Ein Artikel auf Zeit Online beginnt mit den Worten
Die meisten Menschen träumen von einem treuen Partner. In der Natur gibt es kaum Vorbilder für die Monogamie. Um so erstaunlicher, dass es dem Menschen ab und zu gelingt.
Mit Verlaub, das ist doch ungefähr so sinnvoll, als würde man schreiben:
Die meisten Menschen träumen vom Abitur. In der Natur gibt es kaum Vorbilder für Hochschulreife. Um so erstaunlicher, dass es einigen Menschen gelingt.
oder auch:
Die meisten Menschen träumen von der freiheitlchen Demokratie. In der Natur gibt es dafür kaum Vorbilder. Um so erstaunlicher…
Dass Partnerschaft ein schwieriges Thema ist und viele Paara trotz bester Vorsätze scheitern, ist bekannt. Auskunft über die Ursachen gibt aber nicht die Zoologie, sondern Bücher wie Das ganz normale Chaos der Liebe von Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim. Wir betrachten ja auch nicht Wölfe und Wildschweine, um politische Theorien zu entwickeln. Wenngleich der Ausdruck Wildsau durchaus in der jüngeren politischen Debatte vorkam…
Das hängt ganz davon ab, ob man die Evolution mit ihren Prinzipien (sexuelle Selektion etc.)
akzeptiert. Wenn ja: Haben wir Milliarden von Jahren an zweigeschlechtlicher Fortpflanzung am Hals, aber nur etwa 4000 Jahre Kulturgeschichte, wo sich die Idee der Monogamie
als kulturelles Mem entwickelt hat. Da heisst es statistisch: Körper schlägt Geist.
Wenn nein, dann kann man biologische Vorgänge mit kulturellen Vorgängen gleichsetzen. Dann stimmen die obigen Vergleiche.
Evolutionistischer Behaviourism auf sozialethische Themen zu übertragen, ist nicht nur eine Modeerscheinung.
Als der kath. Bishof von Regensburg von der Kanzel predigte und die Unsinnigkeit von Übertragung der bei Pavianen und Berggorillas vorkommenden Kindstötung auf Abtreibungen bei Menschen hinwies, kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, bei der entschieden wurde, dass ein Sozialwissenschaftler von dem Bischof 4-500 € vorgerichtlicher Kosten erstattet gekam.
Letzlich also ein Urteil, dass Sozialdarwinismus mit kathegorischem, hegelianischen Imperativ verknüpft.
Deshalb ist es nicht nur leider keine Unsinnigkeit oder Absurdität, sondern, wenn es schon Wahnsinn ist, so hat es doch System.
Zur Anregung: da es ja auch in der Natur gleichgeschlechtliche Fortpfanzung gibt (Regenwürmer, Schnecken), kann sich dehalb auch z.B. ein Aussenminister so vermehren???
@Uwe, kann es sein, dass Sie sich negativ auf die Homosexualität Westerwelles beziehen? Ich habe den Eindruck. Aber Ironie in Schriftform ist immer heikel.
Und was den Fall Bischof Müller vs. Schmidt-Salomon angeht, so war das Gegenteil des von Ihnen postulierten Postings der Fall:
„Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat nun klar gestellt: Müllers Aussagen waren „durch die religiöse Äußerungsfreiheit nicht gedeckt“. Müllers habe in seiner Predigt ein Schmidt-Salomon eine Aussage zugeschrieben, „die erkennbar im Widerspruch“ zu den Schriften des Buchautos steht, damit seine „Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit nicht erfüllt“und Schmidt-Salomon dadurch „in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt“.
Müller hätte klar machen müssen, dass es sich bei seinen Aussagen nicht um ein Zitat Schmidt-Salomons, sondern um seine persönliche Interpretation handelt. Dies wäre „ohne Überdehnung der Sorgfaltspflicht“ möglich gewesen, so das Gericht. Oder anders ausgedrückt: Der streitbare Bischof hätte das Buch Schmidt-Salomons einfach nur lesen müssen, um festzustellen, dass er die Unwahrheit verbreitet.“
Quelle: http://www.regensburg-digital.de/gericht-predigt-ist-kein-freifahrtschein-zum-lugen/04032011/
@Frank: Man kann die Evolution mit ihren Prinzipien sehr wohl akzeptieren, ohne bei solchen Vergleichen zu landen. Oder anders gesagt: Hormone und Gene wirken sich in allen Lebensbereichen aus, eben auch in Bildung und Politik. Nur veranschlagen wir dort ihre Wirkung nicht annähernd so hoch, und das völlig zu Recht.
