Schön!

Mein Webhoster hat mir heute dieses Gedicht als Weihnachtsgruß geschickt, ganz ohne Kitschbild, und sich damit wohltuend von den anderen kommerziellen Weihnachtsgrüßen abgehoben, also hier zum Mitfreuen:

Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt
und manche Tanne ahnt wie balde
sie fromm und lichterheilig wird;
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

– Rainer Maria Rilke –

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Unsere „Identität in Christus“

Bei einer Diskussion über geistliche Reife kam neulich mal wieder die Forderung auf, wir müssten mehr über „unsere Identität in Christus“ lehren. Ich empfand das als recht zwiespältige Angelegenheit, zumal das auch ein Schlagwort aktueller Sektengründer ist. Sie haben das aber nicht erfunden, sondern eine problematische Denkweise nur einen Schritt weiter getrieben.

Natürlich kann man das Thema auch auf gute Weise angehen, und das war zumindest die Intention. Vielleicht lässt sich das – zumal an Weihnachten – hier kurz gegenüberstellen:

Oft genug wird unsere Identität in Form von wörtlich zu nehmenden Behauptungen aufgeschlüsselt, und dann bekommt das Thema etwas Ideologisches: Wir sind in Christus dies und das, und zu diesem und jenem bestimmt. Konkret stürzt man sich meist auf Teile des Epheserbriefs, ohne nach rechts und links zu sehen. Am Ende steht dann eine Lehre wie: Wir sind in Christus erlöst, wir haben einen Platz im Himmel, wir sind zu Königen und Priestern bestimmt, es ist unsere Berufung, mit Christus zu herrschen. Und dann geht es um Heilung und Wohlstand und immer auch ein bisschen um Macht. Und eine gewisse Glaubensanstrengung ist nötig, um die offensichtliche Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit nicht zu groß werden zu lassen. Man muss es möglichst laut und oft proklamieren, um die Zweifel einzudämmen.

Ich weiß nicht, ob wir davon wirklich mehr brauchen.

Identität hat aber weniger mit Satzwahrheiten als mit Geschichten zu tun. Die sympathischere Variante dieser Lehre funktioniert also narrativ. Ich bin Teil der großen Geschichte des Segens, den Gott seit Abraham über alle Völker bringen will. In Christi Menschwerdung, Tod und Auferstehung hat diese Verheißung begonnen, sich zu erfüllen. Ich bin mitgestorben und werde mit ihm auferstehen, und als „Anzahlung“ auf dieses Leben lebt und wirkt Gottes Geist in mir. Immer wenn ich denke, jetzt ist es aus mit meiner Kraft, meinem Glauben und meiner Liebe, dann fließt aus dieser Quelle etwas nach. Ich bin Teil dieser liebenden Suchbewegung Gottes nach den Menschen, die ihm verloren gegangen sind. Und damit lebe ich als Glied der christlichen Kirche in der Spannung von Verheißung und Erfüllung, Leiden und Herrlichkeit. Ich muss gar nicht viel über mich reden, aber viel über Jesus. Was „königlich“ und „herrschen“ bedeutet, bestimmt sich damit ideologiekritisch ganz exklusiv von dem einen König her, der sich selbst aller Macht und Pracht entleerte. Jedesmal, wenn wir das Abendmahl feiern, schaue ich auf diesem Weg Gottes mit uns (und damit auch mit mir) zurück und nach vorne.

Gibt es eine bessere Form, unsere wahre Identität zu bekräftigen, als Brot und Wein und diese große Story?

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