Die Wahrheit liegt im Eis

Chasing Ice ist ein wunderbarer Film, weil James Balog ein fantastischer Fotograf ist – und ein leidenschaftlicher Aktivist für das Leben auf diesem Planeten insgesamt. Und weil er verstanden hat, dass es das Staunen über die Schönheit der arktischen Eiswelten ist, das uns bereit macht, uns dem Schmerz über deren Sterben zu stellen und zu verstehen, dass die Gletscher heute im globalen Klima das sind, was früher die Kanarienvögel im Bergwerk waren: Ihr Tod ist ein ernstzunehmendes Alarmsignal.

Ich wünschte, jeder würde diesen Film sehen und danach mit all den gemischten Gefühlen sich zu ein paar sinnvollen Schritten verlocken lassen, die Bewegung in den Stillstand in Sachen Klima bringen. Die Häufung der Signale war in diesen Tagen ja nicht zu übersehen:

Deprimierend ist das Ganze auch deshalb, weil immer auf den Kosten der Wende herumgeritten wird und die Kosten des Abwartens und Nichtstuns nie in den Blick kommen – vielleicht aus deshalb, weil diesen Preis eben (noch) nicht die Verursacher der globalen Erwärmung zahlen, sondern die Küstenbewohner tropischer Meere, die Inselstaaten im Pazifik, die Opfer von Tornados und Waldbränden, die Kleinbauern, die heute unter Dürre und morgen unter Überschwemmungen leiden, von denen niemand im S-Klasse Mercedes beim Bäcker drei Ecken weiter fährt oder fünf Flugreisen im Jahr unternimmt und sein Geld in Aktien von Firmen angelegt hat, die alles andere als nachhaltig wirtschaften.

Besser als deprimiert zu sein wäre es, sich konstruktiv aufzuregen und gerade in diesen Tagen öffentlich Druck zu machen auf die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft.

Noch wichtiger aber: mehr Menschen für das Thema sensibilisieren. Der mehrfach ausgezeichnete Streifen Chasing Ice ist ein bezaubernd schönes Medium dafür.

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Der Gott, den wir lieber hätten

Wir sind dein Volk und meistens stört uns das nicht
außer, dass du in keine unserer Kategorien passt.

Ständig drängeln wir
und zerren
drehen hin
und her;
versuchen, dich dem Gott ähnlich zu machen, den wir lieber hätten.
Und jedesmal, wenn wir dich so verzerren
bleibt uns ein Götze, der eher uns ähnelt.

In unseren ehrlicheren Augenblicken der Trauer und des Schmerzes
sind wir sehr froh, dass du bist, wer du bist,
und dass du uns gegenüber in all deiner Freiheit der bist,
der du uns gegenüber gewesen bist

Sei also dein treues Selbst
und gerade durch dein treues Engagement in dieser leidenden Welt
verwandle die Welt, während auch du verändert wirst.

Das beten wir im Namen Jesu
der das Zeichen deiner leidenden Liebe ist.

 

aus: Awed to Heaven, Rooted in Earth: Prayers of Walter Brueggemann

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Aktive Hoffnung (3): Es beginnt mit Dankbarkeit

Wer meint, man könne Menschen durch Kosten-Nutzen-Rechnungen dazu bringen, ihre Gewohnheiten zu ändern und Rücksicht auf Mitmenschen und Mitgeschöpfe zu nehmen, der irrt vermutlich ebenso wie jemand, der stets mit allerlei Schreckensmeldungen aufrütteln will (oder wie jemand, der mit drastischen Botschaften über die Hölle müde Gemeinden für Mission mobilisieren möchte…?). Der Weg über die Dankbarkeit ist deutlich vielversprechender.

Dankbarkeit ist ein soziales Gefühl, sagen Macy und Johnstone. Sie macht uns anderen zugetan und wohlwollend. Je ausgeprägter jemand Dankbarkeit empfindet, desto eher wird er eine Gefälligkeit erwidern oder einem Fremden zu Hilfe kommen. Anders als der auf Gegenstände fixierte Materialismus führt Dankbarkeit als Beziehungsphänomen dazu, dass Menschen glücklicher und zufriedener sind. Während die Werbung ständig uns Unzufriedenheit einreden will, uns auf das fixiert, was wir (noch) nicht besitzen, um den Konsum in Schwung zu halten (mit all den fatalen Folgen für den Planeten), freut sich die Dankbarkeit an dem, was schon ist.

Dankbarkeit fällt uns nicht immer leicht, aber sie lässt sich einüben, auch wenn in manchen Lebenssituationen nicht alles nach Wunsch läuft. Dann ist sie umso wichtiger, denn Unrecht und Gewalt zerstören das Vertrauen und den Glauben an das Gute. Schön und für Christen völlig kompatibel (Hildegard von Bingen hätte ihre Freude daran gehabt) haben das die Haudenosaunee in ihrem Aufruf zum Umdenken ausgedrückt:

Uns ist gesagt, dass die ersten Menschen, die über die Erde gingen, mit allem ausgestattet waren, was sie zum Leben brauchten. Wir sind angewiesen worden, Liebe für einander zu hegen und allen Wesen auf dieser Erde große Achtung entgegenzubringen. Und wurde gezeigt, dass unser Leben mit dem Leben der Bäume zusammenhängt, dass unser Wohlergehen vom Wohlergehen der Vegetation abhängt, dass wir mit den Vierbeinern eng verwandt sind. In unseren Wegen ist das spirituelle Bewusstsein die höchste Form der Politik…

Wenn Menschen aufhören, all diesen Dingen mit Achtung und Dankbarkeit zu begegnen, dann wird alles Leben vernichtet und das menschliche Leben auf diesem Planeten wird zu Ende gehen.

