Verschämt

Eben habe ich eine Bildzeitung gekauft. Streng dienstlich natürlich. Ich muss Buchstaben ausschneiden und aufkleben. Nichts Kriminelles, falls jemand das befürchtet. Wäre ja auch nicht klug, das im Internet zu veröffentlichen.

Doch wie war ich froh, dass es schon dunkel wurde und so kalt war, dass kein Nachbar mich dabei beobachtete, wie ich zu dem Automaten ging und das Machwerk herausholte. Vielleicht könnten man noch braune Papiertüten dazulegen?

Kaum war ich wieder zuhause und hatte die Schere herausgekramt, kam mein Sohn herein und runzelte die Stirn. Was ich mit der Zeitung wolle, und ob das nicht wahnsinnig peinlich sei, hoffentlich hätte mich niemand gesehen. Ich versicherte, die Aktion sei unbemerkt vonstatten gegangen und klebte weiter.

Es gibt Augenblicke, da ahnt man, dass Erziehung und Vorbild doch nicht ganz vergebens waren…

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5 Antworten auf „Verschämt“

  1. Herzlichen Glückwunsch zur gelungenen Erziehung ! 😀

    Aber könnte man nicht jede andere Zeitung auch nehmen, oder die Buchstaben selbst ausdrucken? Dann würde einem die Peinlichkeit gesehen zu werden sicherlich erspart bleiben ;).

  2. Hast du die BILD vor dem Ausschneiden der Buchstaben nicht gelesen?

    Also: mich zieht auch an „peinlicher“ Lektüre oft durchaus etwas an, und deswegen lese ich sie ab und zu. Beispielsweise die ok (Promimagazin) – noch viel peinlicher als die BILD. Aber dieses „Sich-selbst-Distanzieren“ ist ja albern, wenn es doch Dinge gibt, die mich an diesen Blättern ansprechen/ins Nachdenken bringen usw…

  3. In der Zeitschrift VOLLTEXT gibt es die Kolumne „Unwürdige Lektüren“. Da berichten Autoren was sie so lesen, obwohl sie es als peinlich empfinden. Obwohl da etliche schon ihr Coming Out als Kochbuch-, Comic- und Promimagazine-Leser gebeichtet haben, zum „BILD-Leser wieder Willen“ hat sich noch keiner bekannt.

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