.

    Penn unterteilte in seinem Buch „Ohne Kreuz keine Krone“ Dinge in erlaubte und unerlaubte. Unterstrich aber, das auch erlaubte Dinge dem Heil im Weg stehen können. Und zwar dann, wenn man den Dingen anhängt. Mehr anhängt als dem Christus. Nur weil ich Fleisch ekelhaft finde und nicht esse, ist es noch keine Sünde, wenn es ein anderer tut. Aber wenn Jemand Fleisch in so rauen Mengen in sich hinein frisst, allein nur um seiner Genusssucht zu frönen, ist es Sünde. Ich glaube nicht nicht das per se homosexuelle Beziehungen Sünde sind. Und ich kann auch nichts in der Bibel finden, was das in der Deutlichkeit und wiederholt so sagt. Da gibt es viel klarere Aussagen zur Gewaltfrage, zu Ausbeutung und zum Fremdenhass, um das sich viele Christen ein Scheiß scheren. Wir können genauso gut über die rechte Bart- und Haar-tracht von Christen diskutieren und würden sogar mehr dazu in der Bibel finden, als zu Homosexualität! Aber darauf hat Peter ja auch schon hingewiesen gehabt.

    Gruß

    Olaf

  16. Danke, Volker. Mir ging es hier, wie Du merkst, ja eher darum, Überinterpretationen in Frage zu stellen und zu zeigen, dass man diese Texte auch anders lesen kann. Klar wird man sagen können, dass Homosexualität eine seltenere Variation menschlichen Empfindens darstellt und dass Gott als Schöpfer einer Menschheit aus zwei Geschlechtern diese Polarität auch gewollt hat sowieso, es haben ja auch homosexuelle Menschen Vater und Mutter. Zwei Deiner Gedanken finde ich interessant: Vielleicht ist es ja für gleichgeschlechtliche Paare wichtig, gute (wenn auch keine intimen) Beziehungen zum anderen Geschlecht zu haben. Frauen merken das ja hin und wieder an, dass sie sich homosexuellen Männern gut verstehen. Oder ist das nur ein Klischee von vielen? Zweitens habe ich neulich einen Artikel gelesen (muss ich nochmal suchen), der vorgeschlagen hat, in der Debatte um Sexualethik die Kategorie der Sünde (auf die kann man natürlich nicht verzichten) zu ergänzen durch die Kategorie des Tragischen. Das würde zu Deinem letzten Punkt passen.

  17. @Peter (20. Mai 2010 um 09:57):

    Also ich weiß nicht ob das finden neuer Begriffe (das „Tragischen“) wirklich eine Lösung ist, oder nicht doch wieder nur in Wortklauberei endet. Lass uns die Sache doch noch mal rein logisch angehen….

    Ist es nicht so, das alle Ge- und Ver-Bote besonders im NT nachvollziehbar sind, weil sie offenkundiges Unrecht beseitigen sollen? Jesus Aussagen sind ziemlich radikal, aber nicht unlogisch. Davon ausgehen müssten wir doch jetzt fragen: stellt Homosexualität per se immer ein Leid dar? Oder ist es nicht sogar so, das das strickte Verbot von Homosexualität nicht eindeutig das größere Leid verursacht hat (Steinigungen und gesellschaftliches Ausgrenzungen)? Wenn wir tatsächlich von einem liebenden und gerechten Gott ausgehen, warum sollte er es verbieten das Menschen auch in homosexuellen Konstellationen zu leben, wo sie fair und achtsam mit einander umgehen? Leuchtet mir nicht ein!

    Gruß

    Olaf

  18. Es ist dann keine Wortklauberei, Olaf, wenn es hilft, das Gespräch weg von starren richtig/falsch-Fronten und gegenseitigen Vorwürfen und Verurteilungen zu bringen und den Gesprächsteilnehmern auch den Raum lässt, ein (sicher oft diffuses, vielleicht vorübergehendes und garantiert nicht immer angebrachtes) Unbehagen ehrlich zu artikulieren, ohne damit gleich in die Kritik und Defensive zu geraten.