Das Wort „Dankbarkeit“ bei den Indianerstämmen der Haudenosaunee hießt wörtlich übersetzt: „die Worte, die vor allen anderen kommen“. Sie bilden den Auftakt zu jeder ihrer Versammlungen. Darin steckt eine tiefe Weisheit: Dank stärkt das Bewusstsein des Eingebundenseins in ein großzügiges Geflecht des Teilens, das unser Leben trägt und ermöglicht. In der Welt des „Business as Usual“ hingegen befindet sich fast alles im Privatbesitz, und für alles, was uns nicht gehört, empfinden wir auch keine Verantwortung, weil wir für Zugehörigkeit nur diese Kategorien aus der Welt der Objekte haben.

Verstehen wir aber unsere Zugehörigkeit in diesem lebendigen globalen Ökosystem (für Theologen: dass wir durch die Zugehörigkeit zu Gott mit allem verbunden sind, was lebt und was Gott geschaffen hat und liebt), dann wächst der Wunsch, für die empfangenen Wohltaten etwas zurückzugeben. Nun lässt sich das insofern schwer umsetzen als der Sauerstoff, den wir atmen, von Pflanzen in die Atmosphäre gebracht wurde, die längst nicht mehr da sind. Hier sprechen die Autoren nun vom „giving forward“ – wir fangen an zu überlegen, was wir künftigen Generationen von Lebewesen auf diesem Globus Gutes hinterlassen können.

 

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Gute Bibelfragen

„Antworten auf alle Fragen findet du in Gottes Wort“, lautete ein Aufkleber, den in grauer Vorzeit Bekannte von mir auf ihren Bibeln spazierentrugen. Vermutlich habe auch sie inzwischen entdeckt, dass das so nicht stimmt. Es gibt viele Fragen, auf die die Bibel nicht antwortet: Wie wird das Wetter morgen? Warum hat Angela Merkel die Wahl gewonnen? Ist diese oder jene Person „die Richtige“ für mich? Muss man die Musik von Xavier Naidoo mögen?

Diese Woche las mein Sohn ein paar der verstörenderen Passagen aus dem Ersten Testament und wunderte sich über diese oder jene recht blutrünstige Episode. Passend dazu fand ich einen Post von Rob Bell, der anmerkt, dass man selten eine gute Antwort auf die Frage findet, warum Gott dieses oder jenes befahl (und in welches Licht das nun Gott rückt, wenn da hunderte oder tausende sterben müssen).

Wir kommen weiter, wenn wir fragen,

  • warum jemand es wichtig fand, eine solche Geschichte zu erzählen
  • was der Anlass war, sie aufzuschreiben
  • was sich in der damaligen Welt abspielte
  • was der Text über das Selbst- und Gottesbild derer aussagt, die ihn verfasst haben
  • was für eine Geschichte hier eigentlich erzählt wird

Wer sich dafür interessiert, wie solches Fragen sich auswirkt, für den spielt Bell das am Beispiel der Sintflut einmal durch.

Bible

(Bild: „Bible“ von Chris Zielecki via Flickr, creative commons 2.0)
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Aktive Hoffnung (2): Die Spirale umkehren

In den großen Abenteuergeschichten stehen die Helden in der Regel zu Beginn auf verlorenem Posten, schreiben Joanna Macy und Chris Johnstone in Active Hope: How to Face the Mess We’re in Without Going Crazy. Es ist eben das Eigenartige an der Hoffnung, dass sie nicht primär mit Wahrscheinlichkeiten arbeitet, sondern von der tiefen Sehnsucht nach einem guten Ausgang lebt. Und dass sie aus dieser Sehnsucht eine immense Kraft schöpft.

Um der ökologischen und mentalen Abwärtsspirale etwas entgegenzusetzen, ist es nicht genug, mit Problemanalysen zu arbeiten. Der Ausgangspunkt für ein hoffnungsvolles Engagement muss vielmehr

  1. die Dankbarkeit sein: Für die Schönheit unserer Welt, für das Geschenk des Lebens, für alles Geben und Nehmen. Von der Freude führt die Bewegung dazu,
  2. den Schmerz über die Zerstörung zu seinem Recht kommen zu lassen, der häufig unterdrückt oder ignoriert wird. Aber nur der wirklich angenommene Schmerz sensibilisiert für Gefahren und offenbart das vorhandene Mitgefühl – in beidem drückt sich unsere Verbundenheit mit den Mitgeschöpfen aus. Diese Verbundenheit ermöglicht
  3. neue Sichtweisen einer im innersten tief verbundenen Welt, und wir finden Ansporn und Ansätze dazu in den Wissenschaften, in den spirituellen Traditionen und in unsrer Vorstellungskraft. Neue Perspektiven helfen, neue Möglichkeiten zu entdecken. Und von denen gilt es, dann auch
  4. entschlossen Gebrauch zu machen und das in konkrete Ziele und Schritte zu fassen und einen eigenen, konstruktiven Beitrag zu den nötigen Transformationsprozessen in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu leisten.

