Tod einer Subkultur?

Schon vor ein paar Monaten fragte Tony Campolo in diesem Blogpost, ob der Evangelikalismus vor der Spaltung stünde. Die Differenzen sieht er in der Frage nach dem sozialen Engagement in der Gesellschaft vs. einer Ausrichtung auf das ewige Heil (und die zu dessen Erlangung nötige Moral!), im strengen oder weniger streng wörtlichen Bibelverständnis, in Fragen der Liturgie und in der unterschiedlichen Haltung zur Politik der republikanischen Partei.

Nun hat Roger Olson in einem ausführlichen Artikel erläutert, dass es die evangelikale Bewegung nicht mehr gibt, nur noch ein evangelikales „Ethos“. Theologisch ist der Dialog zwischen den unterschiedlichen Richtungen, die sich in den letzten 20 Jahren entwickelt haben, praktisch zum Erliegen gekommen. Konkret nennt er

  • die Neofundamentalisten, etwa der Gospel Coalition (dt: Evangelium 21)
  • eine Mittelpartei, deren Sprachrohr Christianity Today ist (das wäre in Deutschland vielleicht „Aufatmen“)
  • und schließlich postkonservative Evangelikale (z.B. Scot McKnight, Frost und Hirsch wären sicher auch in dieser „Schublade“)

Das evangelikale Ethos besteht für Olson – stichwortartig formuliert – aus Bibelfrömmigkeit, Bekehrungsglauben, Kreuzestheologie und sozialem/missionarischem Aktivismus plus einer hohen Achtung der reformatorischen Tradition. Es reicht aber nicht mehr aus, um einheitlich in der Öffentlichkeit aufzutreten oder sonst irgendwie an einem Strang zu ziehen.

Zuletzt hat sich nun Rob Bell zu den Wandlungen und Spannungen geäußert. In einem Interview bei der Grace Cathedral in San Francisco sagte er:

Ich denke, wir sind Zeugen des Todes einer bestimmten Subkultur, die nicht funktioniert. Ich denke, es ist eine sehr enge, politisch verfilzte, kulturell abgeschottete evangelikale Subkultur, der man gesagt hatte „wir verändern das Ding“, aber es kam anders. Und das hat viele Leute abgeschreckt. Und ich denke, wenn man einer Subkultur angehört, die im Sterben liegt, macht man viel mehr Lärm, weil es so weh tut.

Entweder stirbt man, oder man passt sich an. Und wenn man sich anpasst, bedeutet das, dass man sich der Art und Weise stellt, wie wir über Gott geredet haben, und die Menschen eigentlich nicht liebevoller und barmherziger hat werden lassen. Wir haben politische Maßnahmen und Weltbilder gefördert, die in Wahrheit destruktiv sind. Und wir haben das im Namen Gottes getan und müssen uns davon abwenden.

In Deutschland ist die Lage anders und überschaubarer, aber eben nicht völlig anders. Sterbe- und Anpassungsprozesse gibt es auch hier. Wie die jedoch verlaufen, das wird eine spannende Frage sein in den nächsten Jahren.

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38 Antworten auf „Tod einer Subkultur?“

  1. Könntest Du sagen, wo es Deiner Meinung nach in Deutschland anders liegt?

    Bis dahin: Mein Eindruck ist, dass in Deutschland zwei Dinge gleichzeitig passierten, die uns ziemlich durcheinanderbringen:
    Zum Einen eine Ausdifferenzierung der evangelikalen Bewegung, ähnlich wie sie hier beschrieben wird.
    Zum anderen ein breiteres Interesse öffentlicher Medien am E-Wort. Vor vielleicht 10 Jahren war „evangelikal“ ein rein innerchristlicher Begriff, heute wird er in völlig weltlichen Nachrichtensendungen benutzt. Und natürlich in der für mediale Berichterstattung nötigen Zuspitzung und Verallgemeinerung.