  19. Gehört zur Sünde nicht per se die Dimension des Tragischen hinzu? vgl. Römer 6 und 7 und die lutherische Lehre von der Unfreiheit des Willens. Diese Einsicht ist m.E. biblisch notwendig und ein Schutzwall gegen jede Form von Gesetzlichkeit (moralische Simplifizierung). Ich verstehe auch Römer 1 so, dass Gottlosigkeit und ihre Folgen nicht nur einen Schuldaspekt haben, sondern ebenso auch ein Verhängnis sind. Das lässt mit moralischen Entgleisungen und ungewöhnlichen Lebensführungen viel offener und umsichtiger umgehen.

  20. Ich glaube, man muss erst einmal an die Übersetzung von Gen 1,26-28 herangehen. Ich zitiere hier nicht die christliche EÜ, sondern eine der besten Übertragungen des AT, die von Buber/Rosenzweig. Da heißt es:
    ** Gott sprach: Machen wir den Menschen in unserem Bild nach unserem Gleichnis! … Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn, männlich, weiblich schuf er sie. Gott segnete sie, Gott sprach zu ihnen: Fruchtet und mehrt euch und füllet die Erde und bemächtigt euch ihrer! … **
    „Mänlich, weiblich“ aber ist viel umfassender als „Mann und Frau“, da stecken alle Spielarten menschlichen Seins drin, Jeder Mensch trägt die beiden Gegenpole weiblich und männlich in sich, in unterschiedlichster Ausprägung, gelegentlich eben auch in homosexueller. Der Mensch, nicht als „Abbild“ sondern „im Bild“ Gottes geschaffen, also so, wie Gott ihn sich vorstellt, ist demnach so von Gott gewollt, wie er ist, und in sich komplett! V 28 ist dann als das erste Gebot der Bibel zu verstehen, als Auftrag, an Gottes Heilswirken, an der Vollendung der Schöpfung mitzuwirken durch die Weitergabe des Lebens. Während in anderen Religionen das Leben in einem ewig währenden Kreislauf gesehen wurde, steht das alte Israel ganz einzig da mit seinem linear-heilsgeschichtlichen Denken, an dessen Ende die Utopie des Reiches Gottes steht.
    Hier stößt Homosexualität sicher auf die Vorstellung im alten Israel (das ja noch keinen Auferstehungsglauben kannte), dass sich gegen Gottes Gebot versündigt, wer bei sexuellen Handlungen von vornherein die Zeugung neuen Lebens ausschließt (= Homosexualität, Masturbation, coitus interruptus; betrifft aber nur Männer, da nur sie „Samen verwerfen“ können). Denn zur Teilhabe am kommenden Reich Gottes konnte nur gelangen, wer durch seine Kinder weiterlebte. Das verdeutlicht einerseits, warum Kinderlosigkeit ein so grausames Schicksal war, andererseits, dass das Gebot „Ehre Vater und Mutter …“ sich an Erwachsene richtet: Die größte Ehrerbietung der Kinder an ihre Eltern sind Enkel, Urenkel, usw.
    Dieses Denken wird aber im NT durchbrochen durch den Auferstehungsglauben, der sich bereits zuvor in einem Teil jüdisch-geistlicher Strömungen etabliert hatte: Jede/r hat durch die eigene personale Auferstehung Teil am Reich Gottes.
    Damit kann, darf und muss Sexualität – auch Homosexualität – in einem neuen Licht gesehen werden, auch unter ihrem zweiten Aspekt, der Bereicherung und Vertiefung der Beziehung zweier Menschen zueinander. Dieser ist ja auch biblisch fundiert in Gen 2 – Adam und Eva – und findet seinen Ausdruck in der Freude und Lust aneinander. Beide Aspekte, Weitergabe des Lebens und sexuelle Lust und Freude sind – biblisch betrachtet – gleichwertig!
    Die miesepetrige Sexualmoral der Kirche(n) entspringt nicht der Bibel!
    Aber: Sexualität gehört in eine Beziehung, die auf Ausschließlichkeit und unbegrenzte Dauer angelegt ist! Sakralsex, wie im Umfeld des alten Israel üblich, (Tempel-)Prostitution, ständig wechselnde Partner/innen, One-Night-Stands, homosexuelle Spielereien neben der Ehe, wie in der Antike weit verbreitet, etc. widersprechen göttlichem Gebot ganz klar.
    „Keuschheit“ ist nicht allein „Abwesenheit von Sex“, sondern in jeder – auch sexuellen – Beziehung zweier Menschen gegeben, die auf unbegrenzter Dauer und bedingungsloser Treue zueinander gründet. Diese kath. Lehre bezieht das natürlich auf die Ehe.
    Ich denke aber, das muss genauso entsprechend für eine unverheiratete oder homosexuelle Partnerschaft gelten.