Jedes der vier Elemente dieser Spirale stärkt unsere Verbundenheit mit unserer Welt und macht es möglich, daraus Kraft und Mut zu schöpfen. Es ist also kein bloßer Aktivismus, sondern auch ein Gewinn an Resilienz.

Christen – das ist jetzt meine Ergänzung – können sich hier wunderbar daran erinnern, dass Gottes Geist einerseits die lebensspendende Kraft der Schöpfung und Neuschöpfung ist, und zugleich das verbindende Element – nicht nur in der Trinitätslehre zwischen Vater und Sohn, sondern auch zwischen Schöpfer und Geschöpfen wie auch der Geschöpfe (und zwar aller Geschöpfe!) untereinander. Tiefenökologie und christliche Pneumatologie lassen sich also ähnlich gut in Beziehung setzen wie das auf dem Gebiet der Eschatologie funktioniert.

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Denk-würdiger Feiertag

Protestanten haben sich in der Regel mit ihrem Minderheitenstatus irgendwie abgefunden – innerhalb der Weltchristenheit gegenüber den Katholiken und Pfingstlern (die würde ich als einen neuen, postprotestantischen Typ Kirche bezeichnen), innerhalb westlicher Gesellschaften gegenüber den religiös Desinteressierten, Atheisten und Agnostikern.

Einmal im Jahr jedoch, am Reformationstag, zeigen ein paar von ihnen in Luthers Namen der Welt den Stinkefinger, werfen mit Luther-Kamellen um sich, singen inbrünstig Ein Feste Burg und beklagen wahlweise die Überfremdung durch Halloween oder die Geschichtsvergessenheit der Zeit. Allerdings erfolgt dieser Aufstand, zumindest wenn man die plakativeren Parolen ernst nimmt, eben im Namen der eigenen Konfession, Institution und Tradition, deren Profil man zu diesem Anlass möglichst pointiert herauskehrt.

In dieser Hinsicht hinkt der Reformationstag als kirchlicher Feiertag anderen Festen hinterher: ihm fehlt der Bezug zur biblischen Heilsgeschichte. Es sei denn – das wäre die schlimmere Vorstellung – man sähe Luther und die Reformation als deren integralen Bestandteil an und wollte Gott so konfessionell vereinnahmen.

Freilich gibt es auch eine ganze Reihe guter Absichten und nützlicher in den unterschiedlichen Wortmeldungen zum 31. Oktober. Oder nette Ideen, zum Beispiel #95tweets. In und um Twittenberg machen andere mehr oder weniger augenzwinkernd Anleihen bei Luthers grober Polemik gegen Andersdenkende, frei nach dem Motto „hier schmähe ich, ich kann nicht anders“. Aber braucht man dafür einen Feiertag?

Am Wochenende fiel mir eine Broschüre des Erzbistums Bamberg in die Hände. Dort feiert man in diesem Jahr das „Jahr des Glaubens“. Ich war neugierig, welche Wege der Glaubensvermittlung und -vergewisserung dort angeboten würden. Und stellte etwas enttäuscht fest, dass sich alles um die örtlichen Schutzheiligen Heinrich, Kunigunde und Sebald drehte (das ist ein Jahrtausend her) und sich an ehrwürdigen Kirchenbauten festmachte, die ihnen gewidmet waren. Indem man auf die Vergangenheit verweist, verstärkt man aber zugleich auch den verbreiteten Eindruck, Glaube sei etwas Rückwärtsgewandtes, ein Relikt aus dem Mittelalter.

Die Reformation ist zwar nur ein halbes Jahrtausend her, der Blickwinkel auf den Gründungsheiligen und dessen inzwischen doch auch erklärungsbedürftige Thesen ist grundsätzlich derselbe wie bei den Katholiken in Bamberg. Ironie der Geschichte? Gewiss: Erinnerung schadet nicht. Zukunftsfähige Identität und ein robustes Selbstbewusstsein lässt sich aus ihr allein aber nicht gewinnen.

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Aktive Hoffnung – drei Stories

Ich bin den Gedanken von neulich etwas mehr nachgegangen und zwar mit dem Buch Active Hope: How to Face the Mess We’re in Without Going Crazy von Joanna Macy und Chris Johnstone. Die Autoren beschreiben dort drei unterschiedliche Erzählungen, an denen wir uns Lebensgefühlt und unsere Entscheidungen in der Regel ausrichten. Damit aber prägen sie den Umgang mit Schöpfung, Umwelt

Die erste Geschichte heißt „Business as Usual“. Wir machen einfach weiter wie bisher und hoffen, das mehr vom Selben (d.h. Wirtschaftswachstum) uns eine stabile und lebenswerte Zukunft beschert, schließlich hat das ja lange ganz gut funktioniert für die meisten von uns. Es geht darum, vorwärts zu kommen (als einzelne, als Firma, als Nationalstaat) – für die Probleme anderer sind wir hingegen nicht zuständig.

