Palästinenser

Als ich das erste Mal das Wort „Palästinenser“ hörte, war ich sieben Jahre alt. In München hatte ein Terrorkommando während der Olympiade 11 Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen, und im Verlauf der Gefechte mit der Polizei kamen schließlich alle Geiseln ums Leben. Ich lernte also, dass das schlimme Leute waren und dass sie zu allem Unglück auch noch gegen Israel waren – gegen das Volk Gottes und die Opfer (so viel wusste ich schon mit sieben) der Nazis. Dass die Mehrheit der Palästinenser friedlich war, hatte niemand erwähnt. Es folgten die heftigen RAF-Jahre, und wer da für Palästinenser war, galt als Sympathisant des Terrors (apropos Terror – der Anschlag in München wurde von deutschen Neonazis unterstützt, aber das blieb ganz lange geheim).

Über die Jahre lernte ich noch einiges dazu, aber es blieb immer ein unangenehmes Thema, weil ein Konflikt im Raum stand, an dem die Welt sich die Zähne auszubeißen schien und von den es tausend widersprüchliche Darstellungen gab. Man kann sich da als Nicht-Experte eigentlich nur die Finger verbrennen, oder?

Seit einem Jahr beschäftigt mich die Frage neu. Als die Situation in und um Gaza letztes Jahr wieder eskalierte, da wollte ich es genauer wissen. Ich näherte mich dem Thema aus der Ferne literarisch durch den Roman „Während die Welt schlief“ von Susan Abulhawa, der ebenso traurig wie schön und versöhnlich ist. Ich bin normal gar nicht nahe am Wasser gebaut, aber diesmal war ich froh, wenn Taschentücher in Reichweite waren.

Das Buch schildert die letzten knapp 70 Jahre Geschichte des palästinensischen Volkes am Beispiel der Familie von Amal, die in Flüchtlingslagern aufwächst, später in die USA zieht und dann wieder zurück kommt nach Palästina. Ohne Hass auf Israel, aber der Schmerz und die Ohnmacht der Vertriebenen und Enteigneten werden beim Lesen verständlich. Und alles, was ich in den letzten Tagen bei verschiedenen Begegnungen gelernt habe, passt dazu.

Israel stellt an manchen Ortschaften auf der Westbank rote Schilder auf, die seine Bürger warnen, diese gefährlichen Gebiete zu betreten. So ein Schild hatte ich offenbar im Kopf. Nach vierzig Jahren ist es nun ausrangiert und ein neues beginnt sich zusammenzusetzen. Es besteht aus anderen Geschichten und Gesichtern. Ein paar davon werde ich in den nächsten Wochen vorstellen. Ich hoffe auf reges Interesse. Nicht meinetwegen, sondern um der Menschen und des Friedens willen.

Wer mag, kann ja schon mal mit Während die Welt schlief anfangen.

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