  21. Wow, hier kommt ja ganz schön viel zusammen. Und alles in einem guten Ton. Das freut mich! Ich muss zugeben, dass ich gerade wieder merke, dass mir zu viel Nachdenken über Theologie und Philosophie nicht gut tun. Mein Geist ist leider sehr gut darin, Fragen zu stellen und sehr schlecht darin, Antworten zu akzeptieren oder gar zu finden und so landet er schnell in einem Kurzschluss. Ich will mal noch auf ein paar Sachen eingehen, aber es kann sein, dass ich mich dann erstmal wieder etwas zurückziehen werde. Allerdings bin ich immer gerne für Fragen an mich persönlich offen.

    @Peter (Re: Axiome): Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Du meinen Punkt verstanden hast. Natürlich sind Axiome Grundvoraussetzungen und damit auch nicht beweis- oder widerlegbar. Allerdings sollte ein Axiomensystem nicht sich widersprechende Axiome enthalten. In der Mathematik besteht alles aus Axiomen. Und es gibt erst mal kein besser oder schlechter eines Axiomensystems. Ich muss aber wissen, in welchem ich mich bewege (treibe ich z.B. Kugelgeometrie oder euklidische Geometrie). Ich habe in Diskussionen halt manchmal den Eindruck, dass Leute aus unterschiedlichen, sich mitunter widersprechenden Systemen kommen und damit faktisch nicht zusammenfinden können, also lieber darüber sprechen sollten, welches System die Welt besser erklärt.

    Ich habe gestern auch mal noch ein bisschen auf Wikipedia über Theologie, Wissenschaftlichkeit und Erkenntnistheorie gelesen, irgendwann ist mir dann fast der Kopf geplatzt und ich habe beschlossen, dass mir das nicht gut tut.

    Meine Grundfrage bleibt: Während ich Theologie für sinnvoll und gut halte, um für sich selber oder eine Gruppe ein gewisses Fundament zu schaffen, frage ich mich, ob sie geeignet sein kann, um Diskussionen zu führen zwischen Leuten, die von unterschiedlichen Annahmen ausgehen.

  22. @Olaf (Re: Heil, Rechfertigung): Wie sieht das für einen Quäker dann praktisch aus mit dem Anspruch an ein sündloses Leben (zu das ich uns auch berufen sehe, an dem wir aus meiner Sicht aber auch immer scheitern werden)

  23. @Peter: Das mit dem „Tragischen“ finde ich interessant. Dinge, wie keine gemeinsamen Kinder haben zu können, keine klassische Familie zu haben, anders zu sein, sind natürlich auf alle Fälle – egal ob die gleichgeschlechtliche Beziehung nun gut oder schlecht ist – wichtige und auch zu verarbeitende Punkte.

  24. @Alle: Um das Ganze jetzt nochmal von der anderen Seite aufzurollen, die ich persönlich viel wichtiger halte, hier mal ein paar Gedanken, was ich wichtig fände:

    – Bevor überhaupt irgendetwas anderes möglich werden kann, muss die Kirche aus meiner Sicht erstmal auf eine gute Art und Weise mit Homosexuellen umgehen, die aus Überzeugung zölibatär leben. Es muss gewürdigt werden, dass das etwas fundamental anderes ist, als halt gerade mal Single zu sein. Und es muss eine echte liebende Gemeinschaft da sein, die sie in ihre Mitte nimmt und sie begleitet – auch in ihren Fragen und Zweifeln. Und es muss ein Verständnis da sein, dass so etwas eine existenzielle Entscheidung für die Person ist.

