Kapstadt, dritter Tag

Ich sitze in den Company Gardens unter einem alten Baum mit Blick auf den allgegenwärtigen, heute k verhangenen Tafelberg und lasse Tag 3 bisher Revue passieren. Die Vormittagseinheit übe christliches Zeugnis gegenüber der islamischen Welt (besser noch: in der islamischen Welt) war insgesamt ermutigend. Sehr gut Fan ich den letzten Redner, Ziya Meral, der kurz und präzise westliche und leider oft auch christliche Fehler im Blick auf den Islam ansprach. Ich hoffe, er ist auch bald online zu hören. Das war im Ton und Inhalt freundlich, klar und differenziert in der Sache.

ähnlich gut verlief auch die Multiplexeinheit am Nachmittag zum Thema Islam. Vieles drehte sich um die Situation von Menschen, die aus einem islamischen Kontext zu Jesus finden. Sie wird nämlich nicht nur von Muslimen, sondern auch den Mitchristen erheblich kompliziert. Neben den MBB („Muslim background believers“) ging es auch um verschiedene Ansätze christlicher Mission im Laufe der Geschichte. Gut zu hören, dass der konfrontative Weg weitgehend aufgegeben wurde, wegen Erfolglosigkeit. Es kam aber auch klar heraus, wie westliche Interventionen in der arabischen Welt auf die Muslime wirken und welche Folgen die – so wird es erlebt – erzwungene Modernisierung für die Christen vor Ort hat. Hier denke ich, dass Christen auch gegenüber modernistischer Islamkritik um Verständnis für Muslime werben müssen und pauschalen Urteilen entgegentreten.

Meine Tischgruppe – heute waren es am Ende nur mein Gegenüber aus Ruanda und ich – ist weiterhin eine Freude. Man kommt aber auch sonst ganz unkompliziert ins Gespräch. Die Inder geben mit immer ihre Businesscards (ich hab nicht mal eine), und heute blieb ich in der Pause bei einem Pfingstpastor aus Zimbabwe hängen, der mehrfach bedroht wurde und als Unruhestifter von den Behörden öffentlich beschuldigt wurde. Ich wünschte, alle Christen aus dem Westen – mich eingeschlossen – hätten auch nur annähernd die Reife und den Mut dieses Mannes. Am Tag, nachdem die Zeitungen ihn auf der Titelseite denunziert hatten, ließ er sein Auto stehen und ging überallhin zu Fuß, um zu zeigen, dass er keine Angst hatte. In Zimbabwe arbeiten Evangelikale, Pfingstler, Lutheraner und Katholiken zusammen an einem friedlichen Wandel. Es geht frustrierend langsam, hörte ich heute, aber es bewegt sich etwas.

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Hölle statt Liebe?

Die emotionalen und theologischen Wechselbäder dauern an. John Pipers Bibelarbeit heute markierte den zeitweiligen Tiefpunkt des Kongresses. Es war wohl kein Zufall, dass nach seinem Vortrag die übliche Diskussionsrunde fehlte.

Die Liebe Christi war das Motto, aber Piper verwandelte es in einen buchstäblichen Höllenritt, und das ist bei der Textgrundlage von Epheser 3 ein echtes Kunststück. Es fing schon an mit seinem Auftreten. jedes dritte Wort wurde, manchmal schon unerträglich laut, betont, als müsse man den Leuten die Wahrheit einhämmern. Dazu eine ausladende, ruckartige Gestik und gelegentlich schloss der Meister für mehrere Sätze verzückt die Augen.

Der Vortrag fehlte jeder konkrete Bodenkontakt, er spielte sich komplett in höheren Sphären ab. Piper unternahm den Versuch erst gar nicht, es Ruth Padilla DeBorst nachzutun (mehr Frauen, bitte, bitte!). Aber weil im Text „Mächte und Gewalten“ auftauchen, stürzte sich unser Ausleger sofort auf den kosmischen Kampf gegen das Böse und ordnete alles diesem Thema unter. Das erlaubte ihm, sich auf Themen zu verlagern, die im Text gar nicht vorkamen. Plötzlich war vom Teufel die Rede und die Hölle, die bei Paulus nur im Sinn von Totenreich, nicht aber als ewig-jenseitige Folterkammer erscheint, war auch gleich im Spiel, Sünde, Schuld und der Zorn Gottes folgten auf dem Fuß.

Es war einfach dreist, wie Piper das gestrige Referat dann auch explizit konterkarierte und sich dabei auf eine göttliche Eingebung am Vortag berief. Er ging zurück auf Eph 2,3 und sagte, man verstehe das Evangelium erst dann richtig und Evangelisation erst dann richtig, wenn man verstehe, dass „Gott wütend sei auf die Welt“. Da war er wieder, der janusköpfige Gott der Calvinisten, der seinen Sohn als Puffer braucht, um die Gewalt abzufedern, die sonst seine „sündigen, korrupten und rebellischen“ Geschöpfe träfe.

Ich hatte in meiner Naivität gehofft, solche Töne hier nicht mehr zu hören. Aber Pipers manipulative Attacke auf die Hörer war noch nicht zu Ende. Er verwies auf den gestrigen Tag, in dem es um das Leid in der Welt gegangen war, und bat darum, diesem Anliegen das der Abwendung ewigen Leids (also der Hölle, die er anfangs eingeschmuggelt hatte) an die Seite zu stellen. In dem Satz, der dann aber die Zustimmung der Delegierten einforderte, hatte Piper sein eigentliches Anliegen dem sozialen aber rhetorisch vorgeordnet. Viele haben da wohl nicht bemerkt, es war einfach ein schlaues Schurkenstück, was er da abgezogen hat.

Die Organisatoren hatten am ersten Tag großspurig angekündigt, beim Überschreiten des Zeitlimits das Mikro abzudrehen. Heute haben sie eine große Gelegenheit verpasst, ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen.

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