Der Kirchenvater Cyprian von Karthago hat das berühmte Diktum extra ecclesiam salus non est geprägt – es gibt kein Heil außerhalb der Kirche. Es wurde und wird immer wieder gern zitiert – vor allem da, wo es um kirchliche Macht und Einfluss ging: Es ist das Dogma vieler Traditionalisten, dass nur die Gott zum Vater haben, deren Mutter die Kirche ist. Offizielle Kirchenlehre war es aber nicht.
Nun hat Papst Franziskus in einer Predigt über Markus 9,38ff die Sache noch etwas deutlicher relativiert: Für ihn haben Menschen, die Gutes tun, auch dann Anteil am Heil, wenn sie keiner oder keiner christlichen Glaubensgemeinschaft angehören. Wer Gutes tut, erweist sich darin als Gottes Ebenbild. Und im Tun des Guten können sich Menschen unterschiedlicher Überzeugungen schon jetzt treffen.
Manches Missionskonzept käme dadurch ins Schleudern. Denn so gesehen kann es nun nicht mehr darum gehen, denen, die anders glauben, nachzuweisen, dass sie trotz all des Guten, das sie tun, nicht „in den Himmel“ kommen – sie gar als „Gutmenschen“ zu verurteilen, deren Selbstlosigkeit am Ende nur besonders raffiniert getarnter Hochmut ist –, sondern es geht wohl eher darum, das Gute auch als gut anzuerkennen und die Liebe, aus der heraus es geschieht, dankbar zu würdigen – um dann vielleicht gemeinsam zu überlegen, wie noch mehr Gutes geschehen kann.
Auftrag der Kirche wäre es dann nicht, sich möglichst alle Menschen „einzuverleiben“ oder gar alle anderen Glaubensrichtungen zu verdrängen, sondern dem Gemeinwohl zu dienen und so den Messias zu bezeugen, der sich für das Heil aller Menschen verschenkt hat. Abraham Heschel schrieb einmal:
Religion ist um Gottes Willen da. Die menschliche Seite der Religion, ihre Glaubensbekenntnisse, Rituale und Institutionen, sind eher ein Weg als das Ziel. Das Ziel ist “Gerechtigkeit zu üben, Barmherzigkeit zu lieben und in Demut mit deinem Gott zu wandeln.”
Wenn uns das gelingt, womöglich so absichtslos und selbstvergessen wie die Liebe nun einmal ist, dann ergeben sich vielleicht ganz neue Koalitionen und Möglichkeiten.
„Auftrag der Kirche wäre es dann nicht, sich möglichst alle Menschen “einzuverleiben” oder gar alle anderen Glaubensrichtungen zu verdrängen, sondern dem Gemeinwohl zu dienen“ – das wäre dann schon sehr nah am jüdischen Konzept von „tikkun olam“ (Heilung der Welt)
Ja, und es ist jammerschade, dass dieser jüdische Gedanke in Teilen des Christentums verloren gegangen ist!
Ich denke, da missverstehst Du entweder den Franz oder die katholische Lehre.
Die Gottesebenbildlickeit kann – nach katholischer Lehre – nie ganz verloren werden, wir können sie zudecken und entstellen, aber wir bleiben selbst in der Hölle noch Gottes Ebenbilder.
Auch, dass es außerhalb der Kirche, kein Heil gibt, bleibt der Anspruch der Kirche. Das V2 erklärt nochmals ganz deutlich, dass in der katholischen Kirche die Kirche Jesu Christi verwirklicht ist. Auch Dominus Jesus legt nochmals universellen Anspruch und universelle Sendung der Kirche dar.
Eine Änderung dieser Ansichten ist auch nicht zu erwarten, da alle Päpste an alle Konzils Beschlüsse gebunden sind. Die Hoffnung, dass ein Papst „Trient“ zurück nimmt, nun, das habe ich sowohl von Katholiken als auch von Protestanten schon gehört, aber das geht schlicht nicht.
Die Frage ist wie man das Ex Ecclesia versteht. Am Besten habe ich es – lang ist es her – mit dem Bild von der Werkzeugkiste verstanden.
Also: Gott hat uns eine Werkzeugkiste gegeben, in der man alles findet, was das Heil der Menschen vermittelt: Sakramente, Heilige Schrift, Lehre, Autorität, Geistesgaben… alles. Diese „Werkzeugkiste“ ist die Kirche, wenn andere Konfessionen (oder eben auch Atheisten) irgendetwas haben, was wirklich heilsvermittelnd ist, dann haben sie das nicht von sich aus, sondern aus der Kiste, dann außerhalb dieser Werkzeugkiste findet sich nichts, was dies tun könnte.
