Am Ende seines kleinen Diskurses über die Hölle schreibt Hans Urs von Balthasar, man müsse die biblischen Gerichts- und Unheilsworte insofern ernst nehmen, als man darin die große Verantwortung erkennt, die menschliche Freiheit mit sich bringt – die Möglichkeit, sich dauerhaft gegen Gott und das Gute zu immunisieren. Schwierig wird es immer dann, wenn man dem Erschrecken über sich selbst ausweicht und über das Schicksal anderer theoretisiert und spekuliert – für die anderen müssen wir kompromisslos hoffen:
Wer mit der Möglichkeit auch nur eines ewig Verlorenen außer seines selbst rechnet, der kann kaum vorbehaltlos lieben… Schon der leiseste Hintergedanke an eine endgültige Hölle für andere verführt in Augenblicken, wo das menschliche Miteinander besonders schwierig wird, dazu, den anderen sich selbst zu überlassen. Man müsste sich aber [es folgt ein Zitat von Hansjürgen Verweyen] »wirklich vorbehaltlos entscheiden, jeden Menschen in seinem ganzen Wert anzuerkennen und in dieser Bejahung der anderen die eigene endgültige Freude zu suchen. Sieht man die Dinge so, dann bedeutet ein ‚Himmel für alle‘ nicht etwa den Anreiz zur Faulheit im ethischen Engagement, sondern die schwerste Anforderung an alle, die man sich denken kann: den Entscheid für eine Geduld, die grundsätzlich niemand aufgibt, sondern unendlich lange auf den anderen zu warten bereit ist… wenn ich aufgrund der universalen Güte Gottes keinen auf ewig abschreiben darf, dann könnte mein ewiges Unglück gerade darin bestehen, dass ich selbst einfach nicht die Geduld aufbringe, auf die ‚Bekehrung des anderen‘ unendlich lange zu warten.« Und nicht irgendwann dem lieben Gott zu sagen: „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ Kann ein Christ dieses Mörderwort in den Mund nehmen? Und welcher Mensch ist nicht mein Bruder?
Exellent!
Da wäre mal der verwegene Gedanke einer evangelischen Theologie vom Fegefeuer reizvoll. Der Mensch kann in seiner Freiheit die Nähe Gottes verspielen oder ablehnen (oder wird Gott am Ende alle voller Liebe in den Himmel zwingen?). Die Liebe der Menschen und Gottes werden aber auch dort weiter um ihn werben … (eine Weiterentwicklung des Gedankens von „Hinabgestiegen in das Reich des Todes“ …)
@Stefan: Ja, außer Lewis‘ großer Scheidung kenne ich da aber kaum Ansätze. Ist Dir etwas untergekommen? Das Purgatorium hat leider seit Tetzel einen ganz schlechten Ruf unter Evangelischen, wer dem zu nah kommt, gerät leicht ins „friendly fire“…
Habe da einen interessanten Vortrag von Siegfried Zimmer gehört, in dem der zwar nicht das Wort Fegefeuer benutzt hat, aber letzten Endes das Endgericht in dieser Weise gedeutet hat.
Hallo Peter,
zum Thema Fegefeuer aus protestantischer/ evangelikaler Sicht gibt es aus dem englischsprachigen Raum z.B. das Buch von
Jerry L. Walls ( Professor für Religions-Philosophie am Theologischen Seminar in Asbury) mit dem Titel
„Purgatory: The Logic of Total Transformation“ (gibts auf Amazon).
Ich hab’s zwar selber noch nicht gelesen. Hab’s mir aber vorgenommen 😉
Er hat auch zwei andere Bücher verfasst:
„Hell: The Logic Of Damnation“
und „Heaven: The Logic of Eternal Joy“
Viele Grüße
Marco
Jerry L. Walls gibt’s auch auf YouTube, wie ich eben sehe.
Der Clip klingt schon mal recht spannend. Jerry Walls Sicht des Fegefeuers passt auch gut zu dem, was Zulehner bei euch in Erlangen angedeutet hat.
Wenn wir uns als Protestanten das „Fegefeuer“ wieder aneignen könnten, würden wir vier Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