Pyrrhussieg

Nach einer Rauferei mit meinem halbstarken Sohn gestern ist meine ganze Nackenpartie lädiert und ich kann den Kopf nur mit Mühe hoch halten. Ich hatte vergessen, dass „nicht richtig stark“ in diesem Fall trotzdem „richtig schwer“ bedeutet; er hatte sich mit seinem vollen Gewicht auf mich gelegt, als ich arglos da saß. Da er aber eben doch nur halb stark ist, verlor er den anschließenden Kampf, einschließlich Revanche. Nur nützt mir das heute wenig…

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Fans von einander werden

Anlässlich einer Traupredigt habe ich über Hebräer 10,24 nachgedacht, wo es darum geht, auf einander zu achten und einander zu guten Taten anzufeuern. Wenn man das mal so kurz vor der WM mit Fußballfans – nicht mit Hooligans! – vergleicht (die Autorin bzw. der Autor des Hebräerbriefs macht ja auch Anleihen beim Sport), dann erkennt man einige Parallelen, die nicht nur, aber eben auch für Ehepaare gelten:

  1. Fan werden ist etwas lebenslängliches und Schicksalhaftes, für das man oft keine plausiblen Gründe angeben kann. Man muss nur mal Nick Hornbys “Fever Pitch” dazu lesen, um es zu verstehen. Ein Fan wechselt nicht einfach den Verein.

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Die Bibel leben

Lesslie Newbigin (ja, ich bin immer noch drüber) hat sehr anregende Gedanken zum Umgang mit der Bibel: “Unsere angemessene Beziehung zur Bibel ist nicht, dass wir sie von außen untersuchen, sondern dass wir sie ”bewohnen“ und aus ihr heraus das, was um uns her ist, zu verstehen und zu bewältigen suchen.

  1. Es bedeutet, in einer alternativen “Plausibilitätsstruktur” (grundlegende Annahmen, Denkvoraussetzungen, die unsere Sicht der Wirklichkeit bestimmen) zu leben, die von einer Gemeinschaft von Menschen verkörpert wird.
  2. Diese Plausibilitätsstruktur ist in ihrem Wesen Geschichte, so wie die Frage “wer bin ich” auch nur durch das Erzählen der eigenen Geschichte, also narrativ beantwortet werden kann.
  3. Dieser Geschichte anzugehören entnimmt uns nicht der Verantwortung für eigene (Fehl-) Entscheidungen, sondern sie schreibt sich fort durch unsere verantwortlichen Entscheidungen in Liebe und Gehorsam.

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Kreatives Neinsagen

Gestern bekam ich einen Anruf mit der Bitte, mir kurzfristig für ein bestimmtes Projekt etwas Kreatives einfallen zu lassen. Es war mir dann einfach zu viel Druck und ich habe abgesagt. Ein gutes Gefühl, weil mein Katalog unvollendeter Dinge schon groß genug ist.

Am Abend dann habe ich mich hingesetzt ohne an etwas besonderes zu denken und – plopp! – da war der Einfall. Jetzt bringe ich die Sache im übertragenen Sinne zu Papier (zu Platte müsste man eigentlich sagen) und es macht sogar Spaß.

Ich sollte öfter nein sagen. Es macht mich kreativer, wenn ich mal nichts schaffen muss.

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Der Altmeister

Bob Dylan, den der Independent respektlos schon zum 50. Geburtstag als “Rob Zimmerframe” bezeichnete, wird 65. Als heute morgen alle Hausbewohner in die Schule verschwunden waren, habe ich mir zum Gedenken eine Runde seiner Klassiker aus “Live at Budokan” gegönnt, richtig laut. Irgendwie fühle ich mich mit ihm verbunden, weil wir beide im gleichen Jahr (1979) zum Glauben fanden – freilich aus recht unterschiedlichen Richtungen.

Christsein ist laut Wikipedia immer noch ein wichtiges Thema, auch wenn Dylan nicht mehr mit der Tür ins Haus fällt wie in der Anfangszeit. Der australische Theologe Ben Myers hat als Hommage auf seinem Blog unter anderem ein paar kryptische Dylan-Zitate zusammengetragen.

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Zweifelhafte Typen

Der christliche Hype um Persönlichkeitstests ebbt schon seit einer Weile ab. Zu Recht, wenn man dem neuen Buch der Autorin Barbara Ehrenreich glaubt, dem die SZ einen Artikel widmet. Eine Art Realsatire über eine Session mit Coach Kimberley macht die Lektüre recht kurzweilig.

Das Enneagramm sei “eigentlich nichts weiter als ein Mischmasch windiger New-Age-Sehnsüchte nach mystischer Einheit, die dem Chaos menschlicher Erfahrung zugrunde liegen soll” und der in Unternehmen besonders beliebte Test nach Myers-Briggs besitze in seinen Typenkategorien auch nicht mehr Gültigkeit als die zwölf Tierkreiszeichen (und die sind ebensfalls sehr beliebt, wenn auch nicht unbedingt im gleichen Zusammenhang).

