Die Sprache der Anbetung ist ja die Sprache der Liebe und der Poesie – Logik ist da erst mal zweitrangig. Heute morgen etwa sangen wir den Satz „Du bist mein Stecken und mein Stab“, in einer Adaption von Psalm 23. Trotzdem: Gott als mein Stecken… ?
Aber auch die Poesie wäre ausbaufähig. Frische Worte und schöpferische sprachliche Bilder täten vielen Liedern gut. Sonst kommt es irgendwann noch so weit, dass unsere Gemeindeglieder anfangen, Worship Bingo zu spielen. Die Regeln sind die gleichen wie hier, nur die Begriffe sind andere, und wer seinen Zettel als erste(r) voll hat, ruft natürlich „Halleluja“.
Ach ja, ach ja. Da fällt mir doch wieder das durchaus diskutable Buch von Herrn Malessa ein: Lobpreis wie Popcorn, oder so ähnlich. Es ist so einfach, zu kritisieren. Natürlich könnte/müsste/sollte das alles viel besser gemacht werden und ganz besonders in Deutschland. Frischer, poetischer, ergreifender, was auch immer. Wer fängt an? Und – ist das wichtig?
Ganz ehrlich – inzwischen vermute ich, dass der deutschen Sprache als solches der Wortschatz der Anbetung Gottes nicht immanent ist, irgendwie fremd, fast peinlich berührend. Weil das kaum jemals bedeutender Teil unserer Kultur gewesen ist (Ausnahmen wie Paul Gerhardt bestätigen eher die Regel). Im Englischen oder Spanischen (mehr kann ich nicht beurteilen) ist vieles so viel selbstverständlicher, sprachlich so viel leichter, da haben wir es in diesem Land der eingebildeten Hochkultur ungleich schwerer. Und das Problem der leicht bräsigen deutschen Texte gab es schon immer, auch zu Gerhardts Zeiten schon. Vieles Gute hat aber überlebt. Also, so what? Warum das ewige Lamento über den sprachlich mängelbehafteten Lobpreis?
Ich bin heilfroh, dass sich unser Herr und Gott relativ wenig um unsere sprachlichen Beschränkungen zu kümmern scheint, und dass er mich immer wieder (auch mal durch sprachlich eher bescheiden ausgestattete) Lobpreislieder besonders berührt und angesprochen hat. Mehr, als das die geschliffenen Formulierungen eines Redners oftmals vermögen. Weil ich eben nicht nur Verstand bin, sondern auch Emotion und Herz.
Und dann gibt es Situationen, wo ich mich wie der Psalmist einfach an der Gewissheit freuen kann, dass Gott soweit zu uns herunterkommt, dass er nicht nur Füße waschen, sondern eben auch mein Stecken und mein Stab sein möchte (oder sprachlich korrekter: uns Stecken und Stab zur Verfügung stellen möchte – so besser?), auf dem ich in dem Wahnsinn dieses Lebens von Zeit zu Zeit innerlich ruhen kann. Was für ein schönes Bild.
Also, lieber Peter: du kannst so gewandt formulieren. Tritt hervor und lass aus deiner leicht ironischen Kritik etwas Schöpferisches werden: überrasche die Gemeinde der deutschen Christenheit mit einem mitreißenden und bewegenden Anbetungslied, das auch die Intellektuellen unter uns (unter euch) selbst nach kritischer Reflexion mit Freude mitsingen können, dann darfst du mit Recht sticheln, soviel du willst 😉
Greetingz
@Simon: Im Bild des Psalms trösten Stecken und Stab nur in der Hand des Hirten, weil er damit die Herde im finsteren Tal beschützt. In der Hand (oder besser: Huf) des „Schafes“ ergibt das alles leider gar keinen Sinn, wie man es auch dreht und wendet. Ruhen darfst du natürlich auch, aber lieber am gedeckten Tisch – der kommt ja dann gleich darauf noch vor.