Daher kann es sehr wohl sein, dass Protestanten das Heil erlangen, aber eben nur, weil sie über ihre Werkzeuge mit der Werkzeugkiste verbunden bleiben. Genauso wie Katholiken u.U. nicht zum Heil gelangen, weil sie die Werkzeuge nicht oder nicht richtig einsetzten.
In diesem Sinne ist wohl auch das Tun des Guten bei dieser Predigt zu verstehen. Das neue Testament ist – wenigstens nach katholischer Lesart – voll von Stellen, wo diejenigen, die Gottes Willen tun, auch wenn sie ihn nicht direkt als göttlichen Willen erkennen, eher zum Heil finden, als die, die zwar theoretisch alles richtig wissen und glauben, aber es nicht umsetzten.
Ich finde es erstaunlich, dass Du gerade diesen Punkt für so neu und attraktiv hälst, normalerweise bekommt man als Katholik gerade deswegen von Protestanten – gerade aus dem eher evangelikalen Umfeld – genau für diese Ansicht kräftig eins auf den Rüssel. Normalerweise wird dann sofort „Werkgerechtigkeit“ gezetert.
Ja, dass der Vorwurf der „Werkgerechtigkeit“ ausgerechnet von Evangelikalen kommt, ist schon ein Witz, wenn man sieht, wie eifrig etwa der Pietismus um „Heiligung“ bemüht war (und was sollte das anders sein als ein tätiges Leben aus der Liebe zu Gott und zum Nächsten?).
Eben weil dort die Abgrenzung härter ausfällt, fand ich das erwähnenswert. Und eben weil der Papst hier keine Fronten aufmacht, sondern tatsächlich Brücken schlägt. Ob er die Menschen, die Gutes tun, als anonymes Christentum oder implizite Katholiken betrachtet, ist ja erst einmal zweitrangig – er stellt hier m.E. schon einen Machtanspruch zurück und wendet sich gegen exklusivistische innerkirchliche Richtungen.
@Maris: Um im Bild mit der Werkzeugkiste zu bleiben, kommt mir die emergent Bewegung wirklich manchmal vor, wie der Versuch die überall verstreuten Werkzeuge einzusammeln.
Allerdings sind die Paradigmen, wenn ich es richtig verstanden habe, ziemlich unterschiedlich.
Trotzdem kann ich jedem nur empfehlen mal einen Blick in de V2-Dokumente zu werfen und JP2 Theologie des Leibes (Für den Einstieg wären die Vids von Christopher West auf Youtube schon ganz gut) zu lesen.
Ich denke, dann wird einem schnell klar, dass man das was sowohl von den Medien als auch von evangelikaler Seite oft über den katholischen Glauben behauptet wird, ziemlicher Humbug ist.
@Peter
Ja, aber nicht wirklich witzig. Schau mal auf Jesus.de, wie oft über die katholische Kirche hergezogen wird und wie oft „unbiblisch“ kommt, wenn es um Maria, den Papst, die Heiligen oder die Eucharistie geht und wie festzementiert da die Ansicht ist, dass Beichte und Ablässe was mit gekauftem Himmel zu tun haben.
Nun, ich weiß nicht wen Du genau mit exklusivistischer innerkrichlicher Richtung meinst.
Ich nehme an Petrusbruderschaft und Co. So wie ich die kennengelernt habe, haben die ziemlich zu unrecht einen schlechten Ruf.
Nein, diese Polemik ist freilich alles andere als witzig, die ist dumm, grob und bösartig. Mit dem Exklusivismus habe ich keine konkrete Gruppierung gemeint, eher mal so die eine oder andere Stimme, die ich mitbekommen habe.
Ein interessanter Beitrag aus atheistischer Perspektive: http://www.huffingtonpost.com/mobileweb/staks-rosch/dear-pope-atheists-dont-need-redemption_b_3332013.html?utm_hp_ref=religion
Der Fallstrick für Franziskus ist aus dieser Perspektive die Vereinnahmung. Allerdings, wenn ich darüber nachdenke, hat er auch eher zu Gläubigen gesprochen um ihre Herzen weiter zu machen. Vereinnahmend oder nicht?
H
So, wie ich das gelesen habe, ist es eher der Versuch, dem anderen das Beste zu unterstellen und nicht das Schlimmste. Freilich hat das dann immer noch mit der eigenen Vorstellung von „gut“ zu tun. Wenn man das schon als Vereinnahmung betrachten will, dann wäre es eine. Für mich ist es das nicht.
