Liebe und Absichtslosigkeit

Neulich blieb ich an diesem Satz von Franz Jaliczs hängen:

Es ist der selbstverständliche Wunsch eines Christen, dass Jesus Christus von allen Menschen anerkannt werde. Dieser Wunsch kann aber ein Hindernis sein, die persönliche Bedeutung der Äußerungen zu erfassen, falls sie von diesem Wunsch abweichen oder dazu im Widerspruch stehen.

und etwas später schreibt er (Miteinander im Glauben wachsen, S. 47/49):

Wer seinen Glauben mit der Überzeugung mitteilen möchte, dass er über einen Schatz verfügt, den der andere nicht oder noch nicht in demselben Maß besitzt, kann auf einen inneren Widerstand stoßen, wenn er mit seinem Gesprächspartner auf gleicher Stufe sprechen möchte.

Ich habe mich dann gefragt, ob man den Begriff der Absichtslosigkeit aus der Tradition des kontemplativen Gebets übertragen kann auf die Haltung, die man auch in einem Glaubenskurs (das war der Grund, warum ich das nachlas) anderen Menschen gegenüber pflegen sollte. Aber es gibt ja auch immer die, für die „offen für alles“ automatisch „nicht ganz dicht“ bedeutet.

Also: Kann ich meine Überzeugung schon dadurch verraten, dass ich sie einem anderen nicht aufschwatze?

Absichtslosigkeit beim Beten bedeutet ja nicht, dass ich nicht beten will, sondern dass ich nicht auf ein ganz bestimmtes Resultat festgelegt bin. Wie es kommt, so ist es in Ordnung. Ähnlich im Alpha-Kurs: Ich bringe mich in das Gespräch und den Kurs ein, ich interessiere mich für mein Gegenüber um seiner selbst willen. So wie mir beim Beten Gott konkurrenzlos wichtig ist, und ich ihm keine Vorgaben mache, wie er diese Zeit zu füllen hat, damit es sich für mich lohnt, so kann ich auch in ein Gespräch mit anderen hineingehen. Es hat seinen Wert in sich.

Pah, höre ich jetzt schon den Einwand, Reden um des Redens willen ist verschwendete Zeit, dafür sind wir nicht auf der Welt.

Ist das so?

Wenn ich absichtslos zuhöre und mich mitteile, ist schon etwas herausgekommen. Wenn ich aber unausgesprochen ein bestimmtes Resultat zur Bedingung mache, dann steigt automatisch die Wahrscheinlichkeit, enttäuscht zu werden – und die Gefahr, dass ich mich beim nächsten Mal erst gar nicht mehr auf das Beten oder auf ein weiteres Gespräch einlasse. Und dann kann gar nichts mehr passieren.

Absichtslosigkeit ist auch nicht bloße Pflichterfüllung. Wo ich etwas nur abhaken will, bin ich schon nicht mehr bei der Sache. Absichtslosigkeit ist nicht mit Gleichgültigkeit und Wurstigkeit zu verwechseln. Sie hat aber alles mit Liebe zu tun. Und darum lohnt es sich, ein bißchen Übung zu investieren.

Share

3 Antworten auf „Liebe und Absichtslosigkeit“

  1. Jedes bewusste Handeln des Menschen gründet sich auf eine Absicht. Wenn man jemanden aus Versehen anrempelt, dann kann man sagen, dass es ohne Absicht war. Aber etwas absichtslos machen zu wollen, ist vornherein unmöglich. Das heißt nämlich: die Absicht zu haben: keine Absicht zu haben und etwas zu tun.

    Ein absichtsloses Gespräch ist wie ein versehentliches Anrempeln. Ohne Absicht eben.

    Statt das unmögliche Ziel der Absichtslosigkeit anzustreben, würde ich eher den umgekehrten Weg gehen, und akzeptieren, dass ich Absichten habe und mir diese klar machen. Dann ist es möglich zu schauen, ob meine Absichten mit der christlichen Lehre konform sind, ob ich meine Absichten erreichen kann oder nicht, und mit welchen Mitteln ich diese Absichten am besten erreichen kann.

  2. Sitze gerade an einer Predigt zu Mt 25,31ff und da fällt auf, dass beide Seiten in gewisser weise „absichtslos“ oder unbewusst gehandelt haben. Die einen haben die Nackten, Hungrigen, Kranken, Fremden gesehen und darauf reagiert – die anderen haben noch nicht mal wahrgenommen, dass sie etwas versäumt haben oder nicht gesehen haben. Spannend ist dass beide(!) die Frage stellen, wann sie den Herrn nackt, fremd und hungrig usw. gesehen haben. Das ist der springende Punkt im Weltgericht: Das Handeln der Gerechten war keine religiöse Absicht und keine Methode. Es war einfach ihr Leben wohl in Verbindung zu Gott – vielleicht kann man statt absichtslos auch aufrichtig liebevoll denken und leben.

  3. Meine Absicht könnte sein, dem anderen meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, ihm zuzuhören und (nur)wenn ich gefragt werde von mir zu erzählen. Jalics spricht ja in diesem Zusammenhang auch von „zeugnis geben“. Meine Absicht ist also, anders ausgdrückt “ meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst “ es geht mir aber nicht darum ihn von etwas zu überzeugen oder ihn zu einem bestimmten Punkt zu bringen. , von dem ich meine ,dass er dahin gelangen sollte. Ich vertraue viel mehr in das Wirken des Geistes Gottes sowohl in mir als auch in meinem Gesprächspartner und will mich hineinnehmen lassen in dieses Wirken. Das verändert nicht nur mein gegenüber sondern un gleichem Maße auch mich.Dann bin ich nicht der Wissende und er der Unwissende oder wie ich es früher ausgedrückt hätte ich die Gläubige und der andere der Ungläubige, sondern dann sind wir beide auf dem Weg und teilen uns einander mit.

Kommentare sind geschlossen.