    Und auf einmal steht man als Teil der Bewegung davor, wie ein anderer Teil öffentlich dargestellt wird und fragt sich, ob jetzt Solidarität oder Distanzierung gefordert ist. Oder möglicherweise beides. (Meist kommt ein „Wir sind nicht alle so!“ heraus.)
    So scheint die äußere Wahrnehmung die innere Entwicklung auf andere Weise zu beeinflussen als in Amerika.

  2. @Andreas: Hier ist die „Szene“ ja viel kleiner und familiärer. Die Polarisierungen sind alle vorhanden, allerdings sind die Rechtsevangelikalen in den USA politischer als hier, weil die CDU nur sehr bedingt mit den Republikanern vergleichbar ist und es keine Teaparty gibt. ProNRW ist dafür halt zu klein…

    In der Öffentlichkeit wird die Wahrnehmung oft von den US-Evangelikalen überlagert, und dann meist von den Extremen dort. Das führt zu den Absetzbewegungen von dem E-Wort, die Du ansprichst. Ich denke, in der Sache muss man sich auch klar distanzieren von manchen Positionen.

    Die Tatsache, dass ein großer (der größere?) der Evangelikalen den Landeskirchen angehört, trägt auch dazu bei, dass der Ton gemäßigter ist. Aber bei vielen scheint sich schon der Eindruck zu verfestigen, dass ein Bruch mit den ganz Konservativen unvermeidlich sein wird. Die Frage ist nur, wann und wie er eintritt. Vielleicht hängt es auch davon ab, wie es z.B. in Großbritannien weitergeht mit dem neuen Erzbischof, mit Steve Chalke und wer/was sich da sonst noch alles tummelt.

  3. wenn das samenkorn nicht in die erde fällt und stirbt…

    die „evangelikalen“ hatten ihre zeit. es war wichtig, dass es sie gab. ihre neigung zum rückzug aus „der welt“ hinein in ein selbstfreferentielles system, das sich immer weiter von der gesellschaft entfernte, hat aber zu ihrem erstarren und jetzt zu ihrem schleichenden tod geführt.

    das gute daran ist: in österreich erlebe ich, wie sich fronten aufweichen, und wie freikirchen unterschiedlicher prägung, die einander früher das christsein abgesprochen haben, heute aufeinander zugehen, und menschen miteinander reden, die sich früher nicht einmal die hand gegeben hätten. das alte stirbt und macht platz für etwas neues und besseres. da können wir uns doch freuen und dankbar sein dafür.

  4. „Ich bin mir ganz sicher, daß wir die Einheit am besten fördern, wenn wir die Wahrheit fördern. Es wird uns nichts nützen, wenn wir alle vereint sind, indem sich jeder unter die Irrtümer des anderen beugt. Wir sollten einander in Christus lieben; aber wir sollten nicht so vereinigt sein, daß wir außerstande sind, die Fehler des anderen und besonders die eigenen Fehler zu erkennen. Nein, reinigt das Haus Gottes, und dann werden herrliche, gesegnete Zeiten über uns anbrechen.“ C.H. Spurgeon

  5. Ach Ali, mit der reinen Wahrheit zum Himmel auf Erden, das ist doch ein alter Hut und er hat nur zu mehr Streit geführt.

