Tomas Halik will Verständnis und Interesse für Distanzierte und kirchliche Randsiedler wecken. Jesus hat nicht nur den harten Kern seiner wandernden Jüngerschar gepflegt, sondern er ließ sich auch auf Begegnungen mit Leuten wie Zachäus oder Nikodemus ein, ohne diese von ihrem Ort wegzurufen. Auch die Diskussionen um Begriffe wie „Bekehrung“ im Pietismus zeigen: Gerade die ganz entschiedenen Jesusnachfolger könnten dem Irrtum erliegen, dass es nur eine mögliche Form des Christseins gibt – ihre natürlich. Aber gerade die Offenheit am Rande ist wichtig für unsere Gemeinden:
Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Kirche und Sekte liegt darin, dass sich eine auf den „harten Kern“ völlig identifizierter Mitglieder einschränkt, ggf. in diesem Mitgliedertyp das Ideal sieht. Die Kirchen sind in der Regel älter, weiser, erfahrener und großzügiger; sie wissen, dass sie außer dem „harten Kern“, dem Skelett, auch einen etwas elastischeren Leib brauchen (und dass es eine Beeinträchtigung darstellt, wenn der Körper durch eine übertriebene Diät unterernährt ist). Darüber hinaus gibt es in ihnen häufig Menschen, die wissen, dass der Begriff Rand und Mitte in einem Organismus, wie die Kirche einer ist, ziemlich relativ sein kann.
… Wenn ich manche Katholiken beobachte, mit welcher Lust sie die Pluralität der Kirche gemäß ihrem oft sehr eigenartigen Konzept von Katholizismus gerne streng disziplinieren würden, werde ich traurig darüber, wie diese „Eiferer für das Haus des Herrn“ überhaupt nicht begreifen, dass sie eigentlich gefährliche Attentäter sind, die eine der vitalsten Funktionen der Kirche bedrohen, ihre Katholizität – die Allgemeinheit, welche übrigens das Ideal aller christlichen, das Apostolische Glaubensbekenntnis betenden Kirchen sein sollte.
Ob die traditionellen Kirchen wirklich weiser sind, da habe ich so meine Zweifel. Prinzipiell vertrete ich die Ansicht, dass es schon eher auf Qualität als auf Quantität ankommt, doch man muss Menschen auch zugestehen, dass sie sich vielleicht nicht (sofort) voll integrieren können oder wollen. (Ich befinde mich selbst gerade noch im Prozess der Eingliederung, wenn man so will). Viele richten es sich aber auch sehr bequem in den Logen ein und betrachten das Geschehen eher unbeteiligt von außen.
Christen, die ihren Glauben mit ganzem Herzen leben, sind eigentlich die einzig wahren Christen und sie als gefährliche Attentäter zu diffamieren (was hier wahrscheinlich nicht gemeint ist), kann ich nicht anders als zu schelten. Problematisch ist dagegen die überfromme Attitüde, andere in einem Missionierungseifer allzu penetrant zu irgendetwas zu nötigen.
Was die Pluralität angeht, so muss man wirklich sagen, dass ein Leib oder ein Organismus aus den verschiedensten Zellen und Organen aufgebaut ist und auch nur deshalb als Ganzer gut funktioniert, vorausgesetzt die einzelnen Teile arbeiten intakt und zusammen.
Die gesunde Mitte für den Leib Christi liegt wohl Zwischen Magersucht und Fettsucht , denn, um im Bilde zu bleiben, Fettzellen müssen auch versorgt werden und sorgen für eine Ausschüttung von schädlichen Hormonen. Zuviel Fett ist eben genauso ungesund wie zu wenig…
sehr guter Beitrag.
Um es gleich zu sagen: Qualität statt Quantität macht mich immer traurig. Wenn es darum geht, ob „die stramm-Stehenden“ oder möglichst viele gerettet werden, kann ich doch die Wahrheit nicht bei mir behalten, weil ich die anderen nicht mag…
Ich kann mit Begriffen wie „wahre Christen“ und von „ganzem Herzen“ nichts mehr anfangen. Ich schelte diese Terminologie (lange nicht mehr gehört, dieses Wort) von Herzen.
Wie schnell man sich irren kann, wer die wahren Christen sind, darüber hat sich Jesus deutlich genug geäußert, muss ich hier also nicht tun.
Was das ganze Herz betrifft: Was ist mit denen die ringen, zweifeln, fast die Hoffnung verlieren, nicht mehr wissen, wo oben und unten ist und gerade darum kämpfen, ihren Glauben nicht vollends zu verlieren? Machen die nicht den Kern der typisch biblischen Helden und heiligen Sündern aus, die wir als Vorbilder und Glaubenshelden verehren?
Ich finde schon. Es gibt da irgendwo eine Kirche „for all Saints and Sinners“. Guter Titel für eine Gemeinschaft, die sich der Annahme Gottes bewußt ist.
M.E. ist der Punkt nicht, dass man sich auf einen „harten Kern“ konzentriert und diesen auch positiv betont. Ohne diesen Kern würde die meiste Arbeit in den Gemeinden und für diese Welt nicht laufen. Dieser Kern hat eben eine feste Identität und braucht sie auch vor Ort, um gemeinsam leben zu können. Ich finde das richtig.
Nur: Der Fehler wird begangen, wenn der Rest der „Mannschaft“ nicht gilt.
Es gibt „Freunde“, die nicht im Kern sind, und dennoch auf der Basis „Jesus Christus“ stehen – im Sinne Jesu sind es unsere Verwandten. Der Weitblick sollte sein, das Reich Gottes vielfältig zu sehen und dennoch seine Linie zu verfolgen.
Also zur Klarstellung: Ich meinte nicht, dass man Menschen, die sich nicht so leidenschaftlich für Jesus einsetzen, kategorisch und schon gar nicht a priori aus der Gemeinde ausschließen bzw. ihnen das Heil absprechen sollte. Das wäre sehr selbstherrlich und selbstgerecht. Erst recht nicht geht es darum, die Wahrheit für sich zu behalten, das ist ja völlig absurd, das Gegenteil ist der Fall, doch eben dafür muss man sich eben engagieren. Ich habe mich nur gegen den Versuch, das Ideal eines gläubigen Christen zu demontieren oder gar zu pervertieren, Stellung bezogen. Dass die allermeisten von uns so ihre Schwierigkeiten mit der Realisierung dieses Ideals haben, sei es aufgrund diverser Zweifel oder aber Lastern etc., gestehe ich gerne zu. Da bin ich ja auch keine Ausnahme.