Schlimme Schatten

Vorletzte Nacht bin ich gegen 01:30 Uhr von lautem Gegröle geweckt worden. Irgendeine Horde brüllte sowas wie “Deutschland” minutenlang in der Gegend herum. Sie klangen aggressiv und besoffen. Ich hab mir etwas in die Ohren gesteckt und weitergeschlafen, nicht ohne mich etwas an die düsteren Auftritte der “Totesser” bei Harry Potter erinnert zu fühlen. Dass es so etwas im weltoffenen und intellektuellen Erlangen gibt, ist eine Schande.

Letzte Woche kam mir aus einem Supermarkt ein Typ entgegen, der ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift “Odin statt Jesus” in Fraktur trug. Vor einer Weile noch hätte ich das bizarre Erlebnis kopfschüttelnd übergangen, aber neulich berichtete die SZ über die NS-Black-Metal Szene in unserer Gegend. Deren Beobachtungen sind alles andere als beruhigend: In Gremsdorf (rund 20 km von hier) spielte jüngst “Absurd”, deren Ex-Drummer 1993 einen satanistischen Ritualmord begangen hat und nun erstmals wieder auf der Bühne stand. Eine eklige Mischung braut sich da zusammen:

Die Black-Metal-Szene spielt mit dem Feuer. Neonazi-Ideologen finden in Bayern hervorragende Bedingungen vor. Das größte heidnische Black-Metal-Festival in Deutschland findet ausgerechnet im katholischen Lichtenfels bei Coburg statt: Das Ragnarök-Festival zieht im Frühjahr rund 3000 Metaller an, die Wotan und Odin vergöttern sowie die Christen hassen.

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Emergente Zankäpfel

Seit ich gestern so parallel die Diskussion über Emerging Church las, die Sebastian Heck (einige kannten ihn noch nicht bisher…) bei DoSi noch mal richtig angeheizt hatte und parallel die schon erwähnte Kritik an der augustinisch-reformatorischen Paulusinterpretation, frage ich mich, ob mit dem Abschied vom modernen Denken (im Sinne einer radikaleren “Aufklärung über die Aufklärung”) hier nicht auch ein Bewusstsein wächst, dass auch das neuzeitlich-reformatorische Paradigma zu eng geworden ist und erweitert bzw. erneuert werden muss: aus sich selbst heraus durch den Bezug auf die Schrift, aber auch im Dialog mit anderen christlichen Traditionen, vor allem der ostkirchlichen Soteriologie; auf die spielt McKnight an mit dem für ihn zentralen Begriff des “eikon”, also der Gottebenbildlichkeit des Menschen (und für meinen Geschmack müssten die Diskussionen über die Gestalt von Kirche der Frage nach dem Wesen des Evangeliums nachgeordnet sein).

Das würde auch erklären, warum sich das konfessionelle, vor allem konservativ-reformierte Lager (Calvin war eben Dogmatiker, Luther dagegen ziemlich unsystematisch – also in dieser Hinsicht wenigstens “postmoderner”) damit so schwer tut. Hier geht es aber keineswegs um einen Ausverkauf des wahren Evangeliums an die “krankhaft” relativistische Postmoderne, sondern um die Frage, wie erstens Paulus und zweitens vor allem Jesus das Evangelium verstanden und gemeint hat und wie wir das heute unter den Bedingungen unserer Kultur richtig wiedergeben.

Und an dieser Stelle hat der Konfessionalismus (der ist übrigens unschwer daran zu erkennen, dass er die polemisch-ausgrenzende Rhetorik des 16./17. Jahrhunderts noch eifrig pflegt) wohl tatsächlich eine Dosis ökumenische “Emergenz” nötig, weil er zum geschlossenen System mutiert. Zum Glück gibt es ja in allen Konfessionen neben den selbst ernannten Wächtern der reinen Lehre auch viele flexible Denker, die sich auf eine (jetzt wird’s heftig) postkonfessionelle Rekontextualisierung einlassen. Ohne ihre Wurzeln zu verleugnen, und ohne gleich das perfekte Resultat zu erwarten.

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