Authentizität ist eine terroristische kulturelle Idee. Sie zwingt einen, nach der Quintessenz des eigenen Wesens zu suchen: Aber oft gibt es diese Quintessenz nicht. Gefühle, ebenso wie Menschen, sind Größen, die sich verändern.
Die Soziologin Eva Illouz im äußerst lesenswerten Interview mit Spiegel Online
und nicht nur das: Die Behauptung von A. war auch schon immer ein Macht- und Rechtfertigungsinstrument, um seine Agenda durchzubringen. Wirklich der schlimmste Begriff ever, grade in kirchlichem Umfeld nicht totzukriegen.
Frage: Ist Authentizität nicht das Gegenteil von Heuchelei? Warum spricht Authentizität gegen Veränderung von Gefühlen und Menschen?
Antwort: Nein, es ist komplizierter. „Heuchelei“ wäre ja nur eine bewusste Täuschung anderer. Wo aber die Forderung nach Authentizität erhoben wird, ist in der Regel auch eine Abwertung sozialer Rollen impliziert, die das Verhalten beeinflussen. „Authentisch“ wäre dann ein postuliertes Verhalten, dass unabhängig ist vom Kontext, in dem man sich bewegt, und damit ist man sofort auf die momentane Stimmungslage zurückgeworfen, die es nach außen widerzuspiegeln gilt. Oft genug ist aber das Innenleben für mich selbst ein Rätsel. Da liegt die Überforderung – die Erwartung ist nicht einlösbar.
Hier habe ich noch ein paar weitere Überlegungen zum Thema, aber vielleicht hilft dieses Zitat von Richard Sennett weiter, der über das Dilemma dieses Wunsches nach Unmittelbarkeit von Selbstoffenbarungen folgendes beobachtet:
Am häufigsten erlebt der Betroffene den Narzissmus als einen Verkehrungsprozess: Wenn ich bloß mehr empfinden könnte, oder wenn ich bloß wirklich empfinden könnte, dann könnte ich eine Beziehung zum anderen aufnehmen oder eine »wirkliche« Beziehung zu ihm unterhalten. Aber im Augenblick der Begegnung habe ich jedesmal das Gefühl, nicht genug zu empfinden. Der manifeste Gehalt dieser Verkehrung ist eine Selbstanschuldigung, aber dahinter verbirgt sich das Gefühl, von der Welt im Stich gelassen zu sein.
Vielen Dank für die Erklärung -das macht Sinn.