Brandrede vom Feuerwehrhauptmann

Vorgestern habe ich in einem Workshop beim Jugendkirchen-Symposium in Nürnberg eine sehr lebendige Diskussion über Prägungen, Frömmigkeitsstile und die Möglichkeit von Verständigung, ja Bereicherung der verschiedenen Richtungen erlebt. Es ist deutlich zu sehen und zu spüren, dass wir da unterm Strich große Fortschritte gemacht haben in den letzten Jahren.

In den USA hat in diesen Tagen der Hardcore-Reformierte John MacArthur ein neues Scharmützel auf seinem Jahrzehnte dauernden Lieblingskreuzzug absolviert. Auf seiner „Strange Fire“-Konferenz verdammt er die charismatische Bewegung in all ihren Facetten in Grund und Boden. Sie stecke voller theologischer Irrtümer und sei ein Einfallstor des Verführers und Feindes der Auserwählten Gottes. Und mit der Jesus-People Bewegung fing das ganze Elend an: Choräle und Anzüge kamen aus der Mode, Junkies errangen die theologische Lufthoheit. 90% aller Charismatiker und Pfingsten predigen laut MacArthur das Wohlstandsevangelium, viele leugnen die Dreieinigkeit und eine Menge seien obendrein auch noch katholisch, und es werden immer mehr…

Kein Wunder, dass er sich für diesen Rundumschlag prompt den Vorwurf der „Lieblosigkeit“ gefallen lassen musste. Bei einem echten Fundamentalisten – und darum handelt es sich bei MacArthur – kann man sich die Klage allerdings sparen. Denn für ihn gibt es, subjektiv ganz und gar stimmig, kein größeres Verbrechen gegen die Menschlichkeit, als anderen die Wahrheit vorzuenthalten. In MacArthurs Welt sieht es also so aus, dass er aus Liebe zu den anderen unbequeme Dinge sagt und dafür auch noch ungerechtfertigt Prügel bezieht.

Nun wird der Schlipsträger, der da so barsch austeilt, erstens nicht jünger und zweitens ist er in einem selbstbezüglichen, geschlossenen logischen System gefangen, in das von Außen wohl auch deshalb keine Störung mehr eindringen kann, weil man sich drinnen im Besitz der reinen und vollständigen, weil objektivierten Wahrheit weiß.

In Wirklichkeit könnte die Wahrheit so banal sein, wie MacArthurs Verweis auf die Anzüge und Choräle: Da steckt jemand in den Formen, Vorurteilen und Vorstellungen einer weithin vergangenen Zeit fest und kann einfach nicht über seinen Schatten springen. Unfair ist das Ganze nicht nur denen gegenüber, die MacArthur da verunglimpft, sondern auch denen, die er repräsentiert – weithin harmlose, aber eben etwas konservative und ängstliche Christen. Je größer deren Angst, desto loyaler folgen sie ihrem großen Feuerwehrhauptmann. Dafür hat er gerade wieder gesorgt.

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