Weisheit der Woche: Wahrheit als Beziehung

Ich fürchte, wir werden immer Widerstand entwickeln gegen Wahrheit als Beziehung und als Praxis und es vorziehen, Wahrheit mit abstrakten Ideen zu verbinden. Abstrakte Aussagen bieten dem Ego eine Menge Vorteile: Wir können scheinbar alles im Griff behalten; wir können vom Kopf her leben; wir können es vermeiden, ganz grundsätzlich oder wenigstens einen bestimmten Menschen zu lieben; wir können jeglichem Humor, jedem Paradox und aller Freiheit aus dem Weg gehen. Dann gestehen wir nicht einmal mehr Gott die Freiheit zu, über die Stränge unserer abstrakten theologischen Schlussfolgerungen zu schlagen.

Richard Rohr, Ins Herz geschrieben, S. 103

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2 Antworten auf „Weisheit der Woche: Wahrheit als Beziehung“

  1. Dieser Abschnitt liest sich sehr nett, bleibt aber insgesamt schwammig.
    Wahrheit in Bezug auf Aussagen und Urteile zu definieren, ist schon problematisch, obwohl man hier in der Regel durch Argumente und rationalen Diskurs zu intersubjektiv nachvollziehbaren Erkenntnissen gelangen könnte. Da Beziehungen und Praxis immer zumindest annähernd auf Theorien gründen, schafft es doch mehr Klarheit, wenn sich die Wahrheitssuchenden erstmal auf diesem Feld betätigen und zu Erkenntnissen mit objektiver Gültigkeit gelangen. Das ist nach meiner Ansicht keine Flucht, sondern ein notwendiger Schritt, um überhaupt über Wahrheit zu kommunizieren. Und überdies hat diese Wahrheitssuche ja immer Auswirkungen auf die Praxis und damit auch auf Beziehungen. In dem zitierten Abschnitt von Rohr könnte man das Wort „Wahrheit“ ohne Einschränkungen durch „Liebe“ ersetzen, und damit hätte Richard Rohr dann auch recht. Ob das so gewollt ist?

    1. @k.arola: Es lohnt sich mit Sicherheit, Rohr im Original zu lesen. Er gibt dem existenziellen Erkennen den Vorzug vor dem rein intellektuell-kognitiven. Oder um es mit Buber zu sagen, er betont die Dimension des Ich-Du Verhältnisses und betrachtet das Ich/Es und damit den Dualismus Subjekt/Objekt als nachgeordnet. Die „Schwammigkeit“ gehört insofern dazu, dass sich die Wahrheit zwischen Gott und Mensch eben nicht auf eindeutige Formeln reduzieren lässt…

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