Vorsprung durch Bescheidenheit

Was für eine Woche: Papst Franziskus hat die Amerikaner und die Staatschefs der UN-Generalversammlung eindringlich an Ihre Verantwortung für den Klimawandel erinnert. Und an dessen soziale Dimension: Die globalen Folgen treffen gerade die Armen besonders hart. Für den Papst ist das ein drängendes Thema, zu dem man als Christ nicht schweigen kan. Die religiöse und republikanische Rechte in den USA schäumt deshalb, er solle sich lieber darum kümmern, „Seelen in den Himmel“ zu bekommen (in Deutschland liest sich das, in etwas moderaterer Diktion und anderer tagespolitischer Stoßrichtung, dann so).

Deutschland hat in Sachen Klimaschutz ja ein paar positive Dinge zu vermelden. Gegenläufig waren allerdings die Emissionen im Straßenverkehr. Die Ursache dafür sind die immer schwereren Fahrzeuge und die immer leistungsstärkeren Motoren, die unsere Autoindustrie verkauft. Und die Tatsache, dass über den tatsächlichen Spritverbrauch und Schadstoffausstoß gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Die Bundesregierung hat das Greenwashing bekanntlich nicht etwa bekämpft, sondern aktiv gefördert und allen einen Bärendienst erweisen. Daran hat uns der VW-Skandal eindringlich erinnert.

Die Industrie hat sich an Mogeleien gewöhnt und, wie es derzeit aussieht, noch ein paar neue erfunden, anstatt sich ernsthaft darum zu bemühen, sparsame Autos zu bauen. Ein Kommentator schrieb diese Woche treffend, VW habe den Autos das Lügen beigebracht. Wertvolle Zeit und Energie, um sich für den überfälligen technologischen Wandel zu rüsten, wurde vertan. Aus einem Vorsprung durch Technik wurde ein Rückstand durch Täuschung.

Deutschland ist in Sachen Autos ungefähr so rational wie die Amerikaner bei Schusswaffen. Der Autokauf ist eine emotionale Sache und, abgesehen von der Finanzierung, keine Frage der Vernunft: Unsere Hersteller verkaufen Gefühle statt Transportmittel, sie werben mit grenzenloser Freiheit und ungetrübtem Fahrspaß und setzen das gekonnt ins Bild, die Autotester der großen Verlage begeistern sich in ihren Kolumnen für die schnellen und schnittigen Modelle mit besonders üppiger Ausstattung. Sparsamkeit und Effizienz taugen allenfalls für Fußnoten. Die (emotionale) Wirkung auf den Fahrer steht im Zentrum, die Wirkung auf Umwelt und Mitmenschen ist seltener von Interesse.

Der Papst hingegen fährt im Kleinwagen durch die Staaten. Auch er weiß, dass sein Weckruf an die Welt Bilder braucht. Es ist Zeit, seinem Beispiel zu folgen. Vielleicht fährt er dann eines Tages auch mal einen VW.

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3 Antworten auf „Vorsprung durch Bescheidenheit“

  1. Zu VW:
    Ich fahre einen Golf und bin sehr zufrieden damit.
    Immer wenn etwas passiert, wie jetzt eben dieser Skandal, dann gewinnt man den Eindruck alles sei schlecht, ist aber nicht so.
    Mein Golf ist gut. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.
    Gesegneten Sonntag.

  2. Wissen Sie, ich hab mich vorhin nicht getraut zu fragen. Der Papst hat über die Verpflichtung zum Umwelterhalt gesprochen und dem Menschen als Teil der Umwelt, ja. Ein Aspekt. Er äußerte sich aber auch zum Kriegsgeschehen und der Verantwortung der Weltgemeinschaft gemeinschaftlich für Frieden zu sorgen. Er sprach über „Mächte“, Ihr Thema (?) und zum Thema Wohlstandsgesellschaft und Armut und dem allgemein zu sichernden Recht auf Bildung. Er äußerte sich zum Thema Religionsfreiheit, zur Verfolgung von Minderheiten und zur Verpflichtung der Gemeinschaft diese zu schützen (mein Thema „Man kann auch Christen retten.“). Und dann sagt er dies:
    „Zu diesem Zweck muss die unangefochtene Herrschaft des Rechtes sichergestellt werden sowie der unermüdliche Rückgriff auf die Verhandlung, die guten Dienste und auf das Schiedsverfahren, wie es in der Charta der Vereinten Nationen, einer wirklich grundlegenden Rechtsnorm, vorgeschlagen wird. Die Erfahrung aus den siebzig Jahren des Bestehens der Vereinten Nationen ganz allgemein und im Besonderen die Erfahrung aus den ersten fünfzehn Jahren des dritten Jahrtausends zeigen ebenso die Wirksamkeit der vollen Anwendung der internationalen Normen wie auch ihre Wirkungslosigkeit, wenn sie nicht eingehalten werden. Wenn man die Charta der Vereinten Nationen mit Transparenz und Aufrichtigkeit und ohne Nebenabsichten als obligatorischen rechtlichen Bezugspunkt beachtet und anwendet und nicht als ein Mittel, um unlautere Absichten zu tarnen, erreicht man Ergebnisse des Friedens. Wenn man hingegen die Maßgabe mit einem einfachen Mittel verwechselt, das man gebraucht, wenn es sich als günstig erweist, und umgeht, wenn es das nicht ist, öffnet sich eine wahre „Büchse der Pandora“ voller unkontrollierbarer Kräfte, die den wehrlosen Bevölkerungsschichten, der kulturellen Umwelt und sogar der biologischen Umwelt schweren Schaden zufügen.
    Die Präambel und der erste Artikel der Charta der Vereinten Nationen weisen auf die Grundsteine des internationalen Rechtsgebäudes hin: Friede, friedliche Lösung der Kontroversen und Entwicklung von freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Nationen. Zu diesen Aussagen steht die immer gegenwärtige Tendenz zur Verbreitung von Waffen – besonders solcher zur Massenvernichtung wie es die Atomwaffen sein können – in starkem Kontrast und verleugnet sie in der Praxis. Eine Ethik und ein Recht, die auf der Bedrohung gegenseitiger Zerstörung – und möglicherweise einer Zerstörung der gesamten Menschheit – beruhen, sind widersprüchlich und stellen einen Betrug am gesamten Gefüge der Vereinten Nationen dar, die zu einer „Vereinigung von Nationen aufgrund von Furcht und Misstrauen“ würden. Man muss sich für eine Welt ohne Atomwaffen einsetzen, indem man den Nichtverbreitungsvertrag dem Buchstaben und dem Geist nach gänzlich zur Anwendung bringt bis zu einem völligen Verbot dieser Instrumente.“

    Meine Frage (Bitte nicht als Kritik verstehen, denn ich frage tatsächlich ganz sachlich.): Was machen diese Themen (neben dem Thema Umweltzerstörung ) mit Ihnen?

    Danke.

    http://de.radiovaticana.va/news/2015/09/25/papstrede_vor_der_uno/1174603

    1. Es ist ganz einfach so, dass es immer mehr Dinge gibt, über die zu diskutieren sich lohnt, als ein einzelner wie ich bewältigen kann. Von daher hat meine Themenwahl immer etwas Willkürliches. Ein allgemeines Kompendiums von Theologie und Ethik kann und soll dieser Blog also gar nicht sein.

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