@Frank/Uwe: Könnt ihr diese unerquicklichen Nebenthemen bitte wo anders weiterdiskutieren?
@ Peter, dann habe ich ein Verständnisproblem. Was hat sexuelle Treue (das ist ja, glaube ich, mit Monogamie gemeint) mit Abitur oder Demokratie zu tun? Ich verstehe den Gedankengang dahinter nicht.
Zitat aus dem Artikel: „Dabei muss es nicht einmal zum Äußersten kommen. »Untreue definiert jeder für sich. Es braucht dafür nicht unbedingt Körperkontakt«, sagt die Psychologin Sabrina Brüstle von der Universität Zürich.“
Das habe ich auch schon mehrfach gelesen, dass z.B. Pornoschauen oder auch zu emotionale Beziehungen des Partners/der Partnerin zu anderen Menschen als „Untreue“ angesehen werden.
@Frank: Treue ist ein Aspekt sozialen Verhaltens von Menschen und damit verbundener Fähigkeiten, kein biologisches Programm und eben auch nicht auf Sexualität beschränkt. Wobei eben auch letzere immer schon sozial geprägt ist – im Positiven wie im Negativen.
Wir vergleichen einen Kandidaten für ein politisches Amt ja auch nur dann mit einem Alpha-Rüden oder Pavian, wenn wir ihn kritisieren oder lächerlich machen wollen.
Hmm. Aber sind deine fiktiven Beispiel-Analogien so doof, Peter? Es ist ja schon einen Seitenblick wert, dass demokratische Verhältnisse unter Tieren wohl nicht allzu weit verbreitet sind. Das würde die Demokratie zu einer menschlich-kulturellen Errungenschaft machen, die sich nicht allein aus den äußeren Bedürfnissen ergeben hat. Das wäre gar nicht so schlimm, oder?
@Daniel: So war’s ja auch gemeint. Nur nehmen wir eben, wenn wir über Politik diskutieren, da schon gar keinen Bezug drauf, weil wir wissen, dass der Blick ins Tierreich uns natürlich nicht weiterbringt.
@ Daniel, Schulsystem, Demokratie oder auch Religion sind erst in der Entwicklung der „Kultur“, des nichtbiologischen Überbaues, entstanden. Monogamie ist dahingehend ein Zwitter, weil es a) teilweise bei einigen Arten Überlebensvorteile bringt, b) die bewusste! Entscheidung eines reflexionsfähigen Homo sapiens ist.
Das wäre z.B. beim Zölibat nicht so. Da kann es aus naheliegenden Gründen keine biologische Entsprechung geben 😉
„In der Biologie wird zwischen sozialer und sexueller Monogamie unterschieden. Bei sozialer Monogamie ziehen die Individuen als Paar die Jungtiere auf, können aber zusätzliche Sexualkontakte haben.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Monogamie
@Frank: Schon der Begriff „Überbau“ lässt den darunterliegenden Reduktionismus ahnen. Sexualität und Partnerschaft (darum geht es ja eigentlich) hat sich beim Menschen zu einem sehr viel komplexeren Thema entwickelt, so dass der Aspekt der Fortpflanzung in den Hintergrund gerückt ist.
Der Artikel (und mein Kommentar dazu) behandeln das Thema „Treue“. Eine primär biologische Betrachtung dieses Themas ist eben schon eine Verengung. Andererseits lässt scheint mir „soziale Monogamie“ unter Ausklammerung der Sexualität (die dann schon wieder auf Triebe reduziert wird) für die meisten Menschen (das zeigt der Artikel wiederum ganz gut) auch keine große Begeisterung zu wecken.
Wen Treue wirklich interessiert – hier noch ein Buchtipp: „Mono. Die Lust auf Treue“ von Markus Spieker.
@Susanne: Das Buch wird in dem Artikel erwähnt, gleich nach diesem etwas unreflektierten Einstieg 🙂
Jedes Beispiel hinkt, aber ich frage mich, ob „Monogamie“ tatsächlich ein vergleichbar künstliches Konstrukt ist wie „Hochschulreife“ oder „freiheitliche Demokratie“. Schließlich *gibt* es tatsächlich Tiere, die nicht nur monogam, sondern auch in lebenslanger Treue als Partner zusammenleben.
