Allah (1)

Heute landete das neue Buch von Miroslav Volf auf meinem Schreibtisch, es heißt Allah: A Christian Response.

Volf, der in Yale Systematische Theologie lehrt und ein Seminar mit Tony Blair über Glaube und Globalisierung leitet, geht darin der Frage nach, wie Christen und Muslime die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihren Religionen bewerten und was daraus für den Umgang mit dem jeweils anderen und das Zusammenleben in einer pluralistischen, multireligiösen Gesellschaft folgt.

Zu meiner Überraschung beginnt Volf mit Rick Warren und dessen Gebet zur Amtseinführung von Barack Obama. Warren wurde von Rechtsevangelikalen hart angegangen, weil er in diesem Gebet eine Wendung gebrauchte („you are the compassionate and merciful one“), die in zahlreichen Suren des Koran erscheint. Die Kritiker um einen gewissen Joe Schimmel argumentierten, Warren habe damit verschleiert, dass der Gott der Bibel und der Gott des Koran zwei gänzlich verschiedene Götter seien.

Gleich zu Anfang legt Volf die Karten auf den Tisch, hier die Kurzfassung:

  • Für ihn geht es (wie andeutungsweise für Rick Warren, Respekt!) trotz zahlreicher Unterschiede um ein und denselben Gott
  • Die Dinge, die der Koran im Blick auf die Trinität ablehnt, würde auch kein Christ für richtig halten
  • Sowohl Christen als auch Muslime beschreiben Gott als liebend und gerecht, auch wenn sie diese Begriffe etwas unterschiedlich füllen
  • Beide glauben, dass Gott die Liebe zum Nächsten möchte, freilich wieder mit verschiedenen Nuancierungen
  • die gemeinsame Werte reichen für ein zivilisiertes Zusammenleben aus und bedingen keinen unablässigen Kampf der Kulturen
  • beide Seiten können sich als Verbündete sehen in der Auseinandersetzung mit einer Kultur, der es nur um das eigene Vergnügen und Wohlbefinden geht
  • Liebe und Vertrauen zu Gott und Gehorsam gegenüber Jesus sind wichtiger als Religionszugehörigkeit und Etikettierungen
  • Liebe und Gerechtigkeit erfordern es, dass Menschen ihren Glauben wählen, wechseln und öffentlich leben dürfen
  • Das Glaubenszeugnis ist legitim, es darf weder unterdrückt noch lieblos ausgeübt werden
  • Das Bekenntnis zu dem einen Gott, der alle Menschen liebt und für die da ist, führt zum Bekenntnis zu einer offenen, pluralistischen Gesellschaft und einem weltanschaulich neutralen Staat

Volf schreibt ein Buch über politische Theologie, nicht über Soteriologie. Die Frage des ewigen Heils lässt er offen. Ihn interessiert, ob und wo Christen und Muslime Gemeinsamkeiten entdecken können und wie diese Gemeinsamkeiten zu einem friedlichen Zusammenleben beitragen. Das Interessante wird sein, wie er das begründet.

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10 Antworten auf „Allah (1)“

  1. „Allah“ ist die logische Weiterführung des Ansatzes von Miroslav Volf, der mit „Exclusion and Embrace“ begann, über „A common Word bewteen us“ (ein Meilenstein in der Geschichte des christlich-muslimischen Dialogs, das unter seiner Federführung entstand) bis zu „The End of Memory“. Was Volf in seinen Schriften und Initiativen in den letzten Jahren zwischen Muslimen und Christen angestoßen hat, sucht man vergeblich auf dem Markt des Interreligiösen Dialogs hierzulande. Wahrscheinlich weil man weder das eigene Potential des Ausschlusses nicht reflektiert, noch die Arme für den anderen öffnet, wie Volf es mit dem wunderschönen Bild von „Embrace“ tut.
    Dass Volf die Problematik nicht von der Soteriologie oder der dogmatischen Rechtgläubigkeit, sondern von den beiden Bekenntnissen her eine Ethik des Miteinanders entfaltet ist bemerkenswert. Ich bin gespannt auf seine Ausführungen in „Allah“.