    – Als nächstes würde ich mir mehr Ehrlichkeit wünschen. Vor allem die Ehrlichkeit, sich nicht sicher zu sein. Und das auf beiden Seiten der Diskussion. Und auch eine Bereitschaft, zuzuhören und zu lernen, wie der jeweils andere die Welt und Gott sieht und erlebt.

    – Dann würde ich mir Beziehungen wünschen, auch zwischen Leuten, die glauben, dass homosexuelle Beziehungen nicht gut sind und Menschen, die in solchen Beziehungen leben. Das ist eine verdammt schwere Sache, aber ich glaube, es ist der Schlüssel zu Vielem. Vielleicht brauchen wir da Rituale, wie wir miteinander umgehen können und uns gegenseitig zusprechen, dass wir einander nicht als Menschen niedriger schätzen, nur weil wir nicht übereinstimmen. Das wird natürlich umso schwieriger, je weiter wir auf das Level von Institutionen kommen, denn die sind nun mal per se nicht beziehungsfähig.

    – Schließlich würde ich mir wünschen, dass aus diesen Beziehungen dann auch eine gegenseitige Anregung und Korrektur wachsen kann, in der wir uns gegenseitig und auch jeder sich selbst am Doppelgebot der Liebe prüfen. Nicht, um zu verurteilen, sondern um zusammen Reich Gottes sichtbar werden zu lassen.

    Ich denke, solange wir diese Dinge nicht auf den Weg bringen, wird uns alle Theorie nicht weiterbringen.

  25. Hallo!

    Vorab, ich finde es sehr angenehm in ruhigem und „anständigen“ Ton über das Thema zu lesen und schreiben zu können – obwohl ja auch durchaus kritisch gedacht wird von den Schreibern, spannend!

    @Tobias: meine Aussage über brüchige Familiengeschichten können meiner meinung nach wissenschaftlich-statistisch nicht haltbar sein – jedoch sind sie für mich in meiner Arbeit und mit meinem Blick auf die Familiengeschichten einzelner Personen schon deutlich. Bei meinen beratungen ist dies jedoch nie zentrales Thema. In meiner Arbeit geht es dann eher darum: Hat die Person ein Problem mit der eigenen Identität oder mit eigenen Verhaltensweisen, Gibt es für den Klienten nicht nachzuvollziehende, eigene Verhaltensweisen, die dazu führen könnten Therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen – oder sich negativ auf die eigene Persönlichkietsentwicklung (bei Jugendlichen) bzw. auf das Erziehungsverhalten gegenüber eigenen Kindern bei erwachsenen Eltern. Dies alles bezieht sich nur ausnahmsweise auf Personen die homosexuell sind.
    Es wäre niemals mein Anspruch und meine Zielrichtung bei homosexuellen Personen eine Art Erkenntnisprozess in Gang zu setzen. Was sollen die auch mit so einem Hinweis anfangen. Probleme aller Menschen egal mit welcher sex. Orientierung spiegeln sich jedoch meistens wieder wie sie ihre Beziehungen gestalten. Hieran gikt es aus meiner Sicht zu arbeiten – wenn der Bedarf da ist.

    Ich könnte Dir jetzt noch Einzelbeispiele nennen, wo ich beobachten kann, dass homosexuelle Menschen unglaubliche kaputte Familiengeschichten haben – Manch männlicher Jugendlicher kann auch bennen – ich weiß nicht ob ich homo oder hetero bin, aber meine Mutter hat mein gestörtes Verhältnis zu Frauen geprägt. Teilweise können sie Frauen nicht umarmen und können tiefgehende Freundschaften zu Frauen nicht aushalten. Nach solch tiefgreifenden Prägungen kann auch das beste Therapeutische Konzept keine „Heilung“ herbeiführen. Es sei hier angemerkt: ich bin kein Therapeut und sollte ich hier falsch liegen, bitte ich um einen Hinweis und aufklärung! Ich bin aber davon überzeugt, dass die Liebe Jesu die Beziehung dieses Jungen zu seiner Mutter heilen kann – wenn ER Spielraum erhält.