Diese Tiere tun das aber nicht aus moralisch-ethischen Idealen, sondern vmtl. (ich bin auch kein Biologe), weil es sich als für die Arterhaltung sinnvoll erwiesen hat und daher evolutionär in ihren Genen verdrahtet wurde – bspw., weil der Nachwuchs auf diese Weise eine höhere Überlebensrate im ersten Lebensjahr aufweist, oder weil jährliche Kämpfe um Paarungsrechte einfach Energieverschwendung sind.
Natürlich haben wir, wie schon angedeutet, bei Menschen immer auch die soziale Komponente – aber die gibt es bei Tieren eben auch. Schließlich ist es bei nicht-monogam lebenden Arten ja auch nicht so, dass jeder mal mit jedem darf, sondern nur die besonders „fitten“ Exemplare profitieren. Das hat bei Tieren, die in Gruppen leben, sicherlich auch immer soziale Konsequenzen, auch wenn die Tiere darüber selber keine eigenen soziologischen Studien anstellen. Aber die Frage ist doch: Was war zuerst da, die Treue als evolutionärer Vorteil, oder die Treue als Garant sozialer Sicherheit? Ich würde ersteres vermuten – auch beim Menschen.
Hallo Lars,
„Treue“ ist eben kein evolutionärer Vorteil (oder nur sehr begrenzt auf die Zeit der Aufzucht des Nachwuchses), sonst hätte es sich übergreifend durchgesetzt. Von daher würde ich eher deiner zweiten These zustimmen.
Auch stellt sich die Frage ja nur bei Tieren, die Zweierbeziehungen führen, in Gemeinschaften (Herden, Horden, Schwärmen etc), oder auch wenn Weibchen den Nachwuchs allein aufziehen spielt das gar keine Rolle.
@Lars: Der Unterschied liegt für mich darin, dass Menschen sich tatsächlich für unterschiedliche Lebensentwürfe entscheiden können – und das auch tun – während Tiere durch ihre Gattung da festgelegt sind. Die Festlegung so oder so hat natürlich ihren Sinn und dient, wie Du sagst, ja praktisch immer dem Aufzug des Nachwuchses. Bei Menschen ist das jedoch nur ein Aspekt unter mehreren. Ebenso sind Tiere aber auf eine bestimmte Sozialform („Staat“) festgelegt, bei Menschen gehört das – wie das Verständnis von Partnerschaft und Treue – dagegen in den Bereich der Kultur. Weil Menschen sich durch Sprache von Tieren unterscheiden, können solche Konzepte reflektiert, diskutiert und adaptiert werden.
und im Blick auf Deine letzte Frage: Ich würde „soziale Sicherheit“ ja durchaus als „evolutionären Vorteil“ einstufen…
„Es gibt natürlich Ausnahmen, die sich trotz allem für die Monogamie entscheiden – so wie wir. Heute ist unser 34. Hochzeitstag! Sicher haben wir uns gefragt: Warum macht man das? Zum einen ist es ein Vorteil für die Kinder, wenn sich beide Eltern um sie kümmern. Und in einer langjährigen Partnerschaft hat man eben auch einen wirklich guten Freund. Untreue führt zu Hass und Feindschaft – ein weiteres Argument für die Monogamie.“
http://www.zeit.de/2011/15/Ps-Treue-Interview
Was noch niemand erwähnt hat:
Es gibt ja durchaus Vorbilder für Monogamie in der Natur. Habe erst gestern wieder eins in einem Natufilm (in „das erste“) über die Pyrenäen gehört. Der Eingangssatz ist somit nicht nur ein schräger Vergleich, sondern auch sachlich falsch.
@Helmut: Der Eingangssatz war insofern sachlich richtig, als er „monogames“ Verhalten als „Ausnahme“ bezeichnet. Und den Begriff „Vorbild“ würde ich jetzt strikt ablehnen, weil Ehe und Treue bei Menschen etwas Qualitativ anderes sind als bei dieser oder jeder Tierart, und (wie das Zitat zeigt, das Frank gepostet hat) hier ganz andere Faktoren (u.a. eben rationale und soziale) die entscheidende Rolle spielen. Wenn wir sagen, dass „Liebe“ ein Tierpaar zusammenhält, dann vermenschlichen wir ja das beobachtete Verhalten.