Die zweite Geschichte ist die vom großen Absturz: Die Wirtschaft erlebt verheerende Einbrüche, die Ressourcen sind endlich und dieses Ende wird desto schneller erreicht, je weniger wir die Endlichkeit im Blick haben und alles zumüllen, das Klima wandelt sich und das Artensterben beschleunigt sich, soziale Spaltung und gewaltsame Konflikte nehmen zu oder dauern unvermindert an.

Diese beiden Erzählungen stehen in krassem Widerspruch zu einander. Die eine immunisiert Menschen gegen drohende Katastrophen, die andere kann in Hoffnungslosigkeit umschlagen. Als dritte Option steht noch die Geschichte von der großen Wende im Raum: Die Lage ist zwar sehr ernst, aber noch besteht die Möglichkeit, etwas daran zu verändern, und wer es ernsthaft versucht, der entdeckt mehr Verbündete, als er zu hoffen gewagt hatte.

Bevor ich die letzte Geschichte noch etwas genauer beschreibe, vielleicht kurz noch dies: Sie steht der christlichen Eschatologie deutlich näher als die beiden anderen. Weder sieht der christliche Glaube die Welt auf einem steten Aufstieg durch Fortschritt und Wachstum, noch sieht sie alles hoffnungslos im Verfall begriffen. Und nicht zuletzt sieht sie Gott als treibende Kraft in und hinter allem Wandel zum Guten. Strukturell also steht die Geschichte von der großen Wende dem Evangelium am Nächsten, auch wenn von Gott da (noch) keine Rede ist.

Damit es zu dieser ökologisch-sozialen Wende kommt, muss auf drei Ebenen etwas vorangehen – beziehungsweise „zurück“, nämlich in eine gesunde Richtung: Erstens geht es um Wege, die weitere Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und Ökosysteme zu verhindern. Zweitens brauchen wir neues, kreatives Denken und dann auch Strukturen und Systeme, die den Wandel befördern: Kommunikation, Ökonomie, Transportwesen, Landwirtschaft, Bildung, Psychologie etc. Auch diese wachsen nur allmählich heran, aber ohne sie laufen wir der Zerstörung immer nur hinterher. Drittens aber ist ein Bewusstseinswandel erforderlich. In der Wissenschaft wir im Bereich der Spiritualität haben Menschen in den letzten Jahren entdeckt, dass wir nicht nur ein Teil unserer Welt sind, sondern wie alles mit allem zutiefst zusammenhängt.

Nicht jeder wird überall gleichzeitig einsteigen, aber gemeinsam sollte man alle Ebenen im Blick behalten, wenn der Wandel nicht versanden soll. Mehr dazu in Kürze.

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„Entweltlichung“ – neuer Papst, neuer Ansatz

Den Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Papst, wenn es um die Rolle der Kirche in der Welt und das Verhältnis beider Größen zu einander geht, hat der Mainzer Sozialethiker Gerhard Kruip in einem Beitrag auf der Website der Caritas wunderbar griffig und treffend beschrieben. Da es im Protestantismus ganz ähnliche Differenzen gibt, lohnt sich auch für Nichtkatholiken ein kurzer Blick, hier ein Auszug:

Papst Benedikts Forderung nach Entweltlichung ist geprägt von einer dualistischen Gegenüberstellung von Welt und Kirche, wobei der Welt der negative, der Kirche der positive Part zukommt. Zwar soll sich die Kirche nicht aus der Welt zurückziehen, aber die Kirche hat von der Welt nichts zu lernen, braucht nicht in einen Dialog mit ihr einzutreten, braucht in ihr nicht nach Zeichen der Gegenwart Gottes zu suchen, weil sie selbst dieses Zeichen schon ist. Alles Negative in der Kirche wird auf Einflüsse der Welt zurückgeführt, so auch die Missbrauchsfälle, und das, obwohl es ja auch gerade „die Welt“ war, die die Kirche dazu gezwungen hat, ihre Praxis der Vertuschung zu überwinden. Auch Jorge Mario Bergoglio hatte am 9. März im Vorkonklave von einer „weltlichen“ oder „verweltlichten“ Kirche gesprochen (in manchen Übersetzungen mit „mondäner Kirche“ wiedergegeben) und meinte damit eine „narzisstische“, „selbstbezügliche“ Kirche, die „in sich, von sich und für sich“ lebt, die glaubt, selbst das Licht zu sein, während das Gegenteil für ihn eine Kirche ist, „die aus sich selbst herausgeht, um zu evangelisieren“, die „bis an die Peripherien“ geht. Die Kritik der beiden Päpste an der Kirche mag ähnlich klingen, aber die vorgeschlagenen Heilmittel sind verschieden. Während der Papa emeritus, wie Michael Ebertz schreibt, eine Strategie der „elitären Minorisierung“ einschlug, die immer in der Gefahr steht, in Selbstbezüglichkeit zu münden, lässt sich das Anliegen von Papst Franziskus als armenorientierte Öffnung beschreiben. Während für Papst Benedikt der Bezug zur theologischen Wahrheit, wie sie die Kirche verkündet, zentral war, steht für Papst Franziskus die Praxis der Gerechtigkeit im Vordergrund.

