Prophetisches oder imperiales Bewusstsein

Walter Brueggemanns Gedanken zur bewusstseinsbildenden Funktion von Propheten finde ich faszinierend – und sehr provokativ zugleich. Sie bringen eine ganz andere Dimension ins Spiel, die wir heute vielleicht deshalb so leicht übersehen, weil wir zu satt sind und zu „imperial“ denken? Vor knapp 100 Jahren hat Chesterton schon prophezeit, dass der Mangel an Idealen und Visionen zum Diktat der Ökonomie führen würde. Wenn man den eben beginnenden Wahlkampf betrachtet, könnte man die Lage nicht treffender beschreiben. Jede Lösung, die nicht das Bewusstsein verändert, greift zu kurz.

In der imperialen Welt des Pharao und Salomo ist die prophetische Alternative ein schlechter Witz, den man entweder mit Gewalt unterdrückt oder in Sattheit ignoriert. Aber wir sind ein umgetriebenes Volk, weil wir glauben, dass der schlechte Witz im Wesen Gottes selbst wurzelt, eines Gottes, der nicht das Spiegelbild des Pharao oder Salomo ist. Er ist ein Gott mit einem eigenen Namen, den niemand als er selbst aussprechen kann. Er ist kein Spiegelbild von etwas, denn er hat seine eigene Person und behält das alles für sich. Er ist ein Gott, der nicht vom Imperium gebilligt wurde, unbekannt bei Hofe, unerwünscht im Tempel. Und seine Geschichte beginnt mit seiner Aufmerksamkeit für die Schreie der Ausgestoßenen.

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Plötzlich „Vorzeige-Charismatiker“?

Heute morgen habe ich entdeckt, dass dieser Blog in der deutschen Wikipedia zum Thema „Charismatische Bewegung“ aufgeführt wird. Der dazugehörige Artikel bringt einiges durcheinander. Aber auch mal ganz abgesehen davon hat das zwiespältige Gefühle bei mir ausgelöst.

Es hat wahrscheinlich damit zu tun, dass dem Etikett so viele Vorurteile anhaften, ohne die ich auch gut leben könnte. Aber auch damit, dass es viele Dinge in dieser Bewegung gibt, mit denen ich mich nicht (mehr) identifizieren kann. In letzter Zeit sind es eher mehr als weniger geworden. Vor zwei oder drei Jahren habe ich mal bei Dr. Hempelmann von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin angerufen und gefragt, wo man aus der Charismatischen Bewegung austreten kann. Ich glaube, der Anlass war das „Deutsche Geschichtsbuch für Beter“, dem keiner in der Bewegung widersprochen hat. Natürlich haben einzelne Anfragen und Bedenken, aber man diskutiert gar nicht theologisch (weil das der „Einheit“ schadet…?). Komisch – denn an anderen Stellen grenzt man sich ganz munter ab. Wahrscheinlich habe ich da etwas nicht kapiert. Wie war das mit der Unterscheidung der Geister…?

Zugleich gibt es da aber eben auch eine Menge Leute, die ich sehr schätze und denen ich viele gute Anstöße verdanke. Oft sind das nicht die, die für großes Aufsehen (also Skandale oder Sensationen) sorgen. Wie schafft man es also, sich von bestimmten Inhalten zu distanzieren und nicht zugleich das Tischtuch zu Freunden zu zerschneiden?

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Manchurian Kanzler?

Just an dem Tag, der die Weichen in Richtung Neuwahl stellte, haben wir „The Manchurian Candidate“ angesehen. Seltsam und irgendwie sehr beruhigend zugleich, dass man sich bei uns das nicht wirklich vorstellen kann, was in den USA zumindest denkbar erscheint: Eine sorgsam präparierte Marionette soll zum ferngesteuerten Präsidenten werden.

Wahrscheinlich liegt es daran, dass man auch Parteigremien und den Bundesrat „gleichschalten“ müsste und gegen solche Versuche haben wir uns ja (wohl wissend, warum) abgeschottet. Nebenbei sind wir Deutsche zwar im Ausland beliebt, aber einfach nicht wichtig und mächtig genug, dass es den Aufwand lohnen würde. Und manipulieren kann man ja auch anders.