    1. Spurgeon hatte damit Recht, weil er die Bibel definitiv ernster nahm als die meisten von uns heute.
      Leider gibt es ja keine absolute, biblische und erkennbare Wahrheit mehr. Das haben natürlich noch nicht alle kapiert und die sind immer mehr am schwinden und geraten zunehmend unter Druck. Was lehnen sie sich bloß auch gegen all die Beliebigkeit auf, die überall toleriert wird? Naja, da kommt dann irgendwann halt der Knüppel, wenn die das nicht verstehen WOLLEN.
      Die Evangelikalen … die kommen, wenn sie weiter umdenken, tatsächlich besser in der Gesellschaft an – aber nur, wenn sie endlich mal so ein paar harte Positonen aufgeben bezüglich Sexualität usw. Aber, steter Tropfen hölt den Stein und wir können frohgemut in dei Zukunft blicken, bis wir alle in der Einheit des Glaubens angekommen sind und irgendwann Supermann kommt und alle weltweit, finanziell und gerecht unter seine Fittiche versammelt. Supermann wird schon erwartet und darf sich auf eine breite Anhängerschar auch aus den Evangelikalen freuen – die anderen Evangelikalen werden in weiser Vorraussicht den Mund halten.
      Bloss keine Lehrfragen mehr diskutieren, bloss kein einfältiges Evangelium, bloss kein kindlicher Glaube. Bloss die Annahme ablegen, dass man Personen und Bewegungen tatsächlich anhand der Bibel prüfen und überführen kann, um zu sagen: Richtig oder Falsch!

      1. @Matthias: Deine erbitterte Klage ist das perfekte Symptom des Niedergangs dieser Subkultur, die sagt, wir sind die letzten Getreuen, nur wir glauben kindlich, nur wir nehmen die Bibel ernst und so weiter. In Wirklichkeit ist es weder kindliches Vertrauen noch ein Hören auf und ein Ringen mit der Bibel, sondern die Verteidigung einer bestimmten konservativen Ideologie, die im Zeitalter des Pluralismus noch nicht angekommen ist, sich von den Grenzen und der Negation her definiert und daher jede Form von Veränderung nur als Bedrohung und Abfall qualifizieren kann. Spurgeon und seine Zeitgenossen hatten noch die Kraft, mit gesellschaftlichen Veränderungen fertig zu werden. Freilich reicht es nicht aus, ihn heute zu wiederholen, man müsste es ihm nachmachen unter gegenwärtigen Bedingungen. Dafür aber scheint die Kraft nicht mehr zu reichen.

        1. @Peter:
          Danke für die Antwort – ich hätte eigentlich nichts anderes erwartet! Charmant 🙂
          Es wird ja eine Zeit kommen, wo sie die gesunde Lehre nicht mehr ertragen können und sich entsprechende Lehrer suchen …
          Tja, und da gehts los: Was ist denn heute noch gesunde Lehre? Einige meinen, dass man damals wie heute darunter durchaus etwas kontinuierliches verstehen kann, was zeitunabhängig, Gottes-Wort-abhängnig und unwandelbar ist.
          Ein Spurgeon von heute könnte ein Paul Washer sein, der sehr klar auf das Gewissen ziehlt und es sich sicher nicht leicht macht, um schablonierte Aussagen hervor zu bringen. Mir scheint es, das Prediger, welche Teile der Bibel für Mythen halten nicht ansatzweise die wahren Nöte des Menschen in gleicher Weise ansprechen können. Nur Leute, die die Bibel nicht (bewußt oder unbewußt) durch Historisch Kritische Methoden durchgewurstet haben, behalten Rückgrad, um das Wort Gottes mit Kraft auszuteilen, so dass es Herzen trifft und echte Veränderung und Wiedergeburt schafft. Aber selbst unter einer solchen Prämisse muss man immer noch um ein gesundes Verständnis ringen.
          Biblisch ist die derzeitige Entwicklung gewissermaßen schon, aber es muss so kommen, und Spaltungen müssen kommen, damit die Bewährten offenbar werden. Und das sich die Masse jemals bewährt hätte, können wir kaum in der Bibel finden — wenn wir denn davon ausgehen, das wir aus der Bibel solche Aussagen finden können, welche Verbindlich sind.

        2. Lieber Peter,

          man kann von Matthias Kommentar halten, was man will, aber deine Reaktion darauf ist lieblos, überheblich und abgrenzend. Vor allem dein kurzes q.e.d. auf den zweiten Beitrag. Eigentlich alles Dinge, die doch eigentlich so gar nicht zu EC passen, da sie doch eigentlich immer den Evangelikalen angedichtet werden, denn sie behaupteten ja immer, das Maß aller Dinge zu sein. Außerdem eine Argumentation, die nichts Neues ist, sondern seit Urzeiten immer wieder als Totschlagargument verwendet wurde. Dazu wird Matthias noch missbraucht als repräsentativer Vertreter der „sterbenden Subkultur der Evangelikalen“. Wie wäre es mit einer richtigen bzw. konstruktiven Auseinandersetzung mit den „Klagen“?

