Dilemma

Darf ein Staat Diebe belohnen?“ fragt etwa die SZ, wenn es um den Ankauf von Bankdaten geht, die Steuerhinterzieher überführen könnten. Aber geht es nicht eigentlich nur noch darum, welche „Diebe“ man belohnt?

Vielleicht sehe ich das zu einfach, aber mir scheint: Wenn die Bundesregierung die Daten kauft, dann jagt die Schweiz die einen und Deutschland die anderen Diebe. Wenn nichts passiert, wird niemand gejagt (na ja, die Schweizer werden trotzdem nicht untätig bleiben). Das wäre das deutlich ungünstigere Signal. Zeit also für etwas Steinbrück’sche Entschlossenheit, vielleicht ohne die kontroverse Rhetorik, aber Handeln wäre gut.

Share

Endlich sagt’s mal einer!

… und dann auch noch in der Welt. Chapeau! Diesen Artikel über zunehmend undifferenzierte, derbe Islamkritik, deren Exponenten brutalstmöglich formulieren und sich obendrein von irgendwelchen „politisch Korrekten“ verfolgt fühlen, sollte jeder lesen. Ganz, daher hier kein auszugsweises Zitat.

(Und als Deutscher lohnt der Blick in die Schweiz, wo nach den Minaretten nun deutsche Hochschullehrer zu Sündenböcken der SVP geworden sind. Die Geister, die man ruft…)

Share

„Wo bleibt er denn?“

Der Häftling aus Zelle XV legte die Zeitung kopfschüttelnd zur Seite. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Diese Zwischenbilanz ist bestenfalls Kreisklasse. Ich habe mehr von ihm erwartet.“

„Wieso,“ fragte der Zellennachbar aus XIV durch die Gitterstäbe, „er hat doch keine schlechte Presse?“

„Ja, aber er kommt nicht so recht aus dem Knick“, antwortete der Typ mit dem wilden Bart und den lange Haaren. „Er scheint noch üben zu müssen für den großen Wurf. Und er verkrümelt sich in der Provinz, weit im sicheren Norden.“

„Na, sicher sieht anders aus, bei den vielen Rebellen dort im Hügelland“, hielt der andere dagegen. „Irgendwann werden sie sich sammeln und nach Süden ziehen.“

„Ob das für uns beide noch reicht? Die scheinen uns vergessen zu haben. Kein Wunder, aus diesen dicken Mauern dringt ja auch nichts nach außen. Ich frage mich allmählich, ob ich einem Schauspieler auf den Leim gegangen bin. Wenn er wirklich unser Mann wäre, säße ich dann noch hier? Ich meine, lies doch mal diesen Bericht: Ich kenne kaum die Namen der Käffer, die dort aufgezählt werden.“

Der aus XIV ließ sich die Zeitung durchs Gitter reichen. „Ich auch nicht“, sagte er nach einer Weile. „Und was mich noch mehr wundert: Er scheint die völlig falschen Leute zu rekrutieren.“

„Sag‘ ich doch“, grummelte der Bärtige. „Es sind jetzt schon acht Monate, dass sie mich hier eingesperrt haben. Langsam muss mal was passieren, sonst komme ich noch um in diesem Gemäuer. Die warten nur darauf, dass ich draußen vergessen werde, und dann bringen sie das zu Ende.“

„Du warst für mich immer der Größte“, sagte der andere. „Keiner hat denen da oben so deutlich die Meinung gesagt wie du. Und doch sind sie alle gekommen, um dich reden zu hören. Ich meine, sogar das Wachpersonal und der Alte erstarren noch in Ehrfurcht, wenn du den Mund aufmachst. Deswegen kommt er ja immer wieder mal vorbei. das macht er bei keinem anderen von uns.“

„Ja, der Alte kommt vorbei. Aber Er hat mich anscheinend vergessen. Oder er ist zu schwach. So oder so ist es deprimierend. Ich dachte, zu zweit hätten wir eine reelle Chance, hier etwas zu reißen. Ohne ein gewaltiges Blutbad hätte uns niemand ausschalten können. Wir hätten uns die Bälle zugespielt: Ich übernehme den aggressiven Part, er gibt den Versöhner, das kann er besonders gut. Aber eben nicht mehr als das, wie man sieht.“

Der Bärtige wurde plötzlich still. Durch das Gewölbe drangen Stimmen an ihr Ohr, die allmählich näher kamen. Er lauschte angestrengt, dann hellte sich seine Miene auf: „Endlich! Das sind Simon und Philipp. Sie haben ein paar Nachforschungen angestellt für mich. Mal sehen, ob sie gute Neuigkeiten haben.“

Es klapperte, und ächzend schwang die schwere Tür auf. Zwei junge Männer kamen herein, hinter ihnen steckte ein Wärter den Kopf in den Flur und legte dann wieder den Riegel von außen vor. Die beiden sahen müde und etwas verstaubt aus. Als sich ihre Blicke mit denen des Bärtigen trafen, flackerte Unsicherheit auf. Der eine blickt zu Boden, der andere fuhr sich mit der Hand durch das Haar und räusperte sich umständlich.