@Frank: Evolutionäre Vorteile gibt es dort, wo Lebewesen eine bestimmte Nische ausfüllen können, die bislang noch nicht oder nur schwach besetzt war. Insofern gibt es keinen evolutionären Vorteil, der für alle Arten gleich gälte, sondern was für die eine Art einen Vorteil darstellt, kann für andere Arten nachteilhaft wirken. Das ist eben auch stark abhängig von den Lebensbedingungen – was früher mal ein Vorteil war, kann später auch zum Nachteil werden. Und es gibt natürlich immer auch die Abweichler von der „Norm“ innerhalb einer Art – ohne die wäre Evolution ja gar nicht möglich.
Übrigens gibt es auch genug Arten (bspw. Vögel), die monogame Zweierbeziehungen führen und trotzdem sozial in Schwärmen leben.
@Peter: Mir verdeutlicht die interessante Diskussion hier, wie eng bei reflektierten Lebewesen wie dem Menschen Kulturtechniken mit evolutionären Vorteilen verknüpft werden. Ist das bei Tieren auch so, etwa wenn sie gelernt haben, mittels eines Werkzeugs eine Nuss zu knacken? Nach meiner Wahrnehmung nicht, was aber auch daran liegen mag, dass man bei dem Tier keine reflektierte Entscheidung feststellen kann, ab jetzt ein Werkzeug zu benutzen. Konnte man das im Bezug auf die Monogamie beim Menschen? Oder wurde (provokant gefragt) dieser aus welchen Gründen auch immer schon bestehende Instinkt nur nachträglich religiös verbrämt, und kann daher jetzt als Kulturleistung erklärt werden? Ich finde diese Frage schwer zu beantworten. Die prinzipielle Entscheidung gegen Monogamie allerdings müsste im Falle des Menschen ihre evolutionären Vorteile erst noch unter Beweis stellen. 😉
@Lars: Spannende Frage. Der Unterschied zwischen Tieren und Menschen liegt darin, dass letztere aufgrund von Sprache und dann Schrift zu einer ganz anderen Dimension von sozialem Lernen fähig sind, das die Erfahrung und das Wissen vieler Generationen zugänglich macht. Deswegen ist alles (!) Menschliche nicht mehr im biologistischen Sinne „natürlich“, sondern von sozialen Konventionen überformt.
Anders gesagt: Treue ist nur deswegen Treue, weil man sie brechen kann und weil kein unerbittlicher Instinkt sie unausweichlich macht. Das aber, die Verwurzelung des Menschen in Kultur und Tradition, ist seine „Natur“. Die Kultur besteht also auch nicht darin, „natürliche“ Triebe „künstlich“ zu domestizieren, ist also kein dauernder Kampf gegen eine widerstrebende Natur, der man Gewalt antun muss.
@lars bei „Schwärmen“ dachte ich an staatenbildende Insekten. Vogelschwärme sind ja Gruppen von Paaren und Einzeltieren.
@Peter:
Deine Kritik am Wort „Vorbild“ ist berechtigt, ich habe mich da zu sehr vom eingangs zitierten Satz beeinflussen lassen …
Aber Monogamie als „Ausnahme“? Was soll denn die Regel sein?
Bei Primaten gibt es Promiskuität (Schimpansen), Polygamie eines „Pascha“ mit „Harem“ (so drücken sich sviw auch Biologen aus, ist nicht als Vermenschlichung gemeint) und Monogamie (Gibbon). Klar, wenn mensch numerisch über alle Arten zählt (mehr als 90% Insekten), dürfte Monogamie selten sein, möglicherweise auch seltener als Sexualität bei Einzellern und Bakterien 😉 aber so würde ich die Verteilung der verschiedenen Modelle (Staaten- bzw. „Schwarm“-bildung nicht vergessen!) nicht werten wollen.
Es gibt verschiedene Modelle der sexuellen Beziehungen in der Natur, eine Regel kann ich nicht erkennen, und dass Monogamie so vereinzelt ist, dass sie zur „Ausnahme“ erklärt werden kann, vermag ich auch nicht zu sehen.
Ach ja: Die (aus genetischer Sicht sexuelle) Art, wie Pflanzen oder auch Grippeviren ihr Erbgut weitergeben, wird hoffentlich niemand hier in die Diskussion einbeziehen wollen …
Ups, da hab ich vergessen zu erwähnen, dass die Polygamie bei Gorillas zu finden ist …