          Du weißt ja, dass ich deiner These des „Todes einer Subkultur“ (wobei ich hier keine Subkultur erkennen kann, außer vielleicht bei wenigen Vertretern) nicht zustimmen kann. Aber es handelt sich ja auch nur um eine These…

          Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass ich auf solche Beiträge antworte, ohne jetzt signifikant zum Thema selbst beizutragen. Das soll auch nicht empört klingen (und ist auch nicht empört gemeint, ich kenne dich ja inzwischen ein wenig). Für mich ist nur schwer verständlich, wie wenig Verständnis / Empathie bei dir für Menschen da ist, die ihren Glauben ernst nehmen, auch wenn es nicht so ganz in dein Weltbild passt.

          Gegenseitiger Respekt und, ja, ich traue es mich kaum zu sagen, Liebe unter Christen sollte möglich zu sein, ohne den anderen so niederzumachen und sogar zu wissen, was die Motivation des anderen ist, wie dieser Satz so schön formuliert:
          „In Wirklichkeit ist es weder kindliches Vertrauen noch ein Hören auf und ein Ringen mit der Bibel, sondern die Verteidigung einer bestimmten konservativen Ideologie, die im Zeitalter des Pluralismus noch nicht angekommen ist, sich von den Grenzen und der Negation her definiert und daher jede Form von Veränderung nur als Bedrohung und Abfall qualifizieren kann.“

          Du bist altmodisch, althergebracht, zurückgeblieben, hast die Zeichen der Zeit nicht erkannt, gehst nicht mit der Zeit, hast den Zeitgeist nicht verstanden… Alles schon mal gehört.

          Schade.

          1. @JohannesP: Aber diese Selbststilisierung zur Truppe der letzten Getreuen, der wahren Glaubenden und einzig verbliebenen Verteidigern der Wahrheit und der reinen Lehre im tödlichen Sumpf des Relativismus, die ist (selbst wenn sie subjektiv naiv gemeint wäre…) etwa demütig? Come on.

            Ich war ja auch nicht persönlich beleidigt, aber ich finde, solchen Aussagen muss (zumal in dem Kontext, wo es um die Sache geht) widersprochen werden. Wenn ich Matthias mal zu Kaffee treffen sollte, dann werde ich so verständnisvoll sein, wie es geht. Deine Paraphrase würde ich nicht unterschreiben, aber meinen ursprünglichen Satz jederzeit. Matthias schreibt ja erkennbar nicht als einzelner, sondern als Vertreter eines bestimmten Position. Und die mag gut gemeint sein, aber es ging ja hier um die problematischen Seiten.

  6. Mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, worauf sich dieser Nachruf bezieht. Der Totgesagte ist quicklebendig und wundert sich, dass schon Freudengesänge auf seinen Tod gesungen werden. Wenn das mal nicht schiefgeht…

  7. Hm ich musste vor einigen Semestern mal aufhorchen als ein Seminar angeboten wurde unter dem Titel „Freikirchliche Theologien im Gespräch“. Ich denke tatsächlich, dass die Wahrnehmung in Deutschland eher an den Organisationsformen hängt: Es gibt „Kirchen“ und „Freikirchen“ (wenigstens! nicht mehr Kirchen und Sekten) und die evangelikalen in der Landeskirche heißen offiziell „die (ganz) Frommen“.
    Aber was ich beobachte (jetzt wieder in Marburg aber auch durch Kontakte an anderen Bibelschulen) wie viel sich doch geändert zu haben scheint in der Freikirchenszene. Gerade wenn man sich das soziale Engagement von so mancher Freikirche anschaut, dann wäre das doch vor 10 Jahren undenkbar gewesen. Wenn man dann noch miteinbezieht, dass evangelikale ein viel höheres Mobilisierungspotenzial (zum Guten und zum Schlechten!) haben, dann scheint es mir nicht so klug, zu früh solche Polarisierungen von den USA auf Deutschland zu übertragen. Deutschland schien mir schon immer einen größeren gemäßigten evangelikalen Mittelbau (FeGs etc) zu haben und steht deshalb anders da, als die USA. Also belegen kann ich das nicht, ist nur mein Bauchgefühl