„Habt Ihr ihn gefunden?“, fragte der Bärtige. Die beiden nickten, und mit einer kleinen Verzögerung bestätigte Philipp: „Ja, aber ich bin mir nicht sicher, ob Dir seine Antwort gefällt.“

Es ist das Jahr 29, Herodes Antipas (der „Alte“) hat Johannes der Täufer in der Festung Machärus inhaftiert. Jesus unternimmt nichts, um Johannes zu befreien. Wenig später wird der Täufer hingerichtet. Ob er an Jesus verzweifelte oder ob ihn die Antwort Jesu aus Mt 11,2-6 tröstete, erfahren wir nicht. Wer möchte, kann hier weiter hören.

Share

Links weiterdenken

Wer noch Resturlaub hat und sich wegen des nahenden Schneesturms nicht mehr weit hinaus wagt, kann sich mit den folgenden Links bilden und informieren

  • Spiegel Online über hochwertige Fahrräder aus Bambus und Hanf, vielleicht die klimafreundlichste Art der Fortbewegung
  • John Banville über das Entsetzen in Irland nach dem Bekenntnis von Sinn Fein Chef Gerry Adams zu mehreren Fällen von Kindesmissbrauch durch Vater und Bruder und die historische Chance, sich auch den anderen Fragen zu stellen, vor denen man die Augen fest verschlossen hatte, vor allem den Verbrechen der IRA
  • Tony Jones antwortet auf Andrew Jones (der 2009 zum Enddatum der Emerging Church erklärt, es aber nicht so gemeint hat) und zitiert dabei Marx – spannend.
  • Noch aus dem alten Jahr, aber brisant ist dieser Auszug aus dem neuen Buch Patience with God von Frank Schaeffer über die Evangelikalen in den USA. Schaeffer sagt, die Bewegung werde durch ein paar Stars und eine Reihe von Feindbildern zusammengehalten. Wer letztere nicht teilt, wird hinausgedrängt. Den einflussreichen gemäßigten Evangelikalen wirft er vor, dass sie die rechten Hardliner einfach gewähren lassen und sich so mitschuldig machen.
Share

Unweihnachtlicher Kalauer

Bevor gleich alles in Besinnlichkeit versinkt und die große Stimmung über uns kommt, hier eine drängende Frage, die mich seit einer Weile beschäftigt:

Wie nennt man das, wenn zwei Leute darum wetteifern, wer geistlicher ist?

Antwort (funktioniert bei Franken besonders gut):

Ein Spiri-Duell

Share

Deutsch zum Abgewöhnen: „Lohnenswert“

Vor allem im noch jungen Genre der (vorweihnachtlich häufig konsultierten) Amateur-Testberichte in Online-Foren taucht immer häufiger der absurde Begriff „lohnenswert“ auf. Google hat dazu 301.000 Treffer angezeigt, damit ist das unsinnige Attribut dudenfähig, denn wenn die Mehrheit Quatsch redet, wird Quatsch „richtig“ – jedenfalls so lange man meint, Durchschnitt und normal sei dasselbe.

Aber entweder ist etwas lohnend, oder es hat einen Wert. Der Einwand, das Wort würde nur falsch gebraucht (da hat jemand zur Rechtfertigung sogar einen Wikipedia-Eintrag produziert!), geht ins Leere. Es wird praktisch immer irreführend und gedankenlos gebraucht: als Doppelmoppelei und umständliches Synonym von lohnend eben.

Schlampige Sprache finde ich ärgerlich und traurig. Wir haben nur die eine, und die sollten wir gut behandeln. Lohnenswert im – theoretisch gesprochen – „korrekten“ Sinn des Wortes, also verdienstvoll (ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gäbe) wäre es, den kruden Ausdruck aus dem aktiven Vokabular zu streichen. Und wenn andere ihn verwenden, kann man sich ja dumm stellen und nachfragen, was sie damit nun sagen wollten.