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Zwischen Depression und Ignoranz: Schritte der Hoffnung

Die Warnungen vor ökologischen Katastrophen, besonders die drastischen, führen bei der Mehrheit der Menschen dazu, dass man das Problem verdrängt und den Kopf in den Sand steckt – ein Phänomen, das sich auch im NSA-Skandal beobachten ließ. Lieber zweifelt man die Glaubwürdigkeit derer an, die auf solche Dinge hinweisen, zumal man den Klimawandel ja nicht unmittelbar zu spüren bekommt, sondern immer nur mittelbar. Je eindringlicher die Warnung, desto größer das Desinteresse – Jeremia lässt grüßen.

Doch auch bei den Menschen, die sich nicht einfach Augen und Ohren zuhalten, wirken sich solche düsteren Botschaften über die Folgen unseres Raubbaus am blauen Planeten negativ aus. Psychologen sprechen, wie Kathrin Bruder in einem sehr lesenswerten Bericht für die taz schreibt, von der doom(er) depression. In Neuseeland und Australien stiegen nach den vielen großen Naturkatastrophen der letzten Jahre die Selbstmordraten in den betroffenen Gebieten spürbar an.

Der Artikel bezieht sich positiv auf die Ansätze der Transition-Bewegung, die nicht nur kognitiv aufklärt und informiert, sondern Menschen zum Gespräch zusammenbringt, bei dem Schmerz und Verzweiflung über die Zerstörung der Schöpfung thematisiert werden können. Auch das Schweigen und die Meditation haben dabei einen Platz, denn über die christliche Mystik besteht eine Brücke zur Tiefenökologie. Aber dann unternimmt man gemeinsam auch konkrete Schritte in Sachen nachhaltiger Lebensstil, jeder fängt da an, wo er kann und wo es Spaß macht.

An dieser Stelle besteht für das westliche Christentum noch ein gewisser theologischer Nachholbedarf, der mir immer wieder auffällt, wenn ich mir wie in den letzten Wochen und Monaten immer wieder den engen Bezug der keltischen Christen zur Schöpfung vergegenwärtige. Sie haben die Welt, in der sie lebten gewiss nicht romantisch und naiv verklärt oder spirituell überhöht, auf der anderen Seite war sie aber auch keine leblose Materie und kein stummes Objekt wie für das moderne Denken seit Descartes. Stattdessen verstanden sie die Schöpfung als Sakrament.

Die enge Verbindung zwischen den Geburtswehen der neuen Welt aus der alten und dem erneuernden Werk des Geistes Gottes, von dem Paulus in Römer 8 spricht, ist uns spätestens im Zuge der Industrialisierung weitgehend abhanden gekommen. Und damit fehlt auch eine prophetische Stimme der Hoffnung im Gespräch über Klimawandel, Energiewende, Rohstoffkrisen und was da noch alles ansteht. Gott, der in der Geschichte Christi rettend eingreift, greift damit auch rettend in die Geschichte seiner Welt ein. In der Abendmahlsliturgie der Iona Community heißt es zum Beispiel:

Liebender Gott, durch deine Güte bringen wir dieses Brot und Wein

die die Erde hervorgebracht und Menschenhände gemacht haben

Lass uns deine Gegenwart erkennen, wenn wir dieses Brot teilen

so dass wir deine Berührung erkennen in jedem Brot und aller Materie

Die weitgehende Reduktion der Umweltpolitik und Ethik auf das Ökonomische jedenfalls hat dem gesellschaftlichen Diskurs bei uns nicht gut getan. Bruder zitiert den Umweltpsychologen Florian Kaiser, der nüchtern das „Rebound-Phänomen“ beschreibt:  „Wer sich nur wegen finanzieller Anreize umweltbewusst verhält, wird zwar reicher, verkonsumiert dieses zusätzliche Geld jedoch wieder, da das Energiesparen ja nicht aus einer inneren Überzeugung herrührt.“

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Transatlantischer Kälteschock

Als Obama seine zweite Amtszeit antrat, haben einige Kommentatoren geschrieben, nun habe er die Chance, doch noch ein großer Präsident zu werden. Eine Wiederwahl sei nicht möglich, nun könne er befreit von Zwängen und Erwartungen das Gute und Richtige tun.