  2. Politisch gesehen mögen diese Ansätze durchaus nützlich sein. Die von Herrn Volf genannten Punkte sind m. E. nach auch zum Teil in Ordnung (z. B. Thema freier Religionswechsel), nur geh der andere genannte Teil aus theologischer Sicht am Zentrum des christlichen Glaubens vorbei. Dass Jesus Gottes Sohn ist und nur er die Schuld eines Menschen vergeben kann, möchte bei diesem Dialog wohl nicht geglaubt werden. Ein Dialog zwischen den Religionen kann sogar manchmal sehr wichtig sein, nur darf dieser dann nicht den Missionsbefehl torpedieren. Das sog. Ärgernis des Kreuzes zu beseitigen führt ja zwangsläufig zur Verleugnung des christlichen Glaubens.

  3. @Henni: „möchte bei diesem Dialog nicht geglaubt werden“ – wenn sich jemand explizit methodisch beschränkt, dann ist es unfair, ihm das vorzuwerfen.
    Es sei denn, man sieht die Aufgabe der Theologie exklusiv darin, in Ausschlüssen zu denken und anderen ihre vermeintlichen Fehler und Versäumnisse vorzuhalten. Irgendwo muss ein Dialog mal anfangen. Volf hat einen guten Ort gewählt.

  4. imho kann Jesus und das Kreuz neben den zusammengefassten Thesen von Peter stehenbleiben. Es wird nicht verneint sondern nicht thematisiert.

    Zum Missionsbefehl gehört doch gerade das Eintreten in den Dialog mit nicht- bzw. anders Glaubenden. Da wird das eigene Zeugniss vorgebracht und möglichst in die Sprache und dás religiöse Verstehen des anderen Übersetzt (paulus auf dem areopag ;-).

    Aber andere Frage: gibt es nicht in Deutschland auch schon viele Theologen, die sich schon seit langem sehr ähnlich mit dem Islam auseinandersetzen? Schirmacher, Wrogemann, Sundermeier, Hock, ……

  5. @Peter: Naja, du hast ja einige seiner Thesen genannt. Meine Aussage soll schon in diesem Zusammenhang gesehen werden. Des Weiteren hast du meinen Satz unvollständig zitiert und das Wort „wohl“ weggelassen. Aber wer den biblischen Gott und den islamischen Gott für denselben hält, wird bei der Frage der Sündenvergebung sowie der Person Jesu in den beiden Glaubensrichtungen elementare Unterschied schwer leugnen können. Es sei denn, man verneint, dass Jesus Gottes Sohn ist, welcher Mensch geworden ist und für unsere Sünden am Kreuz starb. Das Ziel eines Dialogs wäre für mich eher, ein friedlicheres gesellschaftliches Miteinander zu erstreben und falsche Ängste abzubauen. Die auch von diversen Muslimen kritisierten Islamverbände wären für mich da aber nicht der beste Ansprechpartner. Jedenfalls sollte man auch offen die elementare Unterschiede ansprechen dürfen und den anderen mit seiner konträren Meinung achten und lieben. Und natürlich darf man hoffen, dass der Andere zum echten Glauben kommt. Josh McDowell hat m. E. nach einen zumindest in dieser Richtung gehenden Dialog schon versucht. Das könnte man auch als dritten Weg zwischen einen Synkretismus und hetzenden Islambashing bezeichnen.

  6. @Mik: Ob man das nebeneinander stehen lassen kann, hängt mitunter davon ab, wie man zum Absolutheitsanspruch von Jesus steht. Das gilt auch bei dem Thema Missionsbefehl und eigenes Zeugnis. Ich bin gegen ein „besserwisserisches“ oder überhebliches Christentum, aber Paulus sprach ja auf dem Areopag auch klar von Umkehr zu dem biblischen Gott.

