Unanständige Werbung

Heute flatterte mir mal wieder ein Flyer für ein christliches Trainingsprogramm ins Haus, der rhetorisch nicht gerade bescheiden daherkam. Dinge, an denen manche Leute, die ich lange kenne und deren geistliche Reife ich wirklich schätze, Jahre arbeiten (und auch dann mit recht unterschiedlichem „Erfolg“) erschienen da als Resultate eines recht überschaubaren (aber nicht ganz billigen) Prozesses.

Und ich fragte mich beim Durchlesen: Darf man so etwas eigentlich versprechen, wenn dass zum Teil doch eher Dinge sind, die nur Gott tun kann? Gibt es eine Art freiwiliige Selbstkontrolle christlicher Einrichtungen, die solche Dokumente prüft und gegebenenfalls beanstandet, oder kann jeder schreiben und versprechen (beziehungsweise mehr oder weniger unverblümt in Aussicht stellen), was er will?

Um nicht falsch verstanden zu werden: Manche Dinge können wir tatsächlich „machen“ und das darf man auch gern versprechen. Gute pädagogische Konzepte zum Beispiel oder professionelle Musik. Andere Dinge können wir nicht machen: Ob jemand die professionelle Musik schön findet oder davon emotional tief berührt wird, ob Gemeinschaft tatsächlich als authentisch empfunden wird, das liegt nicht in unserer Hand. Noch viel schwieriger ist es, wenn wir mit göttlichen Offenbarungen und Einblicken winken.

Wir dürfen uns gern vor Gottes Karren spannen lassen. Aber umgekehrt geht das eben nicht. Wie bei dem unsäglichen „die Bibel garantiert es“ zum inzwischen sang- und klanglos verstrichenen Weltuntergangstermin am letzten Wochenende. Die Leute, die darauf hereingefallen sind, haben vielleicht schon lang zu viel fromme Propaganda konsumiert, die mit nicht gerade bescheidenen sprachlichen Mitteln ihre von keinem Zweifel angenagten Gewissheiten von sich gab.

Auch deswegen wäre eine Selbstkontrolle gut. Sie hilft, unnötigen Frust zu verhindern.

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5 Antworten auf „Unanständige Werbung“

  1. Ich vermute, dass die christliche Szene zu vielfältig ist, um eine solche Selbstkontrolle zu etablieren. Welches Gremium wäre denn anerkannt genug, um so etwas in die Hand zu nehmen? Vielleicht sollte man fragen, welche Menschen besonders disponiert sind, auf solche Versprechungen reinzufallen und dann Gegenstrategien entwickeln, die dann aber vor Ort – in den entsprechenden Gemeinden und Gemeinschaften – umgesetzt werden müßten.

    Naheliegend wäre, dass Menschen, die wenig Selbstwertgefühl haben, sich auf solche Programme einlassen – also eine ähnliche Struktur wie bei Mißbrauchsmustern.

  2. @Cla: Prima, dann hätten wir das ja geklärt 🙂

    @Iwe: Ich sortiere solche Werbung in der Regel gleich aus. Wenn ich sie schon nicht verhindern kann, verbreiten muss ich sie nicht. Als gemeindliche Gegenstrategie fällt mir nur ein, selber bei einem gesunden Realismus zu bleiben.

  3. Gesunder Realismus ist kein schlechter Anfang, scheint mir aber zu unspezifisch im Hinblick auf das geschilderte Problem.

  4. Die „christliche Subkultur“ ist letzten Endes auch ein ganz normaler Markt mit entsprechender Segmentierung. ( das Gebet des Jabez-Duschgel, Die 5 Sprachen der Liebe für Zierfische etc. ) Deshalb kann man dort halt (leider ) – wie in anderen Märkten auch – unseröse und unanständige Teilnehmer beobachten. Die absolute Krönung fand ich kürzlich in einem Prospekt in Idea wo ein Kongress über Märtyrer in eine schönen Tagungsstätte mit Vollpension angeboten wurde – mit 10% Frühbucherrabatt……

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