Derzeit sieht es jedoch nach dem Gegenteil aus. Mag sein, dass wir nun Obamas wahres Gesicht sehen, aber den wenigsten dürfte gefallen, was sich da zeigt, nämlich der distanzierte Drohnenkrieger und Datenscanner. Das Komitee für den Friedensnobelpreis wird seine Vorschusslorbeeren vermutlich längst bereut haben. Matthias Rüb hat die Empfindungen vieler in der FAZ schön auf den Punkt gebracht:

Hinter der „coolness“ von Obama verbirgt sich eine kalte Machttechnik, die Wählergruppen, Völker und ganze Weltgegenden nur als Datencluster erfassen kann. Altmodische Tugenden der Diplomatie wie Geschichtsbewusstsein, Verlässlichkeit oder Vertrauenspflege sind Obama fremd. Statt mit Staatsgästen über die Familie zu plaudern und dabei die Grundlage für persönliche und politische Partnerschaft zu schaffen, lässt sich Obama lieber von seinen Adlaten die neuesten Zahlenkolonnen, Abhörprotokolle und Satellitenaufnahmen präsentieren.

Jetzt, wo alle verstehen, wie Obama das mit dem „Zuhören“ unter Verbündeten tatsächlich gemeint hat, sind neue Allianzen gefragt, die dazu helfen, sich technologisch vom allzu großen Bruder und seinen seltsamen Definitionen von Freundschaft und Partnerschaft zu emanzipieren. Ob unsere zukünftige Regierung den Mut hat, für Bewegung zu sorgen, bleibt abzuwarten. Dass allen Ernstes die Herren Pofalla und Friedrich wieder ins Rennen geschickt wurden diese Woche, die sich in dieser Sache ja schon durch außergewöhnlichen Mut und bestechendes Urteilsvermögen ausgezeichnet haben, spricht leider kaum dafür.

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Brandrede vom Feuerwehrhauptmann

Vorgestern habe ich in einem Workshop beim Jugendkirchen-Symposium in Nürnberg eine sehr lebendige Diskussion über Prägungen, Frömmigkeitsstile und die Möglichkeit von Verständigung, ja Bereicherung der verschiedenen Richtungen erlebt. Es ist deutlich zu sehen und zu spüren, dass wir da unterm Strich große Fortschritte gemacht haben in den letzten Jahren.

In den USA hat in diesen Tagen der Hardcore-Reformierte John MacArthur ein neues Scharmützel auf seinem Jahrzehnte dauernden Lieblingskreuzzug absolviert. Auf seiner „Strange Fire“-Konferenz verdammt er die charismatische Bewegung in all ihren Facetten in Grund und Boden. Sie stecke voller theologischer Irrtümer und sei ein Einfallstor des Verführers und Feindes der Auserwählten Gottes. Und mit der Jesus-People Bewegung fing das ganze Elend an: Choräle und Anzüge kamen aus der Mode, Junkies errangen die theologische Lufthoheit. 90% aller Charismatiker und Pfingsten predigen laut MacArthur das Wohlstandsevangelium, viele leugnen die Dreieinigkeit und eine Menge seien obendrein auch noch katholisch, und es werden immer mehr…

Kein Wunder, dass er sich für diesen Rundumschlag prompt den Vorwurf der „Lieblosigkeit“ gefallen lassen musste. Bei einem echten Fundamentalisten – und darum handelt es sich bei MacArthur – kann man sich die Klage allerdings sparen. Denn für ihn gibt es, subjektiv ganz und gar stimmig, kein größeres Verbrechen gegen die Menschlichkeit, als anderen die Wahrheit vorzuenthalten. In MacArthurs Welt sieht es also so aus, dass er aus Liebe zu den anderen unbequeme Dinge sagt und dafür auch noch ungerechtfertigt Prügel bezieht.

Nun wird der Schlipsträger, der da so barsch austeilt, erstens nicht jünger und zweitens ist er in einem selbstbezüglichen, geschlossenen logischen System gefangen, in das von Außen wohl auch deshalb keine Störung mehr eindringen kann, weil man sich drinnen im Besitz der reinen und vollständigen, weil objektivierten Wahrheit weiß.

In Wirklichkeit könnte die Wahrheit so banal sein, wie MacArthurs Verweis auf die Anzüge und Choräle: Da steckt jemand in den Formen, Vorurteilen und Vorstellungen einer weithin vergangenen Zeit fest und kann einfach nicht über seinen Schatten springen. Unfair ist das Ganze nicht nur denen gegenüber, die MacArthur da verunglimpft, sondern auch denen, die er repräsentiert – weithin harmlose, aber eben etwas konservative und ängstliche Christen. Je größer deren Angst, desto loyaler folgen sie ihrem großen Feuerwehrhauptmann. Dafür hat er gerade wieder gesorgt.

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Der (fehlende?) Mut zur „armen Kirche“

Seit Bischof Tebartz-van Elst in Rom ist, hat sich der öffentliche Diskurs um seine Person und Fehler in einen Diskurs um den vermeintlichen oder wahren Reichtum der großen Kirchen, über Kirchensteuern und staatliche Zuschüsse oder Privilegien verwandelt, gestern Abend etwa zu besichtigen bei Günter Jauch, inklusive vielfacher Interpretationen und Relativierungen des Begriffspaars „arm“ und „reich“.

Und nachdem das alles mit negativem Vorzeichen begann, läuft auch diese Diskussion ausgesprochen kirchenkritisch, selbst in einer so konservativen Zeitung wie der FAZ. Unter diesen Umständen von einer Überraschung zu reden, wäre verfehlt. Das alles könnte durchaus ein Indiz sein, wie schnell der Status Quo irgendwann einmal kippen kann – beim nächsten oder übernächsten Skandal, wann auch immer der kommt.