Wie, das werden vielleicht auch die nächsten Wochen zeigen. Für neue Spannung sorgt jedenfalls, dass Angela M. in vier Wochen 10% Sympathie verloren hat. Gerhard S dagegen wurde gestern in einer Art Nachruf sogar von der „Welt“ positiv gewürdigt. Der Sommer wird heiß.

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Spontaneität, Vielfalt und Struktur

Matthew Mirabile (welch ein Name…) hat in the ooze sehr lesenwerte Gedanken über Gottes komplexe Ordnung beschrieben. Spannend (und für manche sicher auch anstößig, muss ja nicht schlimm sein) ist vor allem auch dies: Jenseits des Zusammenbruchs der Moderne und des Flügels des Protestantismus, der sich an sie gekettet hatte, wartet eine größere Katholizität. Aber bevor ich jetzt alles nur schlecht zusammenfasse: Selber lesen.

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Bibelschnipsel

In den letzten Jahren hat sich mein Verhältnis zur Bibel in vieler Hinsicht geändert. Das mit Sicherheit spanndendste Moment in dieser Entwicklung ist, dass ich viel mehr Zusammenhänge und Bezüge sehen kann. Es kommt mir vor wie ein kunstvolles Geflecht.

Dass ich vieles erst jetzt sehe, mag eine Sache des Alters und der Erfahrung sein. Aber vielleicht musste auch die Losungsbuch-Mentalität, die einen dazu verleitet, die Bibel als Sammlung von Spruchkartenversen zu sehen (einschließlich Tauf- und Konfirmationssprüche), Platz machen. Hier mein Bekenntnis: Ich lese seit zehn Jahren keine Losungen.

Konkordanzen helfen nicht wirklich dabei, das Wirrwarr der Puzzleteilchen zu organisieren. Im Gegenteil, oft kommt nur noch größere Verwirrung heraus, weil dasselbe Wort je nach Zusammenhang ganz unerschiedliche Aspekte ausdrücken kann. Die Bibel ist ein geschichtliches Buch, die „Logik“ liegt also in der Erzählung, und der Struktur dieser Erzählung.
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Geht’s zur Abwechslung auch mal auf Deutsch?

Ich hätte als einer, der liebend gern Englisch liest und spricht, nie gedacht, dass ich diese Zeilen einmal schreiben würde – und daherreden wie meine Oma. Aber so schön Englisch sein kann und so schön Deutsch ist – die Mischungen sind es nicht! Ungefähr so, wie wenn man eine Flasche guten Rotwein und eine flasche guten Weißwein zusammenkippt: Es kommt kein toller Rosewein dabei heraus…

Flattert mir doch beispielweise heute ein Prospekt auf den Schreibtisch, in dem „Deutscher Worship mit Drive“ angepriesen wird. Wenn doch schon das Besondere an der Nachricht ist, dass die Produktion deutsch ist, wären da nicht ein paar deutsche Attribute angebracht?

Aber es sind nicht nur die Freunde vom frommen Marketing: Gestern sagte Olli Kahn im Interview, das Spiel um Platz 3 beim Confederations Cup sei „der nächste Step“. Gut, auch Olli wird kein Deutschlehrer mehr werden, und auch sonst scheint er nicht mehr ganz so viel Vorbild sein zu wollen. Hoffentlich stumbelt unser Idol auf diesem Step nicht. Welcher Fan würde ihn dann noch mit Drive worshippen wollen?

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Wie natürlich ist eigentlich organisch?

Christian A. Schwarz hat mit seinem Konzept natürlicher Gemeindeentwicklung unter Praktikern großen Zuspruch gefunden. Vieles, was er schreibt, leuchtet unmittelbar ein und trifft den Nerv der Zeit: Weg vom mechanistischen Denken und starren „Modellen“ und so weiter. Die schönen bunten Diagramme tun ein Übriges. Wenigstens lesen ihn so auch viele, die sonst keine Büchwerwürmer sind.

Als ich letztes Jahr eine Arbeit über seinen Ansatz las und mich an ein paar Stellen informierte, kamen mir eine Reihe von Fragen.
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Liebe und Wahrheit

Diese Woche haben wir einen Abend lang das Thema „Wahrheit“ diskutiert. Eher von der philosophischen Richtung her denn von bestimmten Bibelstellen. Es war recht deutlich, dass der moderne positivistische Ansatz von Objektivität heute nicht mehr trägt. Wir können nicht ernsthaft zurück zu dieser naiven Weltsicht und ihren haarsträubenden Reduktionen (Die Welt/der Mensch/das Leben ist „nichts als…„).

