Entschlossen Auftreten

In Lukas 10,19 steht ein steiler, kämpferischer Satz Jesu an seine Jünger, an dem ich neulich hängen geblieben bin:

Seht, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden. Nichts wird euch schaden können.

Angesichts der Tatsache, dass die Jünger barfuß unterwegs waren, hat die Aussage erst einmal auch eine ganz wörtliche Komponente. Sie stimmt aber auch darauf ein, dass neben dem Interesse und Desinteresse, von dem bis dahin die Rede war, auch heftiger Widerstand zu erwarten ist.

Selbst wenn das Evangelium barfuß und unbewaffnet daherkommt, ist es eine Botschaft, die an bestehenden Machtverhältnissen rüttelt und deren Legitimität in Frage stellt. Und wenn plötzlich ganz einfache Landmenschen davon reden, dass Gottes Reich unter ihnen Fuß gefasst hat, dann kann es auch mit der Untertanenmentalität schnell zu Ende gehen. Aber es geht noch weiter, es geht insgesamt um Ohnmachtserfahrungen, die zerstörerisch wirken, sagt Michael Welker in seiner Interpretation des Begriffs „dämonisch“:

Dämonisches Wirken führt Situationen herbei, in denen wir uns zu völliger Hilflosigkeit verdammt sehen, wo Geduld nichts nützt und die Zeit nichts heilt. Beschwichtigungs- und Ermutigungsfloskeln bleiben uns im Halse stecken. Ohnmachtsempfinden, Apathie und Ausbrüche von Angst und Verzweiflung wechseln einander ab. Durch dämonische Mächte werden Situationen herbeigeführt, die wir im Rückblick “hoffnungslos” oder “tragisch” nennen, die wir erleichtert durch den Tod abgelöst sehen oder die wir verdrängen, weil es unerträglich ist, in der Gegenwart des Grauens und der Grausamkeit zu leben. (M. Welker, Gottes Geist, S.204)

So gesehen kann man im Treten auf „Schlangen und Skorpione“ keine Anleitung für hemdsärmlig-fromme Ghostbusters, sondern eher so etwas wie Zivilcourage erkennen: Klar gehört dazu auch, klug wie Schlangen und ohne Falsch wie Tauben zu sein, aber auch unerschrocken gegenüber den ausgesprochenen (und unausgesprochenen) Drohungen, und unbefangen, wenn mal wieder der Eindruck vorherrscht, gegen irgendein Übel sei halt kein Kraut gewachsen. Ob das nun die Suche nach Frieden und Versöhnung zwischen zerstrittenen Konfliktparteien ist, ob es um kollektive Betriebsblindheiten geht, überbordende Gier oder zynische Machtspielchen – wer an das nahe Reich Gottes glaubt, muss sich mit dem Status Quo nicht schweigend arrangieren. Er darf – sollte! – entschlossen auftreten, egal welches Gift ihm unter die Füße kommt.

(PS: Am Ende heißt es: „Nichts wird euch schaden können“. Wie auch immer das zu verstehen ist, leider bedeutet es offenbar nicht, dass Christen garantiert nichts zustößt, wie aktuell der Blick nach Afrika wieder deutlich macht)

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