Ich fordere ja gar keine große Kunst (die ist ja dann auch gleich dem Verdacht ausgesetzt, „eingebildet“ zu sein, wenn ich Deine Zeilen lese), etwas besseres Handwerk wäre doch schon was. Und Bibeltexte, wenn man sie schon verwurstet, halt irgendwie auch ernst zu nehmen, statt sich nur Stichworte daraus zu klauen.
Nachdem wir trotz „Totaaal ernst gemeint“ in der Dikussion ernst(er) werden:
Ich glaube, die Stilistik (ist Deutsch oder Englisch smarter) ist eine nachgelagerte Frage. Ansatzpunkt sind die Inhalte. Und da steckt der „Lobpreis“ aus meiner Sicht in einer Sackgasse. Wie können wir die Beziehung zu Gott, zu den Menschen und zur Welt angemessen versprachlichen?
Zwei Anregungen aus Büchern, die auch hier schon diskutiert wurden (Thomas Halik, Geduld mit Gott; Peter Rollins, How (Not) to Speak of God):
Gott nicht definieren wollen: Viele Lieder arbeiten mit einer ganz starken und teilweise penetranten Sicht, wie Gott (wirklich) ist. Das langweilt auf die Dauer (sorry) und schafft es auch kollosal, andere Menschen, die diese Erfahrungen nicht teilen, auszuschließen.
Und die Kehrseite: Gott als Geheimnis stehen lassen. Bei allem, was wir erfahren, können wir ihn nicht einfangen. Vor vielem bleiben wir ratlos stehen. Und er ist immer auch „ein Gott der anderen“, das heißt: Der „fromme“ Horizont, der in den Liedern typischerweise vorkommt, ist doch sehr viel weiter.
Das ist auch noch nichts Konkretes, weist aber für mich in eine Richtung. Jetzt wäre Experimentierfreude gefragt.
Und noch ein letzter Punkt: Ich glaube, dass Liturgie auch deswegen wieder so im Kommen ist, weil sie unsere Sprachlosigkeit gegenüber Gott in passende Worte packt.
@Peter:
> dem Verdacht ausgesetzt, “eingebildet” zu sein, wenn ich Deine Zeilen lese
Nö, weder gedacht, noch geschrieben. Da liegt ein Mißverständnis vor.
Und das mit dem besseren Handwerk wäre natürlich wünschenswert. Trotzdem bleibt mein Hinweis, dass die deutsche Sprache in dieser Hinsicht kompliziert und schwierig zu händeln ist. Der Zugang zu diesen „göttlichen“ Inhalten fällt so schwer, dass sich in den letzten drei Jahrzehnten ein leicht merkwürdiges Anbetungsdeutsch entwickelt hat. Was sich aber anscheinend manchmal nicht vermeiden ließ.
Mir stößt sprachlich z.B. das Lied auf: „Würdig das Lamm, zu nehmen“ usw. (oder war es „Würdig, das Lamm zu nehmen“?) . Mit Gästen im Gottesdienst würde ich dieses Lied äußerst ungern singen wollen. Aber das ist der reine Bibeltext, der in fast allen Übersetzung so oder ähnlich wiedergegeben wird. Wenn man das in der Offenbarung liest, fällt die Schwierigkeit der Sprache in diesem Kontext nicht weiter auf. Wenn man es aber singt, macht man sich die Worte zu eigen und merkt, wie schlecht dieser Schuh oft sitzt.
Mein Vorschlag daher: man muss nicht aus allen Worten ein Lied machen. Wir sollten es uns leisten, den ein oder anderen Bibeltext einfach mal in der Bibel zu belassen, um ihn nicht zu profan werden zu lassen. Und einiges von dem, was wir da singen (oder nicht) werden wir sowieso erst in einer anderen Zeit richtig erfassen können…
„Das Göttliche“ mit menschlichen Dimensionen vernünftig zu beschreiben, wird immer eine unlösbare Herausforderung bleiben. Also mache ich niemandem einen Vorwurf, der das aus eigenem Erleben heraus in aller sprachlichen Schlichtheit (und theologischen Begrenztheit) versucht. Wenn das von Herzen kommt, ist es von der Wahrheit keinen Deut weiter entfernt, als ein poetisch ansprechender und theologisch (nach derzeitigem Kenntnisstand) korrekter Text, der mit reichem Wortschatz das bebildert, wofür es ohnehin keine passenden Bilder gibt.