  8. „Das evangelikale Ethos besteht für Olson – stichwortartig formuliert – aus Bibelfrömmigkeit, Bekehrungsglauben, Kreuzestheologie und sozialem/missionarischem Aktivismus plus einer hohen Achtung der reformatorischen Tradition. Es reicht aber nicht mehr aus, um einheitlich in der Öffentlichkeit aufzutreten oder sonst irgendwie an einem Strang zu ziehen.“

    Ein starker Satz. Wenn diese Dinge nicht mehr auszureichen scheinen, dann lieber ein Spaltung.

    Offenbarung 3
    11 Siehe, ich komme bald; halte fest, was du hast, damit [dir] niemand deine Krone nehme!

  9. Die Spaltung der Bewegung ist ja schon da. Die Sollbruchstellen sind seit Jahrzehnten sichtbar. Hat auch damit zu tun, dass manche eben nur an ihre Krone denken…

  10. Ein einheitliches Auftreten in der Öffentlichkeit erfordert auch, dass die Öffentlichkeit Themen und Fragen hat, zu denen die Antworten von unserem Glauben her eindeutig sind. Das war bei „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ etwas einfacher als bei „Abzug aus Afghanistan, ja oder nein?“, um mal ein amerikanisches Beispiel zu nennen.
    Vielleicht haben sich die verschiedenen christlichen Gruppen zu sehr in den vorletzten Dingen verheddert.
    Ein fruchtbares öffentliches Auftreten wäre doch z.B. zu zeigen, dass man bei gegensätzlichen politischen und ethischen Ansichten sich nicht persönlich bekämpft, sondern immer noch als Geschwister sieht. Dass alle Fragen, die uns spalten wollen, die vorletzten Dinge betreffen, die letzen uns aber verbinden. Das wäre mir lieber als eine Spaltung.
    Möglicherweise ist das Problem, dass „die andern“ das nicht wollen, aber was würde Miroslav Volf uns da wohl raten? Soll der Wille zur Umarmung an Bedingungen geknüpft sein?

  11. Ich habe den Artikel von Olson auch gelesen. Ist zwar interessant und anfänglich dachte ich, dass das mit dem Ende der Bewegung und dem Ethos ein guter Gedanke ist. Aber ich denke, dass man nur von einer Bewegung in der Vergangenheit und damit auch dem Ende einer Bewegung reden kann, wenn man das Ganze auf den (Nord)Amerkianischen Raum begrenzt.

    Die Evangelikale Welt in England, Deutschland und dem Rest der Welt unterscheidet sich m.E. ja schon seit langer Zeit von Nordamerika (siehe z.B. die anglikanische Kirche,Alister McGrath). Was Olson dann als Ethos bezeichnet geht im wesentlichen auf Marc Noll und David Bebbington zurück. Von Bebbington stammen vier der fünf Merkmale, die Olson nennt: http://en.wikipedia.org/wiki/David_Bebbington.

    Sprich: Die Evangelikalen waren schon immer eine aktive Bewegung, deren Ethos sich auf der ganzen Welt in unterschiedlichen „Bewegungen“ niederschlagen. Daher denke ich: Die eine evangelikale Bewegung gab es nie und die „Bewegungen“ auf der ganzen Welt werden sich verändern. Von daher habe ich den Eindruck, dass das, was Olson sagt (Gegensatz und Ende) auch stark konstruiert ist.

