Rechtfertigung: Wright or wrong? (1)

Es war eine Streitschrift von John Piper, die N.T. Wright gegen seine ursprüngliche Absicht dazu brachte, Justification zu schreiben. Man kann, wie Brian McLaren im Klappentext zu Recht sagt, Piper dafür nur dankbar sein. Spürbar genervt von der Tatsache, dass Piper und andere hartgesottene US-Reformierte (sogar der friedliebende Scot McKnight schlägt da inzwischen harte Töne an) ihn einfach nicht verstehen (wollen? können? beides?), macht sich Wright nun erneut daran, seine Sicht der paulinischen Rechtfertigungslehre darzustellen. Allerdings treibt ihn eher die Hoffnung, dass künftige Generationen es mit dem Verstehen leichter haben, als dass er auf ein Umdenken der alten Garde setzen würde. Der Umgangston gegenüber Piper ist sportlich, aber respektvoll, was das Lesen spürbar erleichtert.

Im ersten Kapitel geht Wright auf methodische Fragen ein. Kurz umrissen heißt das: Gute Exegese folgt den biblischen Texten und lässt sich von deren Gedankenfluss und Fragestellungen leiten, in dem Wissen, dass sie nur auf die Fragen antworten, die die Autoren damals auch selbst beschäftigten. Statt den Römerbrief zum alleinigen Maß der paulinischen Theologie zu machen und alles in diesem Licht zu betrachten, schlägt Wright vor, die kosmische Soteriologie (Erlösungslehre) des Epheser- und Kolosserbriefes als Bezugsrahmen der Betrachtung anzusetzen, die er – anders als manche deutschen Kollegen – trotz gewisser sprachlich-stilistischer Eigenheiten für nicht „deuteropaulinisch“ hält. Zudem besteht Wright auf der Notwendigkeit, die Texte und Begriffe aus ihrer Zeit heraus zu verstehen. Da es keinen „neutralen“ Standpunkt gibt, würde alles andere nur dazu führen, dass sich nur noch mehr Vor-Urteile in unser Verständnis einschleichen. Warum er solch eine scheinbare Selbstverständlichkeit betont, zeigt das zweite Kapitel. Dazu in Kürze mehr.

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Düstere Poesie

Eben stolperte ich beim Stöbern nach Zitaten für den Kreuzweg am Freitag über diesen Text von Clemens Brentano:

Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,

Er mäht das Korn, wenn’s Gott gebot;

Schon wetzt er die Sense, Daß schneidend sie glänze,

Bald wird er dich schneiden, Du mußt es nur leiden;

Mußt in den Erntekranz hinein,

Hüte dich schöns Blümelein!

Das erste Mal begegnete er mir in der Grundschule, im Notenheft für den Blockflötenunterricht. Kein Wunder, dass ich mit dem Instrument auf Kriegsfuß stand. Wer will denn – als Kind – so etwas Morbides hören. Ganz davon abgesehen: In welch seltsamem Licht erscheint eigentlich Gott hier?

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Fleischliches in der Karwoche

Die Nachrichten passen in die Fastenzeit: Fleisch sinkt zum Nahrungsmittel der Unterschicht herab, schreibt die Welt. Vor ein paar Tagen machte schon die Entdeckung die Runde, dass der Verzehr von rotem Fleisch die Lebenserwartung sinken lässt.

18 Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit gehen auf das Konto der Fleischproduktion, der Verkehr dagegen insgesamt nur 13 Prozent. Man muss nicht einmal Vegetarier werden, um diese Quote sinken zu lassen. Dauerhaft weniger Fleisch zu essen ist schon ein guter Anfang.

Im Blick auf Gründonnerstag ist es da doch ein zukunftsweisendes Zeichen, dass das Neue Testament im Blick auf das Abendmahl zwar (vgl. Johannes 6) von „Fleisch“ reden kann, konkret aber Brot gegessen wird. Steckt da noch eine Lektion drin für uns?

