Vor einiger Zeit habe ich hier ein paar Gedanken zu narrativer Theologie gepostet. Das hat mit einem Verständnis von Offenbarung Gottes zu tun, dem nach Hans Waldenfels auch das Zweite Vatikanische Konzil folgt, das sich weg von einem „intruktionstheoretischen“ hin zu einem „personal qualifizierten kommunikationstheoretischen“ Ansatz bewegt:
Danach besteht Offenbarung nicht primär in einer neuen Form von Wissensvermittlung; sie ereignet sich vielmehr in einer interpersonalen Begegnung zwischen Gott und den Menschen, die sich in der Geschichte der Menschen abspielt. Edward Schillebeeckx beginnt sein Buch Menschen mit den anrührenden Sätzen »Ein kleiner Junge soll einmal gesagt haben: ‚Menschen sind die Worte, mit denen Gott seine Geschichte erzählt.’« (Mission und Prophetie, in: Delgado/Sievernich, Mission und Prophetie in Zeiten der Interkulturalität, St. Ottilien 2011)
Wenn Offenbarung aber nicht bloß Information und Instruktion ist (und das ist sie leider, wenn man sich umsieht, noch viel zu oft!), sondern lebendige Begegnung, dann spielt auch der Kontext eine entscheidende Rolle für ihr Zustandekommen. Dann lassen sich Inhalt und Form nicht mehr trennen, sie gehören zusammen: Das worthafte „Zeugnis“ kann nicht vom Lebenszeugnis der Christen getrennt werden. Aber zum Zeugnishaften tritt für Waldenfels noch das Prophetische:
In seiner Vollgestalt ist der Prophet religiös eine von Gott inspirierte und gesellschaftlich inspirierend wirkende Persönlichkeit. So haben die Propheten des alten Israel bis in die Zeit Jesu gewirkt. Danach ersetzten Zeugen die Propheten, indem sie nicht mehr aus einer neuen Inspiration heraus Zeugnis gaben; sie sprachen aufgrund ihrer Rückbindung an den Ursprung und an die inspirierten Bücher der Heiligen Schrift. Wer dagegen als Prophet mit dem Anspruch einer neuen »Inspiration« auftrat, wurde bald als »falscher Prophet« verurteilt. Dennoch hat die Kirche nicht verhindern können, dass immer wieder Menschen auftraten, die auch die Botschaft Jesu aufgrund von innerer Eingebung »inspirierend« und oft auch gegen Widerstände der Kirchenleitung für Kirche und Öffentlichkeit auslegten und verkündeten.
[…] Es geht um die Mündigkeit des Laien, um den Wandel der Kirche von einer (nur) lehrenden zu einer (immer auch) lernenden Kirche, einer Kirche, die sich weniger abgrenzt von der Welt, sondern offen ist für die Menschen in aller Welt.
Waldenfels schließt mit dem Hinweis, Exodus und Befreiung seien heute die Leitmotive einer Theologie und Praxis, in der das prophetische Moment erwacht ist, und die an gesellschaftlichen Aufbrüchen nicht nur in Lateinamerika mitwirkt. Bleibende Aufgabe der Theologie ist es dabei, den Austausch mit anderen Disziplinen zu suchen, um eine neue prophetische Sprache zu finden für unsere Zeit.