Und aus diesem Grund halte ich das Be- und Verurteilen von Anbetungsmusik inzwischen für nicht hilfreich. Wenn Menschen Gott loben mit den (wenn auch bescheidenen) Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, ist das in Ordnung. Niemand zwingt mich, diese Erzeugnisse dann auch selber singen oder vortragen zu müssen. Aber ich will die Absicht der Komponisten wenigstens respektieren.
@Simon: das das alles gut gemeint ist, darin sind wir uns ganz einig. Auch darüber, dass es schlicht miese Übersetzungen gibt (ob aus dem Englischen oder dem Griechischen ist dabei egal).
Wenn jemand seine bescheidenen Mittel ausreizt und es kommt nicht mehr heraus, auch fein. Aber manchmal befürchte ich, es ginge durchaus besser, aber der Wille fehlt, den Texten so viel Sorgfalt angedeihen zu lassen wie der Musik und der Produktionsqualität.
Und Dein Hinweis auf Gäste deutet ja die Problematik an, die Paulus auch im 1.Kor 14 anschneidet: Verständlichkeit für Außenstehende ist ein geistliches Kriterium, und wenn wir uns darum bei aller Inbrunst nicht auch kümmern, dann läuft die Anbetung Gefahr, wie bei Amos zum „Geplärr“ oder zum paulinischen scheppernden Gong zu werden.
@Peter: Gut gesagt. Ich vermute auch, dass wir in D im Bereich der Worship-Produktionsqualität inzwischen ein erheblich höheres musikalisches Niveau pflegen, als im textlichen Bereich. Da wäre mal eine Aufholjagd angesagt. Zu oft heißt es wohl: da gibts gerade einen neuen tollen Song von Tomblin/Redman/Bluemen…, muss also schnellstens eine Übersetzung her. Na ja, so hört es sich dann auch allzu oft an und das ist wirklich schade. Und das meinte ich auch nicht mit meinem „von Herzen und aus eigenem Erleben“.
Aber das gabs auch früher. Seit ein paar Tagen geht mir plötzlich ein wunderschöner alter amerikanischer Choral durch den Kopf: „Great is thy faithfulness“. Irgendwie aus meiner Kindheitserinnerung an die Oberfläche geschwemmt. Textlich wie auch musikalisch höchst wertvoll, aber leider völlig in Vergessenheit geraten. Ich krieg ihn nicht mehr aus dem Kopf. Und dann fiel mir Stück für Stück wieder die deutsche Übersetzung (ich glaub aus den 60ern) ein: „Bleibend ist deine Treu“. Argghhh. Schlecht übersetzen ging also auch schon in der Prä-Worship-Ära. Tröstlich, irgendwie.
Paul Gerhardt ist keine Ausnahme, sondern ein Höhepunkt.
Luther hat das evangelische Kirchenlied erfunden und die deutsche Sprache eignet sich hervorragend dafür. Alle Sprachen eignen sich. Nur muss es handwerklich was taugen.
Wenn so mancher Fließbandkram beim Übersetzen ins Deutsche peinlich klingt, liegt das vor allem an der schlechten Qualität des Liedes.
Ein Beispiel für ein hochwertiges aktuelles deutsches Lied ist „Wie ein Fest nach langer Trauer“ von Jürgen Werth.
@Daniel: „aktuelles deutsches Lied“ ist vielleicht doch nicht der passende Ausdruck: Das Lied habe ich schon in meiner Jugendzeit gesungen, und die ist immerhin über 20 Jahre her 😉
und in welchem Punkt ist das Lied veraltet?