O du lieber Augustin…

Wer bisher noch nicht Scot McKnights Besprechung der “New Perspective on Paul” (kurz: “NPP”, wesentliche Beiträge dazu kamen von Sanders, J. Dunn, N.T. Wright) gelesen hat, sollte nun bei Folge 5 spätestens einsteigen. Hier geht es um die Frage der Sündhaftigkeit des Menschen, wo sich die NPP gegen die Paulusinterpretation der Reformatoren abgrenzt, die Judentum und (Semi-) Pelagianismus verwechseln und in der Sünden- und Gnadenlehre auf Augustinus zurückgreifen. Ihr Hauptgegner ist die “Werkgerechtigkeit”. Eben sehe ich, dass DoSi das alles auf Deutsch bietet.

Gleichzeitig bekommt bei vielen, die heute noch der reformatorischen Interpretation folgen, die Gnade Gottes einen zähneknirschenden Touch. Dazu ein – wie ich finde: sehr treffendes – Zitat aus einem älteren Post auf Jesus Creed:

Diese Leute können nicht über Gnade reden ohne zu betonen, wie verkommen wir sind;
sie können Yancey’s What’s So Amazing…? nicht lesen, ohne zu sagen, das sei nur die halbe Geschichte;
sie können nicht Gehorsam predigen ohne zu sagen, es seien keine “Werke”;
sie können nicht über Gnade sprechen ohne all die zu erwähnen, die auf dem Weg in die Hölle seien;
sie können keine Liebe predigen ohne zu zeigen, dass Heiligkeit hinter allem steckt;
sie können nicht über Gande reden ohne uns daran zu erinnern, dass es nur um Gottes Ehre geht und Gott das alles nicht tun müsse, wir uns also glücklich schätzen können;

anders gesagt: sie können es nicht hinnehmen, dass Gottes Gnade sein Wohlwollen uns gegenüber ist, weil Gott ist, wer er ist (ein gnädiger, liebender Gott) und weil wir sind, wer wir sind: sein auserwähltes Volk, an dem er sich freut und für das er ein Evangelium kunstvoll gestaltet hat, das uns wieder herstellt als Ebenbilder, die in Einheit mit Gott und in Gemeinschaft mit anderen sind.

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Berggeflüster

Vorgestern abend saß ich gegen zehn Uhr noch in der Gaststube der Berghütte. Viele hatten sich schon aufs Ohr gehauen, aber an einem Tisch in der Ecke saßen noch vier Leute. Drei von ihnen gehörten zu einer christlichen Gruppe, sie waren mit einem jungen Mann beim Essen oder beim Bier ins Gespräch gekommen.

Der Mann erzählte, dass er sich für das Mittelalter interessiere – so Dinge wie Rüstungen und Kettenhemden. Einer aus der Gruppe witterte die missionarische Möglichkeit und erklärte: Wir sind hier mit einer Gruppe und wir lesen in der Bibel. Da steht auch etwas von einer Rüstung drin, wie man sie im Mittelalter hatte. Das leicht überrumpelte Missionsopfer ignorierte den Einwurf und fuhr fort zu erklären, was ihn an den Waffen so faszinierte – Schwerter zum Beispiel. Ein anderer nutzte den neuen Einstieg als (von wem kann ich nicht mehr sagen) der Begriff “Damaszener” fiel – Damaskus kommt ja auch in der Bibel vor.

Unbeirrt kam der erste aus der frommen Truppe wieder auf Epheser 6 zurück, das er (ich wagte nicht hinzusehen) entweder vorlas oder auswendig konnte (Hut ab für diesen Fall). Diese “Waffen” müsse man gegen “Dämonen und den Teufel” einsetzen. Super! Der arme Mittelalterfan wich erneut freundlich aus und hatte spätestens da meine Sympathie ganz auf seiner Seite. Das Ende habe ich nicht mehr mitgehört, aber peinlich berührt war ich doch.

Will man das ganze nun sympathisch darstellen, könnte man auf die ähnlich unvermittelte Anknüpfung Jesu gegenüber der Frau am Jakobsbrunnen hinweisen. Doch da entwickelte sich das Gespräch etwas positiver nach dem anfänglichen an-einander-vorbei-Reden. Wenn man schon beim anderen an ein vorhandenes Interesse oder Bedürfnis anknüpfen möchte, muss man vielleicht einfach etwas besser zuhören, bevor man loslegt, und sollte nicht auf das erstbeste Stichwort anspringen. Oder man fragt gleich direkt, ob es dem anderen etwas ausmachen würde, einmal über Glauben und sein Verhältnis zu Gott zu sprechen? Dann kann er ja oder nein sagen und jeder weiß, was gespielt wird…

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Ganz schön runtergekommen

Zwei Tage eher als geplant ist die Bergtour in den Lechtaler Alpen für mich gestern zu Ende gegangen. Es lag nicht am Wetter oder fehlender Kraft, sondern daran, dass ich in den Hüttenlagern einfach nicht zum Schlafen kam. Ob es nun an den Schnarchern oder der stickigen Luft lag, ob die drangvolle Enge auf der Hütte eine leichte Platzangst bewirkt hat, ob ich zu viel Sonne abbekommen hatte oder die dünne Luft doch zu ungewohnt war, oder ob die Gedanken an die Anstrengungen des kommenden Tages keine Ruhe aufkommen ließen, kann ich nicht sagen. Daheim schlafe ich auch ab und zu schlecht, nur kann ich da aufstehen und lesen oder im Haus herum wandern. Auf eine Berghütte ist dafür kein Platz vorgesehen. Ein anderer Wanderer aus unserer Gruppe hatte Magenkrämpfe bekommen, so sind wir schließlich zu viert abgestiegen. Einerseits schade, weil das Wetter gut und die Landschaft ein Genuss war.

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Richtig interessant war die Erfahrung, geführt zu werden. Ich hatte die Route nicht ausgesucht und war an manchen Punkten mangels Erfahrung eher zögerlich, wenn mir das Tagesziel zu ehrgeizig vorkam. Sich der Führung eines anderen anzuvertrauen, wenn das eventuelle Strapazen einschließt, ist wirklich nicht ganz einfach. Einmal mussten wir umkehren, weil der Weg über die gesperrte Trittscharte nicht mehr weiter führte. Wir haben Zeit verloren und mussten im Nieselregen wieder kräftezehrend ab- und dann aufsteigen, um den Weg über einen anderen Grat fortzusetzen.

Und nachdem ich eine Weile still mit meiner Haltung gegenüber den anderen in der Gruppe und unseren (sehr besonnenen und fürsoglichen!) Anführer gerungen hatte, fiel mir auf, dass es manchen in der Gemeinde mit mir ganz ähnlich gehen muss: Die Sorge, dass für mich der Weg zu weit, das Tempo zu hoch oder der Aufstieg zu steil, die Pausen zu kurz, das Gepäck zu schwer und der zu erwartende Erfolg oder “Lohn” zu gering sein könnte, gibt es eben auch in anderen Zusammenhängen. Gut, dass sich die Verhältnisse bei solchen Gelegenheiten auch mal umkehren.

PS: Inzwischen habe ich eine lange Nacht wie ein Murmeltier (von denen wir viele gesehen und noch mehr gehört haben) geschlafen und trotzdem von meinem Großen, als er zum Mittagessen aufstand, einen Kommentar zu meinen Augenringen anhören dürfen. 😉

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