    @ Olaf: Deine Frage zur Heilsentscheidung in dieser Frage:
    Nein ich denke nicht, dass es Heilentscheidend ist. Obwohl auch hier die Frage spannend ist: Wenn es Gott „ein Greuel ist“ dann sollte man doch alles dafür tun Gottes Willen zu erkennen und dann auch zu tun?!
    Wenn es Sünde ist, wird sie wie alle anderen auch vergeben werden. Wenn ich aber in diesem unheiligen Lebensstil verbleibe, dann ist mein Glaube ein Toter Glaube, da aus Erkenntnis keine Tat erfolgt.
    Spannend ist aber auch für mich: Welche Haltung habe ich dazu, egal ist dieses Thema für mich nicht. Ich bin gerade Vater geworden: Was sage ich meinem Sohn, wenn ich selber in dieser Frage nicht Klarheit – zumindest aber eine schlüssige Meinung habe – insofern ist dieses Thema wichtig für mich. Bevor ich noch keinen Sohn hatte habe ich gedacht: Egal es ist nicht entscheidend für meine Ewigkeit zumal ich nicht schwul bin – das ist aber zu kurz gedacht – zumal ich in einer Gemeinde mit der Jugendarbeit beschäftigt bin und solche Fragen immer auftauchen können.

    Hoffe ich werde Eure tolle Diskussion noch weiter verfolgen können!

    Viele Grüße Ulf

  26. @Ulf (20. Mai 2010 um 20:06):

    Ich vermute mal, auf Grund was ich so zwischen deinen Zeilen glaube heraus gelesen zu haben, das du von einer falschen Grundannahme ausgehst. Im konservativen und in Teilen des liberalen Quakertum hat der innere Christus (also die unmittelbare Offenbarung) eine höhere Autorität als die Bibel. Ich halte die Bibel weder für unfehlbar noch uneingeschränkt Wort wörtlich für wahr. Die Bibel ist für mich Zeugnis des Heiligen Geistes und das man über die Bible ein Gefühl für den Heiligen Geist bekommen kann. Für mich ist die Bibel aber kein Gesetzt (Wie auch. Zu viele logische Wiedersprüche, Unsinnigkeiten und offensichtliche und weniger offensichtliche Fehler). Ich frage nicht „was steht Wort wörtlich in der Bibel?“ sondern „Was ist der Geist der Aussage?“ Gerade in der Frage der Scheidung (und auch in anderen angesprochenen Fragen) hat Jesus aufgezeigt, das man im Geist der der Bibel und im Einklang mit dem Willen Gottes handeln soll, und nicht stur nach den Buchstaben.

    Gruß

    Olaf

  27. @Tobias (20. Mai 2010 um 18:55):

    „Wie sieht das für einen Quäker dann praktisch aus mit dem Anspruch an ein sündloses Leben […]?“

    Früher waren die Quaker da rigoros. Da ist man schneller aus der Gemeinschaft raus geflogen, als man rein kam. Heute sieht das anders aus. R. Nixon war evangelikaler Quaker und hat so ziemlich alles gemacht, was man als Quaker nicht tun sollte (lügen, Kriegsdienst, Glücksspiel, Thaterspielen usw. usw…). Und trotzdem konnte sich seine Monatsversammlung nicht dazu durchringen ihn auszuschließen.

    Ist die Frage damit beantwortet?

  28. @Olaf: Nein, leider nicht so richtig, ich weiß aber auch nicht, ob das jetzt hier das richtige Forum ist, da es doch recht stark vom Thema abweicht. Irgendwie ist mir glaube ich die quäkerische Denkweise doch recht fremd (oder ich verstehe sie einfach nicht). Für mich ist irgendwie der Gedanke der Nachfolge und der Beziehung wichtiger, als der Gedanke der Rechtfertigung, weshalb es mir irgendwie schwer fällt, manches, was Du sagst für mich mit Leben zu füllen. Ich fände das schon interessant, wie Du das siehst und lebst, aber ich denke, dafür ist das Internet kein geeigneter Ort, sondern ich müsste Dich erleben. 🙂

