Walter Brueggemanns Gedanken zur bewusstseinsbildenden Funktion von Propheten finde ich faszinierend – und sehr provokativ zugleich. Sie bringen eine ganz andere Dimension ins Spiel, die wir heute vielleicht deshalb so leicht übersehen, weil wir zu satt sind und zu „imperial“ denken? Vor knapp 100 Jahren hat Chesterton schon prophezeit, dass der Mangel an Idealen und Visionen zum Diktat der Ökonomie führen würde. Wenn man den eben beginnenden Wahlkampf betrachtet, könnte man die Lage nicht treffender beschreiben. Jede Lösung, die nicht das Bewusstsein verändert, greift zu kurz.
In der imperialen Welt des Pharao und Salomo ist die prophetische Alternative ein schlechter Witz, den man entweder mit Gewalt unterdrückt oder in Sattheit ignoriert. Aber wir sind ein umgetriebenes Volk, weil wir glauben, dass der schlechte Witz im Wesen Gottes selbst wurzelt, eines Gottes, der nicht das Spiegelbild des Pharao oder Salomo ist. Er ist ein Gott mit einem eigenen Namen, den niemand als er selbst aussprechen kann. Er ist kein Spiegelbild von etwas, denn er hat seine eigene Person und behält das alles für sich. Er ist ein Gott, der nicht vom Imperium gebilligt wurde, unbekannt bei Hofe, unerwünscht im Tempel. Und seine Geschichte beginnt mit seiner Aufmerksamkeit für die Schreie der Ausgestoßenen.