Sensibilisiert von unserer momentanen Predigtreihe über die Zehn Gebote stieß ich letzte Woche auf diesen Beitrag in der Zeit, wo Hans-Ludwig Gröber vom Institut für forensische Psychiatrie sich mit der menschlichen Mordlust in jedem von uns befasst. Mörder sind eben nicht per definitionen geisteskrank und im Umkehrschluss ließe sich dann zur allgemeinen Beruhigung auch sagen, dass „wir Gesunden“ ja über jeden Mordverdacht erhaben wären.
Stattdessen können gesunde Persönlichkeiten sich an der Macht, zu töten berauschen, und wenn sich die Zeiten und Bedrohungslagen ändern, wenn wir „gute“ Vorwände finden, den anderen zum Un(ter)menschen zu erklären und präventiv kalt zu stellen, bevor er uns etwas antun kann, dann wären, wie das Beispiel des Dritten Reichs oder auch des Balkankrieges zeigt, auch brave, empathische Bürger zu Mördern. Gröber schreibt:
Den Artgenossen töten ist ein – im biologischen, nicht im moralischen Sinne – zutiefst menschlicher Akt. Nachvollziehbar, wenn das Motiv rational ist: Beute machen zum Beispiel, materiell oder sexuell. Um Macht zu etablieren oder aufrechtzuerhalten. Auch emotionale Motive sind verständlich: Angst, Notwehr, Wut, Eifersucht, Niedertracht. Und nicht zu vergessen: Rache! (Rache, hat der Philosoph Friedrich Nietzsche gesagt, ist das reinste Motiv. Manche nennen es auch: Bestrafung.) Auch ein Grund zum Töten: die Lust an der Zerstörung. (Es gibt Menschen, sagt der böse Joker am Ende von Batman 2, die für kein Geld der Welt morden würden – sondern bloß, um zu zerstören.) Das könnte man vielleicht als »Rache an dieser Welt« bezeichnen. Und dann gibt es auch noch sehr eigenartige, aber gar nicht seltene Tötungsdelikte, vor allem von ganz jungen Männern, die der Täter begeht, um sich selbst zu erfahren. Um zu merken, wie stark er sein kann, was er aushält, wie viel Macht ihm durch diese unglaubliche Tat zuwachsen kann. Viele junge Männer haben das früher in Uniform herausgefunden. Und wurden dafür mit Orden behängt.
Es folgen eine ganze Reihe lebendig geschilderter Beispiele, und dann fragt Gröber, wie der Gewaltneigung vor allem junger Männer beizukommen ist, wenn man sie nicht als Fall für den Therapeuten hinstellen will. Am Ende unterstreicht er im Grunde die ungebrochene Aktualität des fünften Gebots, wenn er die Aufgaben benennt, die auf uns warten:
Der Mörder ist in uns allen. Doch er wird erfolgreich domestiziert durch eine energische Pädagogik, machtvolle Vorbilder, einen entschiedenen Staat und eine Kultur, die Gewalt ablehnt und gesundes Durchsetzungsvermögen fördert.