  29. @ Olaf:
    Ja, du hast recht, dass mit der Grundannahme habe ich nicht bedacht! Für mich ist jedoch die Bibel ebenfalls nicht wortwörtlich zu nehmen. Der Buchstabe ist nicht Gesetz. Für mich ist es trotz alledem schwer den Geist zu erkennen in diesem Punkt. Was die Bibel in diesem Punkt sagt ist, wenn auch verschwindend wenig zu mrestlichen Inhalt, klar. Warum hat Paulus es so klar benannt. Na klar muss ich seine Person, sein Leben und seine Zeit berücksichtigen bei der Aussage – ich hätte mir gewünscht wenn er es, wie auch in anderen Bereichen mit dem zusatz versehen hätte: „Ich bin davon überzeugt, weil ich es nicht anders erkannt habe“ (das ist jetzt nicht wortwörtlich aber es ging im Kontext um die Ordnung um das Verhalten im Gottesdient.)
    Ich Suche da einfach noch nach Klarheit – besonders weil ich denjenigen Menschen, die homosexuelität als Sünde ansehen einfach nicht pauschal unterstellen möchte, dass sie blind, ignorant und homophob sind. Und irgendetwas sagt mir, dass da zwischen Mann und Frau eine göttliche Logik hintersteckt – was wiederum nicht prinzipiell beínhaltet, dass eine Gelichgeschlechtliche Beziehung entgegen Gottes Vorstellungen sind – ja wenn da nicht…. usw. Ich habe klar, dass ich allen Menschen mit liebe und Respekt begenen möchte und mir gemeinsame (neue) Erkenntnis in geistlichen Fragen wünsche, u.a. auch in diesem Lebensbereich!

    Ineressant fand ich eine Doku über einen Psychiater der überzeugter Christ ist. Er sagte, dass er immer nur das Krankheitsbild sieht und div. Heilungsmöglichkeiten in Betracht zieht. Nie aber würde er Kranke „missionieren“. Das sei in seinen Auzgen manipulation. Und er hat in meinen Augen recht. Seinen Begründung dafür war, dass Kranke grundsätzlich von ihm Heilung erwarten und erhoffen. Wenn er diese Notlage dazu nutzt, um sie auf „Jesus einzunorden“ dann wäre dies ein Missbrauch der Krankheitslage. Dafür seien Seelsorger die richtigen Ansprechpartner um nach der Krankheitsphase neue Wege beschreiten können Lebenswege zu suchen.
    Ich sehe das brisante Thema der „Therapie von Homosexuellen“ sehr kritisch, wen es nicht um eine Leidenssituation des jeweiligen Betroffenen geht. Und selbst da muss differenziert werden was die Ursache für das Leiden ist: Druck von außen – oder innere Zerissenheit zwischen Gefühlen und Glaubenserkenntnissen.

    Aus meiner Sicht spannend zu beleuchten!

    Schöne Pfingsttage!

    Ulf

  30. @ Peter:
    Dass Jesus die Sünde im übetragenen Sinn als Krankheit bezeichnet, für die er als Heiland gekommen ist (vgl Mt 9,12f), trägt den Zug des Tragischen / Verhängnischarakter eben auch in die Sünde hinein und schafft eine ganz neue (nicht moralistische, gesetzliche) Perspektive aufs Menschsein. Denkt man diesen Gedanken noch etwas weiter, kommt man schließlich zu der Einsicht, dass Sünde viel komplexer und auch nicht einfach durch Bekehrung, Buße, Entscheidung oder geistliches Training abzuschaffen ist (hier wird Olaf sicher widersprechen …)
    Deshalb kann es auch nicht mehr die rein am Schöpfungsplan Gottes orientierte Lebensform mehr geben. Plan A war zwar „sehr gut“, aber die Sünde im Menschen hat ihn verunmöglicht (Römer 7). Plan B muss nun von neuen Voraussetzungen ausgehen, kann nicht hinter den Eintritt der Sünde ins Menschsein zurück. Dies auf die Sexualethik bezogen, wirft ein differenziertes Licht auf die ethischen „Problemzonen“ und ist eine theologische Grundlage für neues Denken …

  31. @Werner: Stimme ich uneingeschränkt zu. Johann Baptist Metz hat das neulich ganz nett in einem Interview gesagt, dass wir neben der „Sündensensibilität“ eine „Leidenssensibilität“ brauchen, die an manchen Stellen etwas unterentwickelt ist. Dass das kein neues Phänomen ist, zeigen die Auseinandersetzungen Jesu mit den Schriftgelehrten und Pharisäern..

