Vor kurzem hatte ich hier schon – nicht zum ersten Mal – das Problem von Form und Inhalt bedacht. Man stößt auch bei gut gemeinten, aber naiven (und in dieser Naivität auch problematischen) Versuchen von „Kontextualisierung“ auf die irrige Vorstellung, man kenne den Inhalt des Evangeliums hinreichend gut, um ihn objektivieren zu können. Aus einer Botschaft, deren primäres Subjekt Gott ist und bleibt, wird nun ein „Stoff“, den man bearbeiten kann und darf, ein Prozess, dessen Subjekt dann der jeweilige Mensch wird. Karl Barth sieht darin die Grundversuchung des theologischen Konservativismus und schreibt:
wie man die Menschen dieser Gegenwart mit der Kunde von diesem Objekt am besten erreichen, am sichersten für das gewinnen könne, was man für dessen eigene, sichere, keiner Erneuerung bedürftige Erkenntnis halten zu sollen meint, wurde und wird jetzt die Frage. Vermeintlich schon wissend um das, was in der Bibel steht und dann auch schon wissend um den Sinn der ganzen communio sanctorum, aber eben: auch dem Evangelium selbst gegenüber auf hoher Warte, meinte und meint man, nach dieser Seite mit freiem Rücken, munter verfügend zur Tagesordnung, nämlich zur zeitgemäßen Übersetzung, Interpretation und Applikation jenes bekannten Textes, zur kritischen Verarbeitung und Nutzbarmachung jenes Objektes übergehen zu können. (KD IV,3 S. 937)
Mir begegnet das gar nicht selten, dieser Drang von Menschen, sich einer Sache theologisch zu bemächtigen, um „endlich“ zur Anwendung vorzudringen. Das ungute an diesem Pragmatismus (unpraktisch und vage zu bleiben ist durchaus auch eine Versuchung der Christen) liegt darin, dass man sich dabei in eine Situation bringt, in der nur Gewissheiten zählen. Folglich werden die eigenen Ungewissheiten nicht als Chance erkannt, Gott neu zu hören und zu begegnen, sondern nur als lästige Hindernisse auf dem Weg zur Praxis, die alleine zählt.
So gesehen könnte die größte Versuchung die sein, dass man auf die Frage „Was ist das Evangelium?“ wie aus der Pistole geschossen mit drei Sätzen (um mal nicht von vier Gesetzen zu reden) antworten zu können meint…
Das ist schön gesagt. Vielleicht wäre das eine Antwort zum Thema Inkuturarion: müssen wir vielleicht einfach lernen zu stottern, wo wir gewohnt waren mit fester Stimme zu reden? Müssen wir die Verwirrung aufzuhalten lernen, insofern uns die Verwirrung – im Sinne Barths – zu Gott treibt. Naja vielleicht wird mich eines Tages doch mal Barth beginnen zu gefallen.