Missionaler Lebensstil?

Ich habe am Samstag mit den Younger Leaders im sonnigen Volkenroda über Missionale Gemeinde nachgedacht. Im Verlauf der Diskussion fiel auch immer wieder einmal der Begriff „missionaler Lebensstil“. Und mir fiel auf, dass sich immer immer etwas sträubt bei dieser Kombination.

Vielleicht liegt mein Widerwille daran, dass es so nach lifestyle klingt, also eine weitgehend ästhetisch motivierte Art, sich einzurichten (da gibt es „lifestyle-Kombis“ in den Autohäusern, der Kofferraumvolumen in Golftaschen statt Kinderwägen gemessen wird…), eine Selbstinszenierung durch bestimmte Konsumprodukte (dazu gehört auch so etwas wie Extremsport, für den man umfassend ausgestattet wird), durch die man die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Menschen signalisiert.

Klar gibt es auch eine konsumkritischen nachhaltigen Lebensstil oder einen solidarischen – und freilich kann auch der zur oberflächlichen Dekoration werden, weil man „in“ sein will. Vielleicht ist es also noch mehr der Ansatz beim Individuum, der mir nicht behagt. Das erste, was wir den Messias Jesus tun sehen, ist, dass er Menschen um sich sammelt. Und diese missionale Gemeinschaft (nicht den einzelnen!) bezeichnet er als die „Stadt auf dem Berg“ – eine unverhohlene Anspielung auf Jerusalem und den Tempel, den Ort also, wo Himmel und Erde sich berühren.

Vielleicht sollten wir also weiter konsequent von missionaler Gemeinde sprechen, um deutlich zu machen, dass es keine individualisierte Variante davon geben kann. Und je mehr der Begriff in Mode kommt und plötzlich jeder irgendwie „missional“ sein will, indem man diese oder jene Äußerlichkeit imitiert, ohne die Haltungen – und ja, auch die Theologie – dahinter auch nur in Ansätzen verstanden zu haben, desto besser ist es, wenn sich das nicht als ein Stilwechsel in der persönlichen Innenarchitektur hinstellen lässt.

Zurück zu den Younger Leaders: Wir haben dann auch im Wesentlichen über Gemeinde gesprochen. Ob „alte“ Gemeinden neue Wege noch lernen können, wie neue Gemeinden aussehen könnten, warum wir in aller theologischen Ausbildung so selten gelernt haben, missional zu denken, warum die großen Vordenker von Moltmann, Boff oder Sobrino über Newbigin und Bosch so lange warten mussten und müssen, bis das Gros der Kirchen und Gemeinden ihre Entdeckungen praktisch umsetzt. Es war die leidenschaftlichste Diskussion, die ich seit langem erlebt habe.

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9 Antworten auf „Missionaler Lebensstil?“

  1. Nachfolge als gemeinschaftlicher Prozess wiederzuentdecken und sich im anderen wieder und vielleicht noch tiefer zu finden ist denke ich eine der großen Herausforderungen – missionale Gemeinde…!
    Es ist fein so gute Nachrichten von den Young Leaders zu hören. 😉

  2. Vielen Dank für deine stilsicheren Gedanken. Für mich ist das noch mal eine wertvolle Ergänzung zu deinem wunderbaren Referat am Samstag.

    Ich habe am Wochenende gemerkt, dass ich mit der Begriffs-Kombi auch nicht viel anfangen kann. Aber ich hatte meine Gedanken dazu nicht sortiert und wäre dem vielleicht auch gar nicht weiter nachgegangen, wenn du deine Überlegungen dazu nicht hier gepostet hättest.

    Wenn wir von „missionalem Lebensstil“ sprechen, fällt die Abgrenzung zum „missionarischen Lebensstil“ besonders schwer, finde ich. Da, wo in mir im Laufe des Wochenendes die Warnleuchte „Etikettenschwindel!!!“ besonders hell aufgeleuchtet ist, war in den Gesprächen oft die Rede davon, dass wir irgendetwas „missional“ machen. Der Begriff scheint in diesem Zusammenhang sein Potential überhaupt nicht zu entfalten, es sei denn das, was getan wird, hat mit Gemeinde zu tun (Stichwort: organizing principle und so).

    Das Konzept, missional Postkarten zu verschenken oder Kaffee zu trinken, ergibt für mich im Moment jedenfalls noch keinen Sinn.

  3. Und es war nicht nur die leidenschaftlichste Diskussion seit langem, es war auch einer der besten Vorträge aus meiner Sicht seit langem. Danke für deine sehr besonnene und ausgeglichene Art. Du wirkst bei aller Erkenntnis und Fortschrittlichkeit versöhnt und gutmütig – das ist sehr angenehm. Über die Frage nach der „Entscheidung für Jesus“ hätte ich ja gerne noch weiter mit dir gesprochen … Falls du Interesse hast, kannst du dich gerne zurückmelden.
    Salam, Hannes

  4. Hey Peter!
    Guter Post, teile Deine Bedenken bzgl. Lifestyle usw. Werde mir auch Deinen Input bei den Young Leaders mal in Ruhe reinziehen. Mach’s gut!

  5. coole Kommentare. Peter, du hattest mir ein Buch empfohlen (Auf Gott warten (glaube ich war der Titel)). Das ist bei amazon vergriffen… ;( Hast du es?

    lg

    marion

  6. @Marion: Geduld mit Gott – ich habe auch gestaunt, dass es nicht lieferbar ist. Ich habe es hier, du bekommst es aber auch auf Englisch Patience With God von Tomas Halik

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