Die ganze Doppelbödigkeit dessen, wie Israel mit den Palästinensern umgeht, zeigte sich mit heute am Beispiel der Mietwagenfirma Budget. Mit meinen Vertragsunterlagen habe ich eine Karte bekommen, auf der die besetzten Gebiete überhaupt nicht als solche gekennzeichnet sind; es sieht da vielmehr so aus, als beginne Israel auf dem Golan und erstrecke sich dann zwischen Jordan und Mittelmeer bis zum Negev.
Gleichzeitig steht im Kleingedruckten meines Mietvertrages, dass ich unter gar keine Umständen mit diesem Auto in Gebiete fahren darf, die der palästinensischen Autonomiebehörde unterstellt sind. Ich wusste das zum Glück schon vorher, sonst hätte ich es vielleicht nicht zur Kenntnis genommen.
Vielleicht ist das Logik-Budget der Verantwortlichen einfach zu knapp gewesen, um diesen Widerspruch zu bemerken?
Andererseits: Vielleicht bemerkt ihn hier aber auch nur deshalb niemand, weil diese absurde Situation schon so lange gewohnter Alltag ist.
An Israels Umgang mit den Palästinensern ist überhaupt nichts Doppelbödiges. Allenfalls am Blick mancher Europäer auf Israel. Jeder, der sich nur ein bisschen mit dem heiligen Land beschäftigt hat, sollte wissen, dass das mit den „Palästinensern“ (die es eigentlich erst seit 1967 gibt) und den „besetzten“ Gebieten so eine Sache ist. Gemeint ist wahrscheinlich die „Westbank“, auf die Jordanien 1988 seine Ansprüche aufgegeben hat. Vielleicht trifft „umstrittene Gebiete“ die Sache besser. Und dort gibt es „A“-, „B“- und „C“-Gebiete. In die „A“-Gebiete, die unter voller Kontrolle durch die Autonomie-Behörde stehen, darfst du mit einem israelischen Kennzeichen nicht fahren. Die roten Warnschilder an den Einfahrten zu diesen Gebieten sind kaum zu übersehen. Absurd ist meiner Meinung nach die Auffassung, Israel könnte es sich erlauben, sich von der Jordangrenze zurückzuziehen.
Dass es Palästinenser erst seit 1967 geben soll, ist schon eine verblüffend zynische Aussage. Dass sie in den Verhandlungen seit dem Ende des osmanischen Reiches nie eine Stimme hatten, dass sie in den Dokumenten nicht erwähnt werden, und dass ihre Stimme bis heute kaum gehört wird, ist die bittere Realität. Aber sie leben seit Jahrhunderten im Land.
Auf den roten Schildern steht, dass Israelis nicht in die A-Gebiete dürfen, weil es – angeblich – lebensgefährlich ist. So verhindert man, dass Menschen sich unbefangen begegnen und dass Vertrauen wachsen kann, das zu einem Frieden führen könnte, der nicht in einsetiger Unterwerfung und einer nachträglichen Legitimierung der Quasi-Annexion besteht.
Ich als Deutscher darf da freilich hin – nur eben nicht mit einem Mietwagen, dessen Gebrauch ja nicht nur in den A-Gebieten untersagt ist, zumindest ist das in den Vertragsunterlagen nicht spezifiziert. Und die Karte sagt gar nichts aus über die Zonen. Das meine ich mit der Doppelbödigkeit.
An der Aussage, »Palästinenser« gebe es erst seit 1967, ist nichts Zynisches. Sie ist lediglich ein Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine konstruierte Identität handelt. Ein Hinweis auch darauf, dass nicht alle Araber und nicht alle Muslime im heiligen Land »Palästinenser« sind, auch wenn diese das gern behaupten. Dass diejenigen, die Israel gerne das Recht zu existieren mit dem Argument absprechen, es handle sich bei der israelischen Identität um eine Konstruktion, selber in einer leben.
Ich lese Ihre Beiträge hier mit Interesse, wünscht mir aber gelegentliche Hinweise auf die Doppelbödigkeit palästinensischer Existenz. Vor allem was die Situation der palästinensischen Christen angeht, von denen man öffentlich (also wenn Vertreter der Fatah-Geheimpolizei anwesend sind) ganz andere Dinge zu hören bekommt, als hinter vorgehaltener Hand und unter dem Schutz der Vertraulichkeit. Jahrhunderte der Dhimmi-Existenz haben eben ihre Spuren hinterlassen.
Niemand, mit dem ich gesprochen habe (aber natürlich waren das nicht alle), spricht Israel das Existenzrecht ab. Und ich bin mir recht sicher, dass keine Geheimpolizei unsere Gespräche beeinflusst hat. Freilich kann man das immer unterstellen und ich kann es nicht widerlegen.