    Dass die Evangelikale Bewegung sich verändert ist ja ein gutes Zeichen. Auch unsere Welt hat sich verändert. Und nein: Nicht alle Veränderungen führen zu einem falschen Evangelium.

  12. Ohne den Inhalt irgenwie werten zu wollen: weshalb, werter Blogger, ist ein rostender Stacheldrahtzaun eine hilfreiche Illustration dieses Artikels, bzw der Frage um den Evangelikalismus? Das Auge ißt ja bekannt mit – daher hat auch das Bild zum Text eine starke Aussage. So sehr ich aber meine Assoziationen bemühe – ich finde keine, die auch nur in irgendeiner Weise positiv ist…
    Warum muss also dieser Konflikt, wenn es denn wirklich einer ist, noch zusätzlich visuell so aufgeladen werden? Warum sollte man das ernsthafte Bemühen von Christen um den richtigen Weg mit Stacheldrahtzäunen verbinden, deren einziger Zweck ja darin besteht, Leben zu verletzen, Schmerzen und tiefe Wunden zu verursachen?

    1. @Simon: Wenn man die Art der Auseinandersetzung ansieht, die zwischen den unterschiedlichen Lagern stattfindet, dann passt das Bild m.E. durchaus dazu. Mein kleiner Post wird das schon nicht noch weiter eskalieren.

  13. Nein, dein kleiner Post wird nicht viel ausrichten. Im übrigen bin ich mehr dafür, die Gemeinsamkeiten in Christus zu betonen statt darüber zu spekulieren, wer gerade ausstirbt. Und den Stacheldraht zu beseitigen.

  14. @JohannesP: Der Stacheldraht liegt zwischen der Subkultur und ihrer Umgebung. Und da gibt es eben in manchen Kreisen erhebliche Abschottungstendenzen – wir haben die ja schon verschiedentlich thematisiert: Kritik zur Verfolgung zu stilisieren, stereotype Feindbilder, Kulturkampfrhetorik etc.

    Beseitigen? Gern, bloß wie…?

  15. @Peter, ich verstehe, was du meinst. Ich kann diese Tendenzen allerdings bei uns in der Gemeinde überhaupt nicht erkennen. Also entweder sind wir hier im Osten von München ganz anders, oder diese „erheblichen Abschottungstendenzen“ existieren in dieser extremen Form nicht.

    Ich fühle mich jedenfalls gut integriert in unsere „weltliche“ Umgebung, hab dort sehr viele Kontakte (Schule der Kinder, Vereine, offenes Haus für Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, Bürgermeister etc.), in der Arbeit sowieso. Und ich versuche meinen Glauben in dieser Umgebung vorzuleben.

    Ich weiß, dass es auch andere Gemeinden gibt. Aber permanente Erneuerung ist eigentlich etwas urchristliches, dass man sein Christsein authentisch und vorbildhaft lebt, so dass andere merken, dass dieses Leben lebenswert ist.

  16. @Peter: Was du nennst ( Kritik zur Verfolgung zu stilisieren, stereotype Feindbilder, Kulturkampfrhetorik etc.) beobachte ich ja auf beiden Seiten. Vielleicht würde es ja helfen, sich weniger gegenseitig zu belehren (oder Bücher übereinander zu schreiben). Das wäre vielleicht mal ein Anfang.

  17. Ich denke, die Tendenz ist derzeit im politisch wie theologisch konservativen Lager deutlich größer, zumindest in den USA, um die es ja hauptsächlich ging, aber analog hier bei uns in manchen Ecken eben auch. Ich nenn‘ jetzt keinen Zeitschriftentitel, der das wöchentlich bestätigt…

  18. @Peter, doch, genau diese Beispiele würden mich aber interessieren, weil man nur dann über etwas konkretes spricht. So bleibt es bei pauschalen und nebulösen Vorwürfen.

