Leute, wo bleibt die Freiheit?

Heute nachmittag blätterte ich bei meinen Eltern in einem christlichen Magazin und fand einen Artikel, der sich mit dem deterministischen Menschenbild mancher Neurobiologen befasste. Wir sind nichts als das Produkt unserer ererbten Hirnstruktur. Schlagzeile und entsetzte Schlussfolgerung waren: Dann gibt es keine Sünde mehr!

Ich verstehe diese Art zu denken einfach nicht. Viele unserer Zeitgenossen kämen super klar in einer Welt, in der es keine Sünde mehr gibt (und folglich, das ist der tiefere Grund der nachvollziehbaren Freude, keine Moralapostel, die einem ein schlechtes Gewissen machen). Aber natürlich liegt das Problem an einer anderen Stelle: Es gibt keine Freiheit mehr, wenn wir total programmiert sind. Es gibt keine Persönlichkeit und Individualität mehr, nur zufällige, unveränderliche Verkabelungen. Es gibt keine Hoffnung mehr auf Veränderung (oder nur durch erzwungene Reprogrammierung), es gibt keine Liebe mehr (die ist nur eine nützliche romantische Illusion zur Brutpflege und Arterhaltung) und es gibt keine Verantwortung mehr, keine Gerechtigkeit, keine Wahrheit – weil jeder nur noch die Wahrheit erkennen kann, auf die er programmiert ist.

Und wenn man das alles gesagt hat, kann man meinetwegen auch sagen, dass es keine Sünde mehr gibt. Wer es andersherum versucht, gerät schnell in den Verdacht, dass er diese negative Folie braucht, um andere damit zu tyrannisieren oder die eigenen Ängste und Komplexe daraus zu speisen. Um die Unfreiheit der Sünde in die Bevormundung durch fromme Moral und soziale Kontrolle zu überführen. Und jenseits aller (nur zu berechtigten, wie ich fürchte) Verdachtshermeneutik stellt sich hier die theologische Frage, ob hier eine ganze Glaubensrichtung den Sündenfall der Menschheit zum theologischen Urdatum erklärt hat und nicht die Güte der göttlichen Schöpfung.

Ehrlich – das kann doch niemand ernsthaft wollen?

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