Share

Spruch der Woche: Zeugenschaft

Wir sind nicht hier, um die Leute zu konvertieren. Ich erwarte von Christen, Juden, Atheisten, Agnostikern, Buddhisten und von den Muslimen, dass sie Zeugenschaft ablegen von ihrem Glauben. That’s it .

Der Schweizer Islamwissenschaftler Tariq Ramadan im Gespräch mit der Zeit
Share

Blick in den Abgrund

Die Tage saß ich in einer Runde von Verantwortlichen, die über die verschiedenen Sektenbildungen im charismatischen Milieu diskutierten. Es gibt das auch in anderen Bereichen, aber die sehen dann inhaltlich wie von der Sozialgestalt auch anders aus. Ist es nun so, dass manche einfach etwas Gutes nehmen und leichtsinnig beziehungsweise übermütig über das Ziel hinaus schießen – oder sollen bösartige Karikaturen gar die „echten“ Charismen in Verruf bringen?

Ich würde die Ursachen ja eher an anderen Stellen suchen. Ein paar Zutaten, das ergaben meine Gespräche seither, erleichtern diese Entgleisungen – freilich sind sie nicht überall und nicht immer alle auf einmal anzutreffen:

  • Ein gebrochenes Verhältnis zur Kritik – das Wort steht in charismatischen Kreisen nicht gerade hoch im Kurs
  • Eine Neigung, sich an visionären, charismatischen Anführern zu orientieren (der Mythos vom „großen Menschen“?)
  • Eine auf Intimität gepolte Spiritualität, die Mühe hat mit jeder Form von Distanz – zu sich selbst, zu Gott, in der Gemeinschaft
  • Eine auf subjektiver Erfahrung beruhende Argumentation – ich habe das so erlebt, also ist es wahr
  • Schwierigkeiten, mit Ambivalenzen umzugehen – oft wird Störendes (negative Gefühle, Zweifel, Fortbestehen von Krankheitssymptomen) ausgeblendet und das Ganze als „Glaube“ missverstanden
  • Schwierigkeiten, sich auf längere Prozesse einzulassen, und das Hoffen auf augenblickliche Veränderung
  • Schwierigkeiten, Langeweile auszuhalten, und die Suche nach dem jeweils „Neuen“

Wo das alles zusammenkommt, wird es richtig brenzlig. Gleichzeitig würde ich nicht leugnen, dass es echte Charismen existieren, umgekehrt glaube ich aber auch nicht, dass unbedingt alles „echt“ ist, was man sehnsüchtig dafür hält.

Wobei die Sehnsucht auch ein großes „Plus“ der Charismatiker ist: Da gibt es eben eine Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, sich auf den Weg zu machen, einen Wunsch nach konkreter Veränderung, eine große zwischenmenschliche Wärme und nicht zuletzt einen Hunger nach Gott.

(nette Parallele aus der Politik: hier lesen)

Share

Goldene Missionsregel

Die Sache mit den Minaretten und der Religionsfreiheit überhaupt wird kontrovers diskutiert. Es mag naiv klingen, aber wie wäre es mit der goldenen Regel als Orientierung? Also: Behandelt Angehörige religiöser Minderheiten so, wie Ihr gerne behandelt werden würdet, wenn ihr als Minderheit in deren Land leben würdet, oder wie ihr es euch für die Christen dort (aktuell zum Beispiel in China) wünscht.

„Ja, aber die werden das ausnützen…“

„Das wird als Schwäche ausgelegt…“

„Und überhaupt, die sollten erst mal selbst…“

Denken wir ernsthaft, Jesus würde solche Einwände gelten lassen?

Share

Dip Church

… müssten wir uns eigentlich nennen, weil beim Abendmahl wegen der neuen Grippe derzeit nur „Eintauchen“ angesagt ist.

Share

Messianische Bürde

In diesen Tagen wird viel geschrieben über Barack Obama und was er nach einem Jahr alles noch nicht erreicht hat. Christoph Bertram fragt nach realistischen Erwartungen an Politiker und rückt die Perspektive der Kritik auf Zeit Online sehr besonnen zurecht:

Der entscheidende Maßstab für die Bewertung Barak Obamas kann deshalb nicht sein, dass er noch keine Wunder vollbracht hat. Sondern ob er über den langen Zeitraum, den die Verwirklichung seiner ambitionierten Ziele erfordert, den nötigen Willen und Atem behält. Daran sollte er einst gemessen werden. Wer ihn stattdessen schon jetzt unter Erfolgsdruck setzen möchte, ist entweder ein Ignorant – oder aber einer, der diese Ziele nicht will.

Share