  32. @Werner: kleiner Nachtrag zu Deiner Erwähnung von Barth und KD III. Volf kritisiert in „Exclusion and Embrace“ (S. 171), dass Barth eine patriarchalische Konstruktion von Maskulinität auf Gott projiziert, obwohl er solche Analogien von unten nach oben ja prinzipiell ablehnt: „For God to be the model of masculinity one must first project maleness onto God and then use the projection to legitimize certain allegedly specifically male characteristics and activities. Since God is beyond sexual difference, there is nothing in God that can correspond to the specifically fatherly relation that a man has toward his progeny. A humen father can in no way read off his responsibilities as a father from God the Father. What a father can learn from God are his responsibilities as a human being who happens to be a father“.

  33. „There is nothing in God that can correspond to the specifically fatherly relation that a man has toward his progeny.“
    Psalm 103,13 sagt es anders: „Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr …. „. Man sollte die menschliche Vaterschaft nicht wegen trauriger Entartungen grundsätzlich als ganz analogie-unfähig betrachten. Jes 49,15f formuliert es für Mutterschaft durch.
    Vater- und Mutterschaft sind Grundformen des Menschseins genauso wie das Mann- und Frau-Sein; durch sie will Gott gleichnishaft (Eph 5,25+32) – also durchaus auch gebrochen und in quasi irdenen Gefäßen – seine Bundestreue und Menschenliebe im zwischemneschlichen Verhältnis reflektieren lassen. Es geht also nicht um eine isloierte Seins-Analogie (etwa Gott = Mann), sondern um eine Beziehungs-Analogie (Erbarmen, Liebe). Diese Beziehungsanalagie kann aber auf biblischer Grundlage nicht von der Polarität von Mann und Frau losgelöst werden, hat also philosophisch gesprochen einen ontologischen Hintergrund, den wir kulturell zwar sehr unterschiedlich ausgestalten, aber nicht grundsätzlich überspringen können.

    Die oben beschiebenen Argumente (z.B. von Volf) implizieren m.E. die biblisch nicht mittvollziehbare These, dass es von Gott her überhaupt keine verbindliche Disposition der sexuellen Orientierungen gäbe und grundsätzlich jede Konstellation ethisch gleichermaßen gewollt neben der anderen stehen könne.

    Wenn Zeit ist (nach Pfingsten), schaue ich nochmal in den Barth-Text, ob Volf mit seiner Barth-Interpretation vielleicht (doch) Recht hat …

    Sorry für die vielen Fachbegriffe.

  34. Das ist es ja eben: Gott hat etwas Väterliches und etwas Mütterliches und dann bleibt noch ein gewaltiger Überschuss, so dass wie bei aller analogen Rede die Unähnlichkeit mindestens so groß ist wie die Ähnlichkeit und Gott die Polarität der Geschlechter mehr als nur umfasst. Bundestreue und Menschenliebe und alle anderen Beziehungseigenschaften Gottes sind eben weder „typisch männlich“ noch „typisch weiblich“ – wie er einparkt oder zuhört, ob er auf Mars oder Venus zuhause ist, spielt keine Rolle. Man kann das auch nicht auseinander sortieren: seine Liebe ist eher weiblich, sein Gerechtigkeitssinn eher männlich, ohne sofort im Sumpf der Spekulation und Projektion zu enden. Als Vater kann ich mir Gott insgesamt zum Vorbild nehmen und definitiv ein besserer Vater werden. Nur ob das, was ich lerne, spezifisch männlich ist, lässt sich nicht sagen. Ist auch völlig egal, nebenbei. Ein Mann bin ich ja, muss ich nicht erst noch werden.

    Volf sagt jedoch nicht, dass es beim Menschen keine geschlechtliche Orientierung gibt und dass Gott diese nicht gewollt hätte, es sagt nur, dass die eben menschlich ist und nicht auf Gott projiziert werden darf. Und ich bin sicher, dass das nicht durch „traurige Entartungen“ motiviert ist bei ihm.

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