Als wir heute morgen zum Abschluss des Emergent Forum das Abendmahl feierten, hatte ich einen dieser kleinen Geistesblitze. Es wird ja immer wieder diskutiert, was das Abendmahl nun genau ausmacht, inwiefern Gott „im“ Brot und Wein Menschen begegnet, wie „realistisch“ man sich das vorstellen muss (was, wenn ein Stück Brot herunterfällt oder Wein verschüttet wird?) oder ob das alles „nur“ symbolisch aufzufassen sei, ob also die Elemente nur eine Hilfe zur Visualisierung seien, das „Eigentliche“ dagegen das Wort oder der Geist, also eine gänzlich unanschauliche, immaterielle Angelegenheit.
Um es kurz zu machen: Weder das eine – noch das andere. Das Abendmahl ist ein Beziehungsgeschehen. Es besteht exakt darin, dass eine glaubende Gemeinschaft von Jesusnachfolgern, Gottes Geist, das Wort der Verheißung und eben Brot und Wein an einem konkreten Ort zusammenkommen. Und das Zusammenkommen ist „das Eigentliche“. In dieser Beziehung aktualisiert sich ein Verhältnis, das von Jesus gestiftet und durch seinen Tod und seine Auferstehung begründet wurde. Aber eine Aktualisierung ist mehr als eine Erinnerung. Es wird eine Dynamik in Kraft gesetzt, ein Grundmuster kommt zum Vorschein, wenn wir die Worte sprechen, das Brot brechen und aus diesem Kelch trinken. Ein Muster, das verbindet: Menschen untereinander und Gott mit den Menschen. Ein Muster, das in Gott selbst schon angelegt ist, und in dem er sich uns mitteilt, und durch uns der ganzen Welt mitteilen möchte.
Wahrscheinlich bin ich der letzte, der das nun auch kapiert hat. Aber schön, dass der Groschen gefallen ist!
…amen dazu – sehr gut formuliert! Ich glaube es ist tatsächlich eine der größten und dauerhaftesten Versuchungen für Christen sich der Spannung des „weder das eine noch das andere“ entziehen zu wollen, mit den allseits bekanntenen Folgen Dogmatismus, Einseitigkeit etc. Ich glaube, die Spannung der Vielfalt von sich logisch wiedersprechenden biblischen Aussagen nicht auszublenden sondern sie zu bejahen schafft eine gute Grundlage den ganzen Reichtum des Glaubens immer wieder neu zu entdecken und zu erleben. Ein fröhliches ja dazu, dass wir diese Spannungen nicht auflösen können und sollen würde vielfach für ein entspannteres Miteinander der Christen sorgen.
Bei mir würde der Groschen auch nicht fallen, wenn man zu einem „Beziehungs“-Abendmahl so abstrakte Begriffe zum Erklären braucht. Bleibe doch ein bißchen einfacher. Denn wenn es um das Mahl unseres Herrn geht, sollten wir wissen, wovon wir reden und nicht nur Vermutungen oder Blitzgedanken ausdrücken.
In Jesus,
Bernhard
@Bernhard Grupp: Ist doch gut, wenn wenigstens einer von uns beiden alles einfach und frei von Vermutungen sagen kann 😉
Wäre also ein Abendmahl, dass nur einer empfängt (etwa auf dem Sterbebett) nicht gültig bzw. stiftungsgemäß?
@Andreas: Nein, da repräsentiert der Pfarrer die Gemeinde, denke ich.
Ja, das Zusammenkommen ist das eine. Und das andere habe ich – auch in einem plötzlichen „Geistesblitz“ – erfahren und hier beschrieben: http://susisubkutan.blogspot.com/2007/10/schmutz-und-blut.html
@Susi: Finde ich interessant, hätte aber trotzdem große Mühe damit, dieses Zeichen Jesu nun als „Material“ für ein Zeichen mit einer anderen Aussage zu benutzen. Irgendwie verträgt sich das für mein Empfinden doch nicht.
@Peter: Welche andere Aussage meinst du? Wein und Brot sind nun mal die Symbole für Jesu vergossenes Blut und sein gebrochener Leib – so geschehen, damit umfassende Vergebung möglich wird. Und das war meine Blitzerkenntnis in der Situation: Dass Jesus für jeden Vergebung bereit hält – auch für Menschen, die versuchen, sich gegenseitig abzustechen, nicht nur für uns „brave“, wohlverhaltene Christen. Es war halt eine Gedankenassoziation, als ich das viele Blut sah, keine „Verwendung von Material“. Oder hat sich da in meiner Formulierung Stoff für irgendein Missverständnis eingeschlichen?
@Susi: genau darin liegt ja die Verschiebung, dass es im Original weder um „Schmutz“ geht noch um die Frage, ob sich die einen für mehr und die anderen für weniger erlösungsbedürftig halten. Mich erinnert es trotzdem irgendwie eher an Beuys oder Performance-Kunst
Das Abendmahl war ja am Tag vorher. Selbst wenn also am Kreuz Blut tatsächlich vergossen wird, dann doch gerade nicht um irgendwo hingekippt zu werden, sondern es wird zur Speise, die Menschen verändert, und gerade darin liegt dann die heilsame Bedeutung. Was damit komplett verschwindet, ist die Passah-Symbolik: Der Aufbruch aus der Sklaverei.
Um wenigstens DIESEM Missverständnis vorzubeugen: Ich wünsche mir auf keinen Fall, das Abendmahl künftig so zu feiern wie dort beschrieben. Ich habe nur geschildert, dass dieses Bild etwas in mir ausgelöst hat : Die Brutalität und Ungeheuerlichkeit des Geschehens am Kreuz ist mir durch die Beschreibung dieses – zugegeben sehr bizarren Abendmahls – so deutlich geworden wie sonst nie bei einem der Abendmahlsfeiern, die ich bis dahin erlebt hatte. Ja, man könnte es als einen Miss-Brauch (im wahrsten Sinn des Wortes) ansehen, so mit dem heiligen Brot und Wein umzugehen. Aber darüber will ich mir kein Urteil erlauben, denn Gott hat es benutzt, um zumindest mir etwas Wichtiges mitzuteilen, das mich bis ins Mark getroffen hat. Wenn man wie ich in einem durch und durch christlich-angepassten Umfeld aufgewachsen ist, kann so etwas aufrütteln, was ansonsten gute Traditionen nicht mehr immer vermögen (aufrütteln – macht das moderne Kunst nicht auch?). Insofern HAT es mich heilsam verändert – in mancherlei Hinsicht, aber das zu beschreiben würde den Rahmen sprengen. Nur so viel: Ähnlich wie das romantisch verkitschte Bild vom „Kindlein in der Krippe“ haben wir manchmal die Tendenz, auch das Abendmahl als ein harmlos-freundliches Geschehen anzusehen. Aber Jesus sagt: „das tut zu meinem Gedächtnis“. Woran sollen wir uns erinnern? Dass Jesus uns trotz unserer großen Schuld so liebt, dass er darin einwilligt, sich auf widerlichste Art und Weise ermorden zu lassen (das IST Schmutz!) und uns damit aus der Sklaverei unserer Schuld befreit und uns wieder die Beziehung zu seinem Vater und untereinander ermöglicht.
@Susi: Ja, den Punkt verstehe ich und glaube auch, dass das eine sehr bewegende Erfahrung war. Es ist immer eine Aufgabe, Harm- und Gedankenlosigkeiten vorzubeugen. Ich habe mich aufgrund meiner Erfahrung nur gefragt, welche Mittel da dauerhaft angemessen sind, aber das sind wir uns ja einig.