@Peter: Ja, das mit den Stimmen, die man mitbekommt und die als katholisch gelabelt sind, ist eine schwierige Geschichte. Je nach dem, stammt die Lehre dann weniger dem Katechismus, sondern wurde autoritativ von wahlweise Omma Finchen ( Wenn man an Weihnachten Wäsche wäscht, stirbt man im Jahr darauf.), Sr. Maria Tortura von den 1253 Höllenstrafen ( als meine Mutter in der zweiten Klasse war, haben der die Schulschwestern erzählt, dass jeder in die Hölle kommt, der sich mehr als einmal in der Woche die Ohren wäscht.) oder sogar von Leuten, die längst die Lehrerlaubnis verloren haben ( O.T. Uta Ranke-Heinemann: Im 3.Reich sind Juden gestorben, weil sie nicht an die Jungfräulichkeit Mariens glaubten….) verkündet oder ganz klassisch: Ich hab in irgendein Roman/Illustrierten gelesen, dass irgendein Heiliger/Papst/ die Kirche/Whoever gesagt hat, dass jeder verbrannt gehört, der nicht glaubt, dass die Erde eine Scheibe ist .
Meist sind diese Sachen so hanebüchen, dass ich mich frage, wer das ernsthaft glauben mag, aber gerade in den Medien scheint es da eine unübersehbare Zahl von Gläubigen und unerschrockenen Bekennern zu geben.
Zudem kommt noch das innerkirchliche Verkündigungs-Chaos. Ich fand, der Post hier, bringt es ziemlich auf den Punkt: http://reverendknow-it-all.blogspot.de/2013/05/how-does-catholic-respond-to-are-you_10.html
Nun, die Huffy, was täten wir, wenn wir die nicht hätte?.
Grundsätzlich reden Päpste zu den Gläubigen und allen Menschen guten Willens. Wer sich da zu sehr vereinnahmt sieht, der könnte einfach weg hören. Merkwürdig ist allerdings, dass man scheinbar Päpste nicht überhören kann. Wenn der ozeangleiche Lehrer lächelnd verkündet, dass egal was man glaubt, man trotzdem alle Stufen der Wiedergeburt durchlaufen muss, regt sich über diese Vereinnahmung niemand auf.
Ja, die Vereinnahmungs-Befürchtung macht mir auch manchmal Bauchschmerzen (auch bei der „liberalen“ – also an der „tikkun-olam“-Vorstellung orientierten – Auslegung mancher Passage in der hebräischen Bibel). Aber vielleicht sind wir da auch zu defensiv. Entscheidend wäre dann wohl, wie Atheisten z.B. die Franziskus-Predigt wahrnehmen. Gibt’s hier welche?
Der eigentliche Punkt bleibt nach wie vor bestehen: Wer nicht will, der will nicht. Und auch mit der tikkun-olam Vorstellung kommt man über diese Grenze nicht hinweg.
Wir nehmen tatsächlich recht oft an, dass alle ins Heil/den Himmel etc wollen. Nur ist das eben nicht so. Und sobald man etwas konreter über „die Heilung dieser Welt“ nachdenkt, wird man merken, dass es VÖLLIG verschiedene Vorstellungen davon gibt. Nicht wenige sagen, diese Welt wird erst heil, wenn Religionen völlig abgeschafft sind. (Und das meinen die sicher nicht im Sinne eines Zizek oder Nancy – schon gar nicht beziehen sie sich damit auf Religion im Gegensatz zum Glaube.)
Franziskus spricht hier sicher kirchenintern einen wichtigen Punkt an: Mitgliedschaft macht sich nicht an der Mitgliedschaft fest. Und das ist von einem katholischen Kontinent aus gesehen sicher ein löblicher und nötiger Standpunkt. (Denn da gibt es eben diese atheistische Bruchstelle -noch- nicht.)
Aus einem atheistischen Landstrich heraus geschrieben wird man merken: Sich für die „Heilung der Welt“ einzusetzen (geschweige denn für explizit biblisch-jüdisch-christliche Lebensweisen), wenn das Christliche verblasst ist, ist ein mühsames Unterfangen. Und die Bruchstellen sind sehr sehr deutlich zu spüren. Man ist da nämlich dankbar, dass es gar kein Thema mehr ist, sicher über die Teilhabe oder Mitgliedschafft an irgendeiner (sichtbaren oder unsichtbaren) Kirchen Gedanken machen zu müssen.
Hier stellt sich die Frage genau anders herum: Da wird der Glaube/Kirche/Religion ausgeschlossen und ausgegrenzt.
Dieses pragmatische Ansetzen am Gemeinwohl kann ja durchaus für Christen in einer Minderheitensituation ein Schlüssel sein. Was am Ende passiert, ist ohnehin nicht unsere Sache, sondern Gottes. Bis dahin tun wir in aller Vorläufigkeit das Gute. Dass das auch zu Diskussionen und Auseinandersetzunge führt, weil es nicht jedem passt, ist auch klar, darüber hat sich weder Jesus noch Franziskus Illusionen gemacht, denke ich.