Von der katholischen Kirche war in der Ära Ratzinger gelegentlich von Planspielen zu hören, wie man ohne Kirchensteuer und Staatshilfen zurecht kommt. Vielleicht habe ich das bloß alles nicht mitbekommen, aber arbeitet auch in den evangelischen Landeskirchenämtern jemand ernsthaft an einem Plan B – und wie sähe der eigentlich aus? Müsste das Thema (trotz der denkbaren Sorge, mit einer breiten, öffentlichen Diskussion das Ende der Kirchensteuer am Ende selbst mit herbeizureden) nicht intensiv diskutiert werden? Wie verantwortlich wäre es eigentlich, sie spätestens jetzt nicht ganz intensiv zu führen, etwa um einen kontrollierten und durchdachten statt einen erzwungenen Ausstieg zu ermöglichen?

Beim Netzwerk Kirchenreform finden sich dazu ein paar Anstöße von Paul Zulehner, die an Aktualität eher noch zugelegt haben seit Ihrer Veröffentlichung im Jahr 2007 und gute Hinweise auf die vielen theologischen Implikationen:

Solche bedrückende Reden haben für sich, dass sie wohl einen Kernpunkt der gegenwärtigen Sozialform unserer Kirchen benennen: das Geld. Alternativen sind deshalb nur dann zu entwickeln, wenn man einmal den Mut hat, eine wirklich finanziell arme „Kirche im Volk“ zu entwerfen, statt eben nur die geldgestützt Kirche (die ganz gut auch eine Zeitlang ohne Gott auskommen kann) zumindest einmal zu denken. Zugleich wäre es möglich, in die schrumpfende Gestalt der reichen Kirche Elemente einer armen Kirche probeweise zu implementieren. Dabei könnte sich zeigen, dass gerade in den armen Kirchenparzellen sich viel zukunftsfähige Kraft sammelt.

Eine solche arme Kirche (letztlich eine Kirche nach der Kirchensteuer) wird zudem auch die theologischen Grundlagen der ekklesiogenen, des Kirchenum- und –aufbaus bedenken. Es ist zu wenig, wenn Kirchenumbau lediglich von profanen Beratungsfirmen „gemacht“ wird. Wenn der Herr das künftige Haus der Kirche nicht baut, baut Mc Kinsey umsonst, so in Anlehnung an den Psalm 127. Ekklesiologie ist allerdings vor allem in der protestantischen Theologie kein prioritäres Thema.

… Zwar wird ein missionarisches Grundsatzpapier nach dem anderen angefertigt. Doch will man praktisch höchstens die Menschen ein Stück auf ihrem individuellen Lebensweg begleiten. Ein wenig vom Evangelium soll diakonal in die Biographie implementiert werden. Aber dass Menschen in die Kirche eintreten und zu uns gehören: Das gilt als verwerflich. Die Frage ist dann allerdings, wer dann morgen unsere Arbeit weitermacht und wer missionieren wird. Vor allem aber: Entspricht solche vermeintliche kirchliche Selbstlosigkeit (ist sie mehr als Zweifel an der theologischen Wichtigkeit von Kirche für die heilende Arbeit Gottes in der Welt?) wirklich den Absichten Gottes, seiner Art, sich um das Heil der Welt zu kommen?

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Wortversagen

Eine kleine Geschichte von den Wüstenvätern ist mir die letzten Wochen nachgegangen:

Einige Brüder … gingen, um Abba Felix zu sehen und baten, er solle ihnen ein Wort sagen. Aber der alte Mann blieb still. Nachdem sie lange gebeten hatten, sagte er zu ihnen: „Ihr wünscht, ein Wort zu hören?“ Sie sagten: „Ja, Abba.“

Der alte Mann sagte zu ihnen: „Heutzutage gibt es keine Worte mehr. Als die Brüder noch die alten Männer zu Rate zogen und taten, was ihnen gesagt wurde, da zeigte Gott ihnen, wie sie reden sollten. Aber jetzt, wo sie fragen ohne zu tun, was sie hören, hat Gott den alten Männern die Gnade des Wortes genommen und sie finden nichts mehr zu sagen, weil niemand mehr da ist, der ihre Worte ausführt.“

Als sie das hörten, seufzten die Brüder und sagten: „Bete für uns, Abba.“

Sie steht im Parker Palmers wunderbarem Buch To Know as We Are Known: A Spirituality of Education: Education as a Spiritual Journey. Was Palmer dazu alles zu sagen hat, sprengt den Rahmen dieses Posts (aber wer genug Englisch kann, um es sich zu Gemüte zu führen, sollte es unbedingt tun!). Es geht um Haltungen, die Reden und Hören unmöglich machen. Alle verlieren dabei, denn Weisheit ist nie einfach nur eine Einbahnstraße und den Alten, Wissenden zu den Jungen, Unerfahrenen.

