(Hier geht es zu Teil 1, Teil 2 und Teil 3 dieser Reihe. Wer unten kommentieren möchte, kann sich dort erst einmal über den Verlauf der Diskussion und ihre Grenzen orientieren)
Die Frage nach den Gemeinsamkeiten zwischen Christen und Muslimen im Blick auf Gott betrifft nicht nur die Glaubensinhalte, sondern auch die Lebenspraxis. Miroslav Volf stellt in Kapitel 6 von Allah. A Christian Response fest, dass bei die Frage, welcher Gott denn nun wirklich angebetet wird, nicht nur kognitiv verfahren werden kann. Jesus warnt im Neuen Testament vor Wölfen im Schafspelz, die wohl das Richtige sagen, aber etwas ganz anderes tun. Aus dem christlich jüdischen Dialog zitiert er die Maxime
Man kann Gott aus den Früchten des Umgangs mit ihm erkennen.
Schon Karl Marx hatte gegen das Christentum eingewandt, die konkrete Praxis würde bestimmte Lehren (wie die von der Liebe und Gerechtigkeit Gottes) konterkarieren, in Wahrheit werde ein Unterdrückergott angebetet, der zumindest in diesem Leben kein Interesse an der Befreiung von Menschen habe. Und auch die meisten religiösen Menschen sind sich der Kluft zwischen dem, was sie glauben, und dem, wie sie leben, bewusst. Christen wie Muslime legen oft eine ambivalente Praxis an den Tag.
Der französische Philosoph Jacques Maritain hat den Terminus „praktischer Atheismus“ geprägt: Jemand „glaubt“ intellektuell an Gott, aber sein Handeln lässt davon nichts erkennen. Ähnliche Kritik kennen wir von den Propheten Israels (vgl. Jes 58,3-7) oder aus dem Neuen Testament, wenn etwa Johannes (1. Joh 4,20) die Nächstenliebe zum Prüfstein der Gottesliebe macht. Man kann „richtig“ glauben und falsch handeln. Richtig im Sinne von erwünscht ist das natürlich nicht.
Man kann an den richtigen Gott glauben und dem falschen Gott dienen. Jesus formuliert das in der Bergpredigt so im Blick auf den Reichtum. Luther hat es im großen Katechismus aufgegriffen, dass Menschen dazu neigen, geschaffene Dinge zu vergötzen. Volf bringt noch ein anderes Beispiel ins Spiel: Das ungluabliche Blutbad, das die christlichen Kreuzfahrer 1099 anrichteten, als sie Jerusalem eroberten. Den Ruf „Christus dominus“, den sie dabei auf den Lippen hatten, kann man, so Volf, mit dem „Allahu Akhbar“ moderner islamischer Selbstmordattentäter vergleichen.
Kann man aber auch an den falschen Gott glauben und dem richtigen dienen? Die Frage drängt sich auf, wenn man beispielsweise Atheisten trifft, die sich christlicher verhalten als so manche Christen, weil sie ihren Nächsten ganz praktisch lieben. Unter Bezugnahme auf 1. Joh 4,7-8.16 stellt Volf fest, dass man durchaus sagen kann, dass alle echte Liebe von Gott stammt und dass jemand, der liebt, Gott auf eine bestimmte Art kennt, selbst wenn seine Glaubensansichten alles andere als richtig und zutreffend sind.
Saladin, der Jerusalem 1187 von den Kreuzrittern zurückeroberte, hat ein für seine Zeit bemerkenswertes Beispiel an Großmut und Menschlichkeit gegeben, Lessing hat ihm in Nathan der Weise ein Denkmal gesetzt und ihn als die Inkarnation von Humanität dargestellt. Das mag idealisiert sein, mit Paulus kann man aber davon sprechen, dass er das Gesetz erfüllt hat (Röm 13,10).
Im vorigen Post ging es um die Frage, ob sich Christen und Muslime, wenn sie von Gott reden, auf den gleichen Gegenstand beziehen und ob dieser möglicherweise einen ähnlichen Charakter hat. Hier lautete die Frage, ob Christen und Muslime den gleichen Gott anbeten. Volfs Antwort lautet: In dem Maß, wie Muslime und Christen danach trachten, Gott und ihren Nächsten zu lieben, beten sie denselben Gott an. Freilich trifft das weder auf alle Christen noch auf alle Muslime in derselben Weise zu. Natürlich gibt es auch wichtige Unterschiede. Denen widmet sich Volf im folgenden Kapitel.
Danke für die schrittweise Heranführung an Volfs neues Buch. Es macht Appetit das Buch selbst in die Hand zu nehmen.
Saladin sollte nicht durch die schon im Ausgang des Mittrelalters verklärte Brille gesehen werden. Er war besser als der Mob, der sich im Zug der Volksbewegung herausbildete, die als „erster kreuzzug“ in die Geschichte eingegangen ist, aber er in etwa genauso gut wie die Ritter der späteren Kreuzzüge (die keine Sponti-Aktion waren, sondern geplante Feldzüge und deshalb zu keinem Massaker wie das von 1099 führten).
Als einmal ein Muslim Saladin vom Dschihad abhalten wolte und dazu aus dem Qor’an zitierte, entgegegnete Saladin: du bist Araber, ich Kurde, und doch kenne ich den Qor’an besser als du. Und zitierte dann: der Dschihad ist euich befohlen – ein späterer Vers, der demzufolge den früheren, vom Araber zitierten Vers abrogiert.
Belegt ist auch, dass Saladin bei seienr Eroberung Jerusalems alle diejenigen, die kein geld hatten, um sich freizukaufen, in die Sklaverei verkaufte. Sein Bruder bat ihm um 1000 Gefangene, die Saladim ihm schenkte und die der Bruder dann freiließ…