Leitung einer missionalen Gemeinde (6): Bereit für Veränderungen?

Ich komme zum sechsten Kapitel von The Missional Leader: Equipping Your Church to Reach a Changing World:

Die Erwartungen, die eine Gemeinde an ihre LeiterInnen richtet, wachsen in der reaktiven Zone drastisch an. Zum Glück sind Dinge gefragt, die man tatsächlich lernen kann – eine realistische Selbsteinschätzung und ehrliches Feedback vorausgesetzt. Dazu gehören unter anderem

  • Menschen dazu zu verhelfen, sich ernst zu nehmen und der eigenen Intuition zu vertrauen
  • in einer Gemeinde die guten Gewohnheiten des Betens, des Lesens der Schrift, des Schweigens und der Gastfreundschaft zu pflegen, aus denen das missionale Leben dann wachsen kann
  • ein gründliches Verständnis des komplexen sozialen Umfelds einer Gemeinde zu entwickeln und zu vermitteln

Zugleich bleibt die Frage, wohin die Entwicklung eigentlich gehen soll. Das eigentliche Ziel ist es, Gott zu kennen, allerdings darf das nun nicht verkürzt verstanden werden:

Gott zu kennen bedeutet auch, an einem Leben Anteil zu haben, das sich mit einer echten Berufung erfüllt ist, und das zu tun, was uns im Leben aufgetragen ist. Nur indem wir an Gottes Leben teilhaben, können wir unser telos ausleben und in unser Werk und unsere Bestimmung hineinfinden. (S. 117)

Leiten bedeutet, diese Identität einer christlichen Gemeinde im Blick zu behalten und an erste Stelle zu setzen. Denn die Bibel erzählt davon, wie Gott mitten in der Welt eine alternative Gemeinschaft formt. Zur Zeit des Kirchenvaters Tertullian war es üblich, dass neue Christen diesen alternativen Lebensstil sehr gründlich und konkret einüben mussten. Seit der konstantinischen Wende waren die Bischöfe weniger mit der Vermittlung eines konkreten Lebensstils und der Bildung einer Kontrastgesellschaft befasst, sondern beaufsichtigten Theologie und öffentlichen Kultus.

Das Verständnis der Menschwerdung Gottes hielt die alte Kirche davon ab, die konkrete, politische und praktische Christusnachfolge gering zu achten und dem typisch modernen Zwiespalt zwischen innerer Frömmigkeit und einem praktischen Atheismus in der Methodik des Gemeindeaufbaus zu erliegen, der sich unkritisch an der Struktur und Funktionsweise von Behörden oder Unternehmen orientiert.

Christus nachzufolgen bedeutet nicht in erster Linie, ein anderes Bild von sich selbst zu gewinnen, sondern sich einer andersartigen Gemeinschaft mit anderen Verhaltensweisen anzuschließen. Wir sehen in der Apostelgeschichte, wie sich Gemeinschaft gerade nicht durch strategische Organisationsentwicklung bildet und ausbreitet, sondern wie der Geist Gottes solche Pläne und Vorstellungen immer wieder über den Haufen wirft. Die Zukunft der Gemeinde wächst aus ihren praktischen, konkreten Lebensvollzügen und entzieht sich jeder Systematisierung und schematischen Konzeptionalisierung.

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