Romano Guardinis Die Lebensalter gehört zu den Büchern, die man wenigstens alle drei bis fünf Jahre wieder lesen sollte. Auf den wenigen Seiten findet man so viel hochverdichtete Weisheit, dass jeder neue Durchgang wieder frische Offenbarungen vermittelt. Zum Beispiel darüber, warum wir es uns nicht leisten können, alte Menschen zu vernachlässigen:
Im Übrigen darf nicht vergessen werden, dass die Pflicht des lebensstarken Menschen gegenüber dem alten nicht nur für den letzteren wichtig ist… Gesundheit […] kann den Menschen roh, und, in einem tiefen Sinn, dumm machen. Der antike Weise würde sagen: sie macht ihn anfällig für das Schicksal. Die Sorge für den Schwachen schützt den Starken selbst. Indem dieser die Hilfsbedürftigkeit des Alten versteht und durch Rücksichtnahme auf ihn die eigene Lebensungeduld mäßigt, wird er vor vielem bewahrt, was ihn zu Fall bringen kann.
… der Mensch, der es ablehnt, dem sinkenden Leben gut zu sein, und der fortschreitenden Einengung, die es erfährt, zu Hilfe zu kommen, versäumt eine wichtige Chance, zu verstehen, was überhaupt Leben ist, wie unerbittlich seine Tragik, wie tief seine Einsamkeit, und wie sehr wir Menschen miteinander solidarisch sind.