Wahrheit lässt sich aus persönlichen Bezügen herauslösen (die sie immer in gewisser Weise relativieren, wenn auch nicht völlig). Jede Wahrheit ist „irgendjemandes Wahrheit“. Wenn N.T. Wright eine „Epistemologie der Liebe“ vorschlägt, dann wird genau die Illusion neutraler Objektivität aufgegeben. Vielleicht bedeutet es auch, wie Paulus in 1.Kor 13 zuzugestehen, dass unser Erkennen fragmentarisch ist. Deshalb braucht der einzelne die Gemeinschaft, aber auch die verschiedenen (Kirchen-) Gemeinschaften sich gegenseitig und natürlich lernt „die“ Kirche von der sie umgebenden Kultur, selbst wenn diese gar nicht christlich sein sollte – in der Bibel kann Gott durch Esel und heidnische Armeen sprechen, wenn niemand die Wahrheit hören will.
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Begriffsklärungen: „Emergent“

Nun wo Dan Kimballs Buch „the emerging church“ auf den Markt kommt, sind spätestens die Begrifflichkeiten zu klären. Vielleicht ist diese Anmerkung von Michael Welker dabei ganz nützlich – sowohl was das Vokabular als auch was die Denkrichtung und den damit verbundenen Anspruch an sich selbst angeht:

Als »emergent« bezeichnen wir Konstellationen, Zustände und Strukturen, deren Auftreten nicht aus vorausgehenden Konstellationen, Zuständen und Strukturen abgeleitet werden kann, obwohl sich mannigfaltige, beide Zustände bestimmende Elemente in ihnen durchhalten. Von emergenten Ebenen der Realität aus »wird die Welt neu gesehen« (…). Neu gesehen wird aber auch die vergangene Welt und die vormalige Identität der Elemente der Emergenz. Und es muss hinzugefügt werden: Es bleibt auch gar nichts anderes übrig. (M. Welker, Gottes Geist, S. 38)

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Vorsicht, eine Organisation!?

Eine schönere Illustration für den Gedankengang von gestern hätte ich mir gar nicht ausdenken können: Emergent US hat einen Hauptamtlichen eingestellt. Riesenfehler: Man verwandte unbedarft den Begriff „Director“. Ein Sturm der Entrüstung brach aus: Es gehe gar nicht um Beziehungen, hier werde unter der Hand eine Denomination gegründet (warum das schlecht wäre, wenn es so wäre, brauchte man gar nicht zu begründen).

Heute hat emergent US korrigiert: Der Direktor ist „nur“ ein Koordinator. Das wird nur manche beruhigen, andere werden ein taktisches Manöver darin sehen und noch misstrauischer werden.

Fakt bleibt, dass Wachstum (und das erlebt emergent US erfreulicherweise!) mehr Koordination nötig macht. Damit auch mehr Organisation und, richtig, auch Leitung. Auch das ist ja nicht weiter schlimm, so lange man nicht prinzipiell und zwanghaft antihierarchisch denkt.

Vielleicht sollten manche der Beteiligten, statt Unkenrufe abzusetzen, doch mal die eigenen Denkvoraussetzungen überprüfen. Es könnte sich herausstellen, dass gerade die, die jede Art Hierarchie beklagen (meist selber „Leiter“ von irgendwas), sich gegen einen notwendigen Entwicklungsschritt stemmen. Meine Familie ist eine Wachstumshierarchie. Irgendwann werden aus ihr neue Familien entstehen. Bis dahin habe ich aber eine gewisse Pflicht, gute Ordnungen zu schaffen und aufrecht zu erhalten, damit wir als Familie wachsen, die Kinder (und wir Eltern) uns gut entwickeln.

Anders geht es ganz offenkundig nicht. Alles Gute, Tony Jones, für den Job bei emergent!