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Komischer Guru

Auf dem Bahnsteig in Aarau setzte sich ein Inder mit Bart und blauem Turban neben mich, etwa 60 Jahre alt und untersetzt. Er erklärte mir, dass er ein Guru ist und spüre, dass bei mir die innere Balance nicht ganz stimme. Ich war eigentlich ganz guter Dinge (nur etwas müde). Aber die Neugier siegte. Er bot mir an, er würde mir erst meine Vergangenheit erzählen, dann meine Gegenwart, und dann meine Zukunft. Und wenn die ersten beiden richtig seien und mir seine Zukunftsprognose zusage, könne ich ihm hinterher Geld geben.

Ich fand die Vorstellung komisch und amüsant zugleich. Wir stiegen in den Zug, und in den nächsten 20 Minuten kritzelte er vor meinen Augen auf einem Blatt ein Zahlenquadrat und einzelne Buchstaben. Über meine Vergangenheit wusste er nichts konkretes zu sagen. Einmal merkte er an meinem Gesicht, dass er einen Zufallstreffer hatte („look at me“), aber er versemmelte die Fährte im nächsten Satz, der einer wahrscheinlichen, aber in meinem Fall falschen Vermutung folgte.

Dann riss er von dem Blatt zwei kleine Zettelchen ab, beschrieb einen, faltete ihn zusammen und gab ihn mir in die Hand. Über meine Gegenwart wusste er gar nichts Konkretes zu sagen, stattdessen stellte er mir Fragen nach meinen Wünschen. Ich suchte drei halbwegs authentische, aber harmlose aus und musste ihm diese dann erzählen, um gleich darauf von ihm zu hören, dass ich eigentlich Geld brauche, dann bekäme ich all diese Dinge dafür. wenn ich genügend Geld hätte, wäre auch mein Verhältnis zu Gott besser. Na, sehr spirituell, dachte ich mir.

Vor den drei Wünschen sollte ich eine Zahl zwischen 10 und 100 wählen und eine Farbe. Beides schrieb ich – den kleinen Zettel in der linken Hand – auf das Blatt mit seinen Zahlen und Buchstaben schreiben. Nachdem ich meine Wünsche beschrieben hatte (wir waren schon am Stadtrand von Zürich angekommen), sollte ich den kleinen Zettel auf das Blatt mit den Zahlen legen. Ich tat das, aber er schubste den Zettel zurück: Ich sollte es bewusst auf eine bestimmte Zahl platzieren.

Da lag dann also der Zettel auf der 9 und er sagte, wenn darauf nun die Farbe und die Zahl stünden, die ich vorhin genannt hätte (den Zettel hatte ich ja schon in der Hand), dann sei das der Beweis, dass seine Voraussage einträfe. Ich sagte, dass er den Zettel eben auch hätte austauschen können. Der Guru war etwas pikiert, wollte das Spiel aber doch zu Ende bringen. Natürlich stand da die richtige Antwort, als wir das Papier aufwickelten. Aber ich hatte ja gesehen, dass er zwei Zettelchen gemacht hatte. Vom anderen gab es keine Spur.

Natürlich werde mein wichtigster Wunsch in Erfüllung gehen, erklärte er mir dann, und schrieb auf einen neuen Zettel die folgenden Buchstaben: F 100, F 200, F 300. Wie viele Franken ich ihm nun geben wolle? Ich hatte erstens gar keine mehr einstecken und erklärte zweitens, dass mich seine Vorstellung auch nicht sehr beeindruckt hätte. Im Wesentlichen war es halt ein Taschenspielertrick. Der Frust stand dem Guten ins Gesicht geschrieben. Ich gab ihm ein paar Euro, damit er sich etwas zu Essen kaufen konnte. Er bettelte noch um ein paar mehr (die Mitreisenden waren schon ausgestiegen), dann trollte er sich.

Ich war ein bißchen enttäuscht: Sind Leute so verzweifelt auf der Suche nach Glück und Geld, dass man sie derart simpel übertölpeln kann? Die nicht unbedingt neue Quintessenz dieser Episode: Wenn einer Geld will, dann ist er ein falscher Prophet.

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