Gemeinde minimal gedacht

Es gibt ja die verschiedensten Definitionen von Gemeinde bzw. Kirche. Momentan interessiert mich die Frage, wie man das möglichst kurz und prägnant fassen kann. Vulgärekklesiologisch wird ja in der Regel institutionell gedacht und auf Gebäude (“wir fahren in die Gemeinde”, “gehen in die Kirche” – hä???), Pfarrer/Hauptamtliche und Gottesdienst abgehoben.

Manche theologische Tradition scheint mir dazu (heute zumindest) unbrauchbar, etwa das Augsburger Bekenntnis, wo Wort und Sakrament (aber -damals wichtig – nicht Liturgie und Ritus) als konstitutiv bezeichnet, wobei andere Aspekte bestenfalls angedeutet werden – etwa der von Gemeinschaft und Beziehung. Man kann ja Gottesdienste so als sonntägliche “Versammlung” (statt alltäglicher Gemeinschaft) aufziehen, dass zwar Wort und Sakrament ihren Platz haben, aber so gut wie keine Interaktion zwischen den Gemeindegliedern stattfindet. Letztere konsumieren nur allzu oft selbstgenügsam das Angebot. Und durch die Hintertür wird der Ritus von den Insidern und/oder Funktionären dann wieder festgeschrieben oder vereinheitlicht.

Also lautet meine Definition: Gemeinde ist eine Gemeinschaft von Menschen, die Jesus nachfolgen und einen Auftrag wahrnehmen, der über sie selbst hinausgeht. Mit dem letzten Teil stellt sich natürlich die Frage, ob bestimmte Gruppierungen denn überhaupt noch “Gemeinde” sind, wenn sie nicht konkret für andere da sind – außer vielleicht auf dem Papier. Das ist ein Thema, das uns dauerhaft beunruhigen muss!

Klar lässt das auch Dinge offen, aber es verschiebt die Akzente weg vom Konsumieren ohne persönliches Engagement. Einen Hinweis auf die Notwendigkeit von Leitung habe ich mir auch geschenkt, weil in einer Gruppe immer jemand leitet (und zwar längst nicht immer der, der offiziell den Hut aufhat). Leitung ist also selbstverständlich – ob es dann gute Leitung ist, ist eine andere Frage. Ebenso, wie die Frage nach der “rechten” Verkündigung und Verwaltung der Sakramente ganz offenbar Anlass zu endlosen Diskussionen gegeben und in zahllose kirchenpolitische Sackgassen geführt hat.

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4 Antworten auf „Gemeinde minimal gedacht“

  1. danke, dass deine ganzen einträge jetzt im feed zu mir kommen, so macht das mehr spass ;]

    deine definition von gemeinde gefällt mir.

  2. Ich bin unsicher, ob ich – vor die Wahl gestellt – deine Definition oder die CA wählen würde: Gut finde ich, die sicherlich zeitbedingte Formulierung der CA weiterzudenken im Hinblick auf Gemeinschaft.

    Ein wenig unscharf wird der Vergleich, weil du Gemeinde definierst, während es in der CA um Kirche gegangen ist (kann man das gleichsetzen oder spielt hier die Unterscheidung von sichtbarer und verborgener Kirche eine Rolle?). Der EKD-Text hatte gut formuliert: „Die Unterscheidung zwischen der verborgenen und der sichtbaren Kirche ist vielmehr so zu verstehen, dass die Selbstvergegenwärtigung des dreieinigen Gottes in der Glaubensgemeinschaft auf eine ihr entsprechende äußere Gestalt drängt, die mitten unter anderen sozialen Gebilden in der Welt durch eine unverwechselbare Sichtbarkeit ausgezeichnet ist.“

    Von der Christologie her (siehe auch Mikes (http://lifenavigator.typepad.com) Post hierzu) gedacht würde ich sagen, dass Kirche die Gemeinschaft von Menschen ist, die Gott in seine Nachfolge berufen hat. Diese ist der Leib Christi (unabhängig davon, wie gut ich als Einzelner oder Gemeinschaft momentan gerade in der Nachfolge „performe“) – deine Definition ist mir ein wenig zu sehr vom Menschen her gedacht und das würde ich vom NT her (und auch vom AT) in Frage stellen wollen.
    Mit der Formulierung „Auftrag, der über sie selbst hinausgeht“ kann ich nicht so viel anfangen – ist das Mission und Diakonie? Wenn ja, ist das sicherlich wichtig und geht schon aus der christologischen Grundlegung notwendig hervor. Aber einen Auftrag, der über sie selbst hinausgeht, haben auch die Retter der Bisamratte, die mich unaufhörlich in der Heidelberger Fußgängerzone an ihrem Stand für ihr Anliegen begeistern wollen.

    Also: Dein Anliegen und deine Beunruhigung teile ich, mit deiner Definition wäre ich vorsichtig …

  3. Ich unterscheide nicht zwischen Mission und Diakonie, deshalb habe ich einfach „Auftrag“ geschrieben – in dem Bewusstsein, dass der nicht beliebig ist (daher die christologische Verankerung in „Jesus nachfolgen“). Warum nicht auch Politik und Ökologie? Man kann die Bisamratten (oder Braunbären…) ja auch unaufdringlicher schützen, aber es wird sicher nie unser einziges Thema sein.

    Aber ich wollte bewusst von den Menschen her denken, das stimmt. Die traditionell-institutionellen Definitionen lesen sich manchmal so, als bräuchte es (fast) keine Menschen dazu – das hat(te) fatale Folgen.

    Gemeinde – weil ich denke, wir müssen Kirche in ihrer Konkretion vor Ort zum Thema machen. Hier entscheidet sich die Zukunft.

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