Manchmal scheitert das an Oberflächlichkeiten: Bestimmte Leser, erklärte mir etwa neulich ein Verlagsmensch, nehmen grundsätzlich kein Buch in die Hand, das Fußnoten enthält. Da ist eine ganze Welt der Gedanken, von der sie sich ausschließen, weil sie sich überfordert, eingeschüchtert und deshalb auch oft minderwertig fühlen. Zum Gefühl, an die eigenen Grenzen zu kommen, tritt dann das negative Urteil über die, deren Grenzen an anderen Stellen liegen – die erscheinen plötzlich als eingebildete Theoretiker und mit dieser Etikettierung und diesem Pauschalurteil oder Generalverdacht ist jeder Austausch beendet. Man kann diese zugeschlagene Tür nur von innen öffnen. Sie zu öffnen heißt, dem anderen seine Andersartigkeit nicht zum Vorwurf zu machen.

Zugleich trifft die Geschichte auch die Situation der Christen und Kirchen insgesamt in unserer Gesellschaft. Es gibt Momente, wo man ganz deutlich spürt, dass „die Gnade des Wortes“ nicht vorhanden ist und man „nichts mehr zu sagen“ findet. Darüber kann man sich nun mit Bibelzitaten hinweg setzen (immer sehr beliebt: das Evangelium müsse „zur Zeit und zur Unzeit“ gepredigt werden). Also: Nicht innehalten und warten, sich nicht in Frage stellen, einfach stur weiter machen. Etliche dieser Prediger entwickeln dann eine gewisse Härte, die man ihnen auch deutlich anmerkt.

Schließlich gibt es auch die Unterrichtssituation, wo Lehrende irgendeinen Stoff durchbringen müssen oder Lernende ein zählbaren Erfolgsnachweis brauchen oder in anderer Form nach etwas „Verwertbarem“ (in der der Regel sind das „Informationen“) suchen, ohne sich innerlich wirklich auf das einzulassen, worum es in der Lernsituation geht. Auch hier entsteht keine Gemeinschaft der Wahrheit.

Freilich ist auch Resignation keine Lösung. Den Weg dahin deutet Palmer an, wenn er ganz am Ende des Buches auf Römer 8 verweist. Dort erscheint das Seufzen und das Gebet, mit dem die Geschichte so offen endet:

So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein.

Wahres Gebet bringt uns immer wieder ans Ende unserer Worte und unseres Wissens. Und hier hat dann auch die Trauer über die beschädigte Gemeinschaft zwischen einzelnen, zwischen Gruppen von Menschen und zwischen Mensch und Schöpfung ihren Platz. Zugleich aber ist das Seufzen, das auch ein Seufzen des Geistes ist, ein großer Trost, sagt Palmer: Auch wenn uns die Worte versagen, ist da noch ein Wort für und in uns, und auch wenn die Kenntnisse nicht reichen, sind wir erkannt. Das Seufzen ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer authentischen Spiritualität.

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Charisma – ohne „Tick“?

Wir haben uns für die nächsten Wochen ein recht herausforderndes Predigt- und Gesprächsthema vorgenommen. Wie viele andere Etiketten, so ist auch der Begriff „charismatisch“ immer wieder in der Diskussion. Die ist allerdings oft mühsam, denn

  • zum einen sind die verschiedenen Strömungen nur noch schwer voneinander abzugrenzen, seit jeder von jedem lernt – das ist die positive Seite.
  • zum anderen gibt es unter den unterschiedlichen Labels oft auch so viel Peinliches und Absurdes, mit dem man lieber nicht identifiziert werden möchte – die „Ticks“. Vor allem, wenn der Begriff pauschal und polemisch verwendet wird, was immer wieder vorkommt. Viele halten deshalb ja auch das Label „evangelikal“ für verbrannt – zu Recht, wie ich finde.
  • Drittens ist es ein Zeichen von Reife, wenn man sich nicht über Etiketten identifiziert, sondern eine eigene Persönlichkeit entwickelt hat, die solche Denk- und Erwartungsschablonen überflüssig macht. Das gilt für einzelne wie für ganze Gruppen und Gemeinden.

Dennoch wäre es m.E. ein Fehlschluss, wenn man nun meint, mit der Selbstidentifikation als „charismatisch“ (was auch immer damit gemeint sein mag) sei auch das Interesse am Heiligen Geist an sich aufgegeben worden. Die Formen und die Sprache verändern sich freilich für viele. Deshalb sind wir nun dabei, uns ein paar grundlegende Gedanken dazu zu machen, wer der Heilige Geist ist und was er bewirkt – und wie wir im Licht dessen die Praxis der Vergangenheit prüfen (ein eminent spiritueller Vorgang!) können, um das Gute zu behalten und es mit Neuem zu verbinden.

Die erste Station auf unserem Weg ist die Skandalpredigt eines jungen Propheten, der sich auf Gottes Geist beruft und seine Heimatgemeinde in lebensgefährlichen Aufruhr versetzt. Sie steht in Lukas 4,16-30 und wer neugierig geworden ist, was Gottes Geist mit unserer Selbstimmunisierung gegen das Leid anderer zu tun hat – oder schon immer mal wissen wollte, was der „Torentosegen“ ist – kann hier zuhören.

 

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