    Aber das soll jetzt nicht unser Thema sein. Der Ostersonntag steht vor der Tür, das, was uns Christen auf der ganzen Welt verbindet: Wir sind durch Jesus versöhnt mit Gott, die Sünde hat keine Macht mehr über uns, unsere Schuld ist ein für allemal vergeben.

  19. @ Johannes: ich bin mir da mittlerweile nicht mehr so sicher, ob das, was du als „Christen verbindend“ aufführst, wirklich der kleinste gemeinsame Nenner der Nachfolger Christi ist. Für den einen oder anderen dürfte deine Aufzählung schon ein wenig zu (neo-) reformiert klingen. Sühnelehre – oh, oh. Ich hole mir derweil schon mal Chips und Bier und bin gespannt auf weitere Kommentare 😉
    In diesem Sinne: Frohe Ostern allseits! Jesus, unser HERR, ist auferstanden und lebt. Und Er möchte uns in Seine Lebens-Realität mit hineinnehmen. Wenigstens (was heißt hier „wenigstens“) dieses Wissen / dieser Glaube / diese Erfahrung verbindet hier hoffentlich viele Leserinnen und Leser.

  20. @Peter: Dein letzter Kommentar bestätigt für mich das, was ich meine. Ich nehme mal an du würdest dich nicht dem Lager zurechnen, das du dort „beschuldigst“. Aber genau diese Schuld- oder Problemzuweisungen bringen uns ja keinen Zentimeter weiter. Ich habe idea auch abbestellt. Aber man wird ja auch nicht sagen können, sie hätten keine Verdienste für die evangelikale Welt.

    @Simon: Johannes redet ja von Versöhnung und nicht von Sühne. So wie ich das verstehe ist das nicht das gleiche theologische Konzept.

  21. Wir hatten einen sehr segensreichen Ostergottesdienst! 🙂

    @Daniel: Ja, genau das ist es, was ich auch problematisch finde – wenn wir Christen uns gegenseitig beschuldigen, statt das Verbindende zu betonen (auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind).

  22. @JohannesP – du schreibst: „Ich kann diese Tendenzen allerdings bei uns in der Gemeinde überhaupt nicht erkennen. Also entweder sind wir hier im Osten von München ganz anders, oder diese “erheblichen Abschottungstendenzen” existieren in dieser extremen Form nicht“

    Das mag ich gern glauben – aber du musst vom Müncher Osten deinen Blick nur mal in Richtung Zentrum wenden – da siehst du das in Reinform.

    @Peter: Magst du nicht mal „threaded comments“ für deinen Blog aktivieren? Würde das Lesen der Kommentare leichter machen 🙂

    1. Ah, du hast es offensichtlich geschafft 🙂 Jetzt bräuchtest du zur Glückseligkeit nur noch ein Theme, dass auch das Antwort-Feld direkt unter den Beitrag packt, auf den man antworten will. 🙂

  23. @Rolf, vielleicht kannst du mir da mal z.B. per Nachricht in FB mehr zu sagen, ich höre da von manchen etwas in die Richtung, andere können das nicht erkennen. Ich kann mir aus der Ferne mit den wenigen wenig konkreten Infos kein wirkliches Urteil erlauben. Wäre über Infos dankbar. Aber sterbend kann man die Gemeinde trotzdem nicht nennen, auch wenn nicht alles gut läuft, z.B. die Teenarbeit ist wirklich gut. Unsere Kids fühlen sich total wohl.

    Ja, threaded Comments wären sehr hilfreich, weil man dann besser auf bestimmte Kommentare antworten kann. Das ist hier zwar kein Forum, aber es hilft, einen besseren Überblick zu haben über die vielen Antworten.

    1. Kann ich gerne machen. Allerdings liegt da glaube ich ein Missverständnis vor. Peter sprach nicht vom Tod der Gemeinden, sondern der Subkultur. Sprich: Immer weniger Menschen Identifizieren sich freiwillig und gerne mit dem Label „Evangelikal“. Die Gemeinden, die bisher auf dieses Label gesetzt haben oder immer noch drauf setzen, können quicklebendig sein und wachsen und gedeihen. Und Ex-Evangelikale können weiterhin 1:1 die evangelikalen Werte vertreten und leben. Aber es steht hier „evangelikal“ als Subkultur infrage.