    Von den von dir genannten Personen kenne ich nur Schirmacher. Wenn wir von Christine Schirrmacher sprechen, so hat sie aber in vielen Punkten andere Positionen wie Volf.

  7. @Henni: Wenn jemand einen Reiseführer über Frankreich schreibt, kann man sich nicht beklagen, dass er nichts über Spanien enthält und spekulieren, was der Autor gegen Spanien haben könnte oder warum es ihm egal ist. Ich schreibe hier über die Fragen, die Volf stellt, und die Antworten, die er gibt. Mehr interessiert mich hier auch nicht im Augenblick.

  8. @Peter: Ich habe dir natürlich nicht vorzuschreiben, was dich zu interessieren hat! Aber da du ja auch m. E. nach aus dem „evangelikalen Lager“ kommst, kannst du meine (durchaus sehr großen) Bedenken evtl. irgendwie nachvollziehen und hast wohl auch mal ähnlich gedacht. Das Beispiel mit dem Reiseführer gefällt mir zwar irgendwie, aber ich sehe hier doch letztlich Äpfel mit Birnen verglichen. Die von mir angesprochenen Themen sollte man m. E. nach nicht von den von Volf gestellten Fragen und Antworten trennen. Geographie und Theologie wiederum schon. Wie auch immer, ich halte es für Sinnvoll mich in diesem Thread nicht weiter zu äußern. Bei einem anderen Thread wäre es wieder denkbar.

  9. Ich frage mich, ob Volf da nicht etwas einseitig „top-down“ denkt. Also: der Grad der friedlichen Koextistenz zweier Gruppen verläuft proportional zum Grad der Übereinstimmung zu Kernideen (wie zB Gottesbild). Wenn man sich z.B. die Reformation anguckt und die Streitigkeiten zwischen denen, die gaubten einen gnädigen Gott gefunden zu haben, könnte man eher auf die Idee kommen, die Beziehungen verliefen „umgekehrt proportional“, also je mehr Übereinstimmung desto schlechter das Vermögen zur friedlichen Koexistenz. (die meisten Gewalttaten passieren ja zwischen Familienangehörigen).
    Meine spontane These wäre: friedliches Zusammenleben ensteht nicht unbedingt durch geteilte Ideen, sondern durch die Praxis vor Ort. Also anstatt zu überlegen, wie man „das Christentum“ und „den Islam“ versöhnen könnte, wäre es für mich vor allem die Überlegung vor Ort etwas gemeinsam zu starten etc.

  10. @Henni – sorry, so hart war es nicht gemeint. Volf geht es ja um genau das, was Du als friedliches Miteinander und den Abbau von Ängsten beschreibst. Er relativiert dabei die Unterschiede keineswegs, so weit ich das bisher sehe, aber er diskutiert diese Unterschiede auf der Grundlage der Gemeinsamkeiten, statt andersherum von dem Gegensatz als primärem Faktum auszugehen. Dass er sich dabei methodisch beschränkt, ist sinnvoll, ja notwendig. Mir erschienen nur manche der Schlussfolgerungen, die bei dir anklangen, als etwas voreilig. Ich würde Volf gern zu Ende lesen und dann mal sehen, was so an Fragen bleibt.
    @Anarchie: ich verstehe Volfs Sicht nicht als Top-Down, er will aber schon das Verhältnis der beiden Religionsgemeinschaften als Ganzes im Blick behalten. Klar gibt es christliche wie muslimische Binnenkriege. Bei den christlichen war es aber eben auch so, dass man völlig überzeugt davon war, Katholiken oder Wiedertäufer seien des Teufels und deshalb konnte man sie zur Hölle fahren lassen, um die Welt vor ihnen zu beschützen. Wir schütteln heute den Kopf drüber. Vielleicht tun wir das in 100 Jahren ja auch, wenn wir an religiös motivierte (oder vermutlich besser: verschärfte) Gewalt heute denken.

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