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Richtige und „falsche“ Rebellen

Der Philosoph Ken Wilber hat sehr treffend analysiert, wie postmoderne Dekonstruktion und Pluralismus der „kulturell Kreativen “ (also just die von Paul Ray so bezeichnete Gruppe, in der ich jüngst im Weltbild-Test gelandet bin…) ins Leere laufen können: „Bei dem noblen Versuch (…), über die konformistischen Regeln hinauszugehen (von denen viele in der Tat unfair und ausgrenzend sind), und in dem ehrlichen Wunsch, eine starre Rationalität aufzubrechen (die in vieler Hinsicht repressiv und verdummend sein kann) – also in dem bewundernswerten Bestreben (…), postkonventionell zu werden -, hat es oft jegliches Nichtkonventionelle propagiert. Und zum Nichtkonventionellen gehört nun einmal (…) vieles, das eindeutig präkonventionell, rückschrittlich und narzisstisch ist.“ Anders gesagt: Wer bei allen aneckt, kann manchmal auch den „richtigen“ Gegner bekämpfen. Er ist damit aber noch immer kein Wohltäter, weil es ihm nur um den eigenen Vorteil gegangen ist.

Offenbar ist dieser Narzissmus auch eine Gefahr mancher neuer Ansätze von Kirche. So hat mehr als eine Gemeinde, die ich kenne, Schwierigkeiten bekommen, etwa mit dem typisch postmodern-dekonstruktivistischen Ansatz von Jim Thwaites, der institutionelle Kirche als „Konstrukt“ (!) bezeichnet, das geradezu verhindert, dass der einzelne Christ seine Rolle in der Gesellschaft wahrnimmt und erfüllt. Thwaites vermeidet es, seinerseits konkrete Modelle für die praktische Umsetzung seiner Thesen zu formulieren. Aber wo diese Theologie nun auf frustrierte oder unreife (eben narzisstische) Individuen trifft (ähnlich kann man auch mit Hauskirchen-Theologie verfahren), da wird mit einem seltsamen Eifer „reformiert“. Nur ist es eben oft leicht zu sagen, wogegen man ist, aber viel schwerer, wofür man dann positiv steht.
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Sinnlose Rechtfertigungen

Immer wieder mal werde ich auf verschiedene Kritiken am Alpha-Kurs angesprochen und gefragt, ob ich eine Antwort geben würde. Nun gibt es sicher viel Kritik, die eine Antwort wert ist. Leider gibt es aber auch etliches, zu dem man einfach besser schweigt.

Dazu gehört die Kritik aus dem biblizistisch-fundamentalistischen Lager. Sie zielt per Definitionen schon darauf ab, alles was nicht ins Konzept passt als „unbiblisch“ hinzustellen. Das ist bei den kleinkarierten Auslegungsmethoden kein Problem. Alpha steht damit in einer Reihe mit – als „evangelikal“ getarnten – Verführern wie Willow Creek oder ProChrist.
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Vater-Freuden

Die Wissenschaft hat festgestellt … dass es tatsächlich gesund ist, Vater zu sein und eine Familie zu haben. Das hat zumindest Prof. Eickenberg aus Dortmund nachgewiesen. Männer bleiben dank ihrer Kinder mehr in Bewegung, leben gesünder und profitieren obendrein noch vom „Anti-Ageing-Effekt“ durch regelmäßigen Sex (zumindest eben regelmäßiger als bei Singles oder wechselnden Partnern).

Kein Wunder, dass zu solchen (unser Kultur doch recht fremden) Idealen wie „alt und lebenssatt“ Kinder unbedingt dazu gehören. Das wäre eigentlich mal ein Kapitel wert in „Forever Young“. Oder, Herr Dr. Strunz?

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In memoriam Käthe Banzhaf

Als ich letzten Dienstag Abend am Totenbett unseres „Mileins“ in Streitberg stand, war das ungewöhnlichste an ihr die völlige Regungslosigkeit. Vermutlich wird jeder bestätigen, dass sie stets einen unermüdlichen Bewegungsdrang an den Tag gelegt hatte.

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Meine ersten Erinnerungen sind Samstagabende, die ich als Kind alleine bei ihr in eine Häkeldecke gehüllt mit Fernsehen (wir hatten keinen zuhause) und einem Becher Joghurt verbracht habe, dass sie mich nach einer Mandeloperation im Alter von 4 Jahren in der Klinik besuchte und ich ihr vor Heimweh bis auf die Straße nachlief, oder dass ich in ihrem Hof Rad fahren lernte. Ich war es auch gewesen, der ihr bei meinen ersten Sprechversuchen den Spitznamen Milein verpasste (Omi – eine Silbe weg und eine andere dazu), auf den sie immer stolz war.

Erst später habe ich entdeckt und verstanden , dass ihr Leben von schweren Zeiten geprägt war.
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