      LG,
      Rolf

      1. Die Subkultur ist i.W. der Neofundamentalismus, den findet man hier in geringen Dosen eben auch, und der koppelt sich zunehmend ab von gesellschaftlichen Veränderungen und lebt aus der Negation (daher das steile Sündenverständnis dort). Um es etwas zugespitzt zu sagen: Tod ist, wenn die Erstarrung einsetzt, nicht wenn die Verwesung abgeschlossen ist.

  24. Okay, verstehe. Ich habe mit dem Begriff „evangelikal“ kein Problem, brauche es aber überhaupt nicht, um mein Christsein zu definieren. Würde das Wort wohl nicht in den Mund nehmen. Ich mag aber auch grundsätzlich keine Pauschalisierungen und pauschale Einordnung in vorurteilsbehaftete Kategorien. Damit fühle ich mich selten wohl, weil es nicht zu mir als Individuum passt.

    Ich kenne auch keine evangelistische Subkultur. Ich kenne Christen, die in unserer oder in anderen Gemeinden ihren Glauben versuchen zu leben.

    1. Genau! Und so geht es eben immer mehr Menschen. Vor 20 Jahren gab es noch richtig viele, die sich gern und bewusst über den Begriff definiert haben. Das sind heute viel weniger – teils wegen der Kratzer, die der Begriff bekommen hat, teils weil wir einfach generell weniger geneigt sind, uns in Gruppen einzuteilen. Vor 20 Jahren gab es ja auch noch Rocker, Popper und Hip-Hopper. Heute sind das einfach Musiker und Musikhörer. Man will ja auch niemanden diskriminieren. Es gibt auch keine Studenten und Ausländer mehr, sondern Studierende und Menschen mit Migrationshintergrund. Die Tendenz zur Etikettierung ist einfach generell rückläufig.

    2. Ich finde die Bezeichnung evangelikal als theologische Identität eigentlich immer noch hilfreich, denn die Kernwerte der evangelikalen Bewegung scheinen mir für den christlichen Glauben zentral.

      Zudem denke ich, dass viele „Evangelikale“ die Stärken der evangelikalen Bewegung übersehen. Mich beeindruckt z. B. wie stark es evangelikale Theologie geschafft hat in den letzten 20 Jahren sich aktiv mit der Postmoderne auseinanderzusetzen und das Gespräch mit der Philosophie sucht. Wenn ich damit vergleiche, was meine Uni-Professoren mir vor 10 Jahren erzählt haben, dann finde ich produziert die evangelikale Welt wichtige und relevante Beiträge. Ich schätze es auch, dass evangelikale ihre Position zur Bibel nicht schnell aufgeben, sondern darüber eine intensive Debatte geführt wird. Zudem ist die Basisnähe der evangelikalen Theologie viel stärker als bei anderen theologischen Bewegungen. Zudem ist die die übergemeindliche Dimension der evangelikalen Arbeit extrem wertvoll.

      Ich finde auch, dass bei diesen gewaltigen Veränderungen und Diskussionen in der evangelikalen Welt Spannungen und Konflikte nur normal sind. (Besonders wenn man bedenkt, dass gerade der Umgang mit der Bibel einer der identitätsstiftenden Faktoren ist). Konflikte zeigen ja auch, dass einem nicht alles gleichgültig ist.

      Das einzige was mich an der evangelikalen Bewegung stört – ob die nun konservativ oder postkonservativ sind – dass zu viele meinen, sie selbst seien das Mass aller Dinge und man die Sachfragen oft polemisch und emotional diskutiert. Aber das habe ich auch bei meinen Theologie-Professoren an der Uni festgestellt.

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