Zugegeben, das ist eben so eine Redeweise im Deutschen. Heute las ich sie in den Vorgaben zum Auftakt der Allianz-Gebetswoche, da lautete das so:
Ein Saulus wurde durch die Begegnung mit dem Auferstandenen zu einem Paulus, zu einer radikal veränderten und verwandelten Person.
Tatsächlich (und das weiß natürlich auch der Herausgeberkreis dieser Arbeitshilfe) ist Paulus zum neuen Anfangsbuchstaben nicht durch seine dramatische Bekehrung gekommen, sondern dadurch, dass seine Mission ihn weg aus dem hebräisch-aramäischen Sprachraum in die Welt der griechischen Oikumene führte.
Also muss man entweder sagen, dass der „neue Name“ nichts mit der Veränderung der Person zu tun hat (oder nur mittelbar). Nicht das Damaskuserlebnis, sondern die Aussendung aus Antiochia zur Mission (Apg 13,9) unter den „Heiden“ markiert die Wende. Pointiert gesagt: Nicht Gott macht den Saulus zum Paulus, sondern Lukas.
Man könnte aber auch darüber nachdenken, ob nicht eine „Bekehrung“ im Sinne eines (so wird der Begriff heute oft verwendet) Wechsels bestimmter religiöser Überzeugungen der entscheidende Wandel war, sondern ob das konkrete sich-in-Bewegung-setzen und die folgenreiche Begegnung mit der damaligen Weltkultur das eigentlich Interessante darstellt.
Anders gefragt: Wäre Paulus ein (gewiss christlich-frommer, aber unbeweglicher) Saulus geblieben, wo wären wir heute?
Vielleicht hätte sich dann neben dem hebräisch-aramäischen Namen auch die Denkweise dieses Sprachraums eher zu uns durchgesetzt und wir hätten nicht so große Schwierigkeiten, Wahrheiten nebeneinander stehen zu lassen.
Vielleicht. Aber dualistisches Denken ist ja keine griechische Erfindung und unter Jesu bzw. Paulus jüdischen Zeitgenossen war es auch schwer verbreitet…
Mir fallen dazu zwei Sachen ein:
1)Im AT markiert ein Namenswechsel doch auch eine Veränderung,wenn auch nicht den Wechsel, so doch eine Berufung Abram-Abraham etc.
2)Wenn Paulus aus Tarsus stammt, kann er schon vor seiner Bekehrung den Paulus-Namen geführt haben. Die Frage wäre, ob er und evtl. sein Vater schon diesen namen benutzt haben und beuwsst diese bescheidene Namensform.
@Olaf: Ja, Abraham ist eben die Parallele, die man hier nicht ziehen darf. „Paulus“ ist kein anderer Name und deutet daher auch keinen Wechsel des Selbstverständnisses an.
Die zweite These ist wohl wahrscheinlich, Lukas schwenkt dann entsprechend „technisch“ um, als die Geschichte den syrisch-palästinischen Kulturkreis verlässt.
Frage: Apropo dualistisches Denken. Ich habe jetzt schon an zwei Gelegenheiten von Dir gehört, dass der Dualismus nicht unbedingt griechischer Abstammung ist und ein Gegensatz zum hebräischen Denken ist. Habe ich das richtig verstanden? Woher kommt denn der Dualismus her, wenn nicht von den Griechen?
Wenn die Antwort zu viel Arbeit ist, würde ich mich auch auf einen Link dazu freuen.
@Gerri: Dualismus gibt es ja in den unterschiedlichsten Formen. Fangen wir in der Philosophie an. Wenn man die Vorsokratiker betrachtet, gibt es da Monisten wie Dualisten. Bei Platon gibt es eine Art Dualismus (Leib/Seele), der sich über den Mittel- zum Neuplatonismus dann verschärft, Aristoteles hat zwar die Dualität von Form und Substanz. In der Stoa geht es eher monistisch zu – alles wird auf ein Grundprinzip zurückgeführt.
Man kann also nicht sagen, „die Griechen“ waren alle Dualisten sie waren auch nicht alle Platoniker. Und auch wenn man Dualismus nicht als Frage der Ontologie betrachtet, sondern (wie etwa Richard Rohr) als ein Denken in Kontrasten und Gegensätzen, dann findet man den selbstverständlich auch im Judentum: Drinnen/Draußen, Sünder/Gerechte, Licht/Finsternis und so weiter. Richtig dualistisch ist schließlich der Zoroastrismus, da gibt es auch gewisse Ähnlichkeiten, vielleicht auch mal eine interessante Lektüre…
Es ist eben immer gut, die Dinge differenzierter zu betrachten. Danke für die Einführung, Peter! Der erste nicht-Dualist war dann wohl Jesus, der den absoluten Dualismus zwischen Mensch und Gott aufgehoben hat … „Hier ist weder Mann noch Frau, Jude/Heide …“ sagt Paulus dazu.
Mein subjektives Sprachgefühl führte mich nur zu der Beobachtung, dass Griechisch eben wesentlich analytischer scheint und kleinteiliger, wo das Hebräische einen weiteren Raum und mehr Möglichkeiten und Geheimnis in sich hat.
Herzliche Grüße, Hannes
@Hannes: Hm, ja … vielleicht ist dies ja die Richtung: Das Hebräische denkt mehr in Beziehungsbegriffen, würde ich sagen (z.B. „Gerechtigkeit“), und von Gottes Offenbarung in der Geschichte her, während die Griechen von der „Natur“ und aus dachten und daher unpersönliche Kategorien wie Materie und Substanz einen höheren Stellenwert in der Philosophie haben, ähnlich ist der Unterschied bei Themen wie Vertrauen (personal) und Wissen (sachlich)…?
Ja, das kommt hin. Mir ging es – woran ich grade arbeite – auch erstmal um die Sprachstruktur beim erlernen der beiden Sprachen. Das Griechische scheint wesentlich mehr Möglichkeiten zu haben, Dinge auszudrücken und analytisch zu formulieren – allein von der Formenvielfalt her. Beim Hebräischen zählt eher das zwischen den Zeilen und Buchstaben, es wirkt geheimnisvoller …
Danke für den kleinen hilfreichen Exkurs.
Hi, ich glaube schon, dass das Damaskuserlebnis die entscheidende Wende in Paulus Leben war. Die Aussendung ist dann nur eine Folge dieses neuen Lebens gewesen (so wie Werke Folge des Glaubens sind)…
Anders gesagt: Paulus wäre kein Paulus, wenn er nicht Christ geworden wäre. Wäre er ein christlich-frommer, aber unbeweglicher) Saulus geblieben, wäre er Jesus nicht wirklich begegnet…