Zudem kommen bei wiederholten Tests nicht selten deutlich andere Ergebnisse heraus. Vielleicht sollten wir doch lieber auf das nicht immer leicht verdauliche Feedback echter Menschen hören, unsere Selbstwahrnehmung schärfen und Einzigartigkeit nicht mit der Zugehörigkeit zu einer Typenklasse verwechseln?

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Uns fällt die Decke auf den Kopf…

Die Angst der Gallier vor dem Himmel, der ihnen auf den Kopf fallen könnte, wurde heute mitten im Gottesdienst ganz plastisch nachvollziehbar. Etwaige Predigtschläfer wurden unsanft unterbrochen, denn rund zwei Quadratmeter Stuck lösten sich von der Decke und fielen zum Glück so herab, dass nach meinem augenblicklichen Wissensstand mehrere Erwachsene (danke, Gernot, für die Info!) blaue Flecken oder Prellungen und ein Baby einen Kratzer am Kopf davontrugen. Eine Person hatte eine Platzwunde am Kopf. Alles in allem trotzdem Grund, Gott dankbar zu sein für die Bewahrung. Da hätte sehr viel mehr und Schlimmeres passieren können. Ein bis zwei Kilo Gips und Mörtel aus 8m Höhe hätte auch tödlich sein können, gerade bei den Kleinen.

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Familiengeschichte in nuce

Nach gut 17 Jahren haben wir kürzlich unser altes Bett ausrangiert. Über 6000 Nächte (und Tage) hat es hinter sich und war gegen Ende etwas wacklig geworden. Es war das dienstälteste Möbelstück im Haus. Beim Zerlegen zogen Erinnerungen vorbei – an romantische Abende mit Kerzenschein und Weinglas, schlaflose Nächte wegen Sorgen oder quakender kleiner Quälgeister, diverse Krankheiten; an manche schwierige und viele gute Gespräche, an glückliches und ratloses Schweigen, Tränen und Gekicher, an Gähnen und müde Augen am Abend, verschlafenes Blinzeln am Morgen; an vier Kinder, die gestillt wurden, zum Kuscheln kamen, auf der Matratze hopsten oder getröstet werden mussten nach Kummer und Albträumen – und die unaufhaltsam größer wurden.

Keine Ahnung mehr, wie viele Bücher ich in diesem Bett gelesen habe, wie viele Ideen und Gedanken mir vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen gekommen sind und noch viel weniger, was ich in diesem Bett wohl so alles geträumt habe. Jetzt steht ein neues da – mit “Himmel”. Wenn das keine Verheißung ist…

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Nochmal Mafia: Spammer und Internet-Erpresser

Heute wurde mein Blog urplötzlich mit hunderten von Spam-Kommentaren bzw. Trackbacks regelrecht überfallen. Es hat mich ein Weilchen gekostet, die Sachen zu löschen und die Blacklist anzupassen. Aber ich war wohl nicht der einzige, den es erwischt hat (vgl. Daniels Kommentar unten).

Dazu passte recht gut die Meldung über den Untergang von Blue Security und den Hintergrund von Erpressung durch die russische Mafia. 75 bis 90 Prozent des weltweiten Mailverkehrs ist angeblich inzwischen Spam, und dahinter steht ein Milliardengeschäft. Mal sehen, ob sich jemand da heran wagt. Die CIA vielleicht oder der BND – das wäre mal ein sinnvoller Job für unsere Lauscherchen…

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Außenseiter

Heute hatte ich ein nettes Gespräch am Telefon mit einem evangelischen Pfarrer, der ein Jahr als “Pioniermissionar” (seine Worte) auf einer griechischen Insel tätig war und dort als Ausländer und Lutheraner mindestens so exotisch wie hier ein amerikanischer Pfingstler (auch der Vergleich stammt von ihm).

Als protestantischer Nord- bzw. Westeuropäer wurde er misstrauisch und kritisch beäugt und fand seinerseits eine etwas fremde, orientalische Art des Christseins, die in manchem schon an den Islam erinnerte (Ritualismus, Rolle der Frau etc.). Die Minderheitensituation, theologisch würden wir sagen: das Exil, hat einiges an neuen Gedanken angestoßen und alte vielleicht vertieft. Kein Wunder: Diese Erfahrung war ja auch schon zu Jeremias und Hesekiels Zeiten theologisch höchst fruchtbar.

Hinterher dachte ich mir: Vielleicht sollte so etwas Teil der Ausbildung des Pfarrernachwuchses sein, Leute mal eine Weile in eine solche Situation zu schicken? Solche Lernerfahrungen könnten doch ein Gewinn für alle sein.

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Verschwörungen

Eine nette Auflistung der Top Ten unter den Verschwörungstheorien gibt es anlässlich des Kinostarts von “Sakrileg” in der SZ (Wenn man den ersten Kritiken glauben kann, wird der Film hinter der Werbekampagne zurückbleiben. Zumindest in Cannes hat er offenbar nicht gerade eingeschlagen).

Meine Lieblingsverschwörung ist : Bielefeld gibt es gar nicht 😉 Oder war jemand schon mal da? Und wenn ja – war das wirklich Bielefeld?

Eine andere Quelle von Verschörungstheorien ist derzeit der Fußball. Wenn ein Spieler nicht mir zur WM darf, wird von irgendwem behauptet, den Ausschlag hätten gar keine sportlichen Gründe gegeben. Das wird aber doch inzwischen langweilig. Jemand sollte mal ein paar neue Ideen ins Spiel bringen – fragen wir mal in Hollywood 🙂

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Immer in Beziehung

Lesslie Newbigins “The Gospel in a Pluralist Society” ist anspruchsvolle und vor allem ansprechende Lektüre. Nach ein paar Seiten muss ich das Buch immer wieder weglegen und eine Weile drüber brüten. Hier zum Beispiel stellt er den abstrakten Konstruktionen des neuzeitlichen Individualismus die geschichtlich-sozialen Konkretionen des hebräischen Denkens entgegen. Es geht also um mehr als um “Gott und die Seele”:

Im Unterschied zu sowohl der indischen als auch der westlichen Ansicht gibt es hier keinen Versuch, die menschliche Person als autonomes Individuum zu sehen, und die menschliche Beziehung zu Gott als Beziehung eines einzelnen zu einem einzelnen. Von Anfang an sieht die Bibel das menschliche Leben unter dem Gesichtspunkt von Beziehungen. Es gibt keinen Versuch, die Zufälligkeiten der Geschichte abzustreifen, um so die Essenz des Menschseins zu finden. Menschliches Leben wird im Sinne wechselseitiger Beziehungen gesehen: Erstens, die grundlegendste Beziehung zwischen Mann und Frau, dann zwischen Eltern und Kindern, dann zwischen Familien, Sippen und Völkern. Die Bibel spricht nicht über die “Menschheit”, sondern über “alle Familien der Erde” oder “alle Völker der Erde”. Daraus folgt, dass die wechselseitige Beziehung, diese Abhängigkeit des einen vom anderen, nicht nur ein Teil des Weges zum Ziel der Erlösung, sondern im Ziel selbst begründet ist.

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“Mach doch, was du willst”?

Hin und wieder stolpere ich über eigenartige Formulierungen beim Beten und frage mich, was da an unausgesprochenen Gedanken dahinter steht. Ich hatte in Berlin (nett: Bundespressestrand) ein interessantes Gespräch mit Bernd Oettinghaus zu dem Thema. Ein Beispiel sind die super-allgemeinen Pauschal-Gebete: Segne alle Kranken, tröste alle die traurig sind, lass überall Frieden kommen, löse alle Probleme, mach alles gut. Einerseits will man niemanden ausschließen, andererseits macht man sich nicht mehr die Mühe, noch irgendwo konkret zu werden. Es erinnert eher an das obligatorische “Ich bin für den Weltfrieden” aus Miss Undercover. Politisch korrektes Beten halt. Aber es rechnet ja auch niemand damit, dass diese Art von Gebet tatsächlich erhört wird.

Das andere, was mich immer wieder wundert, ist die Annahme, dass Gottes Wille von allein geschieht. Oder umgekehrt: Das alles, was geschieht, Gottes Wille ist, nur weil es eben “passiert” (das ist ein besserer Begriff: Gott lässt es durchgehen, aber will er es wirklich…?).
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mafiöses Christentum?

Am Sonntag habe ich mich mit der Geschichte Jesu über die Winzer-Mafia beschäftigt. Die sizilianische Mafia ist ein brutales System von Ausbeutung und Schattenwirtschaft, ein von Seilschaften beherrschter Staat im Staate, der nicht vom Volk, sondern vom autoritären Paten kontrolliert wird, die ihre eigenen Gesetze machen. Und in Markus 12 steht der Missbrauch von Vertrauen und Privilegien in Zentrum. Die Jerusalemer Priester- und Schriftgelehrtenmafia reagiert auf die Kampfansage sofort und mit drastischen Mitteln.

Natürlich ist der Bezug in Jesu unmittelbare Situation vorherrschend. Und doch geht es um mehr als um einen historischen Rückblick. Paulus schreibt ja in 1.Korinther 10 davon, dass Israels Irrwege uns als Beispiel dienen sollten, aus dem wir lernen. Vielleicht kann man es daher so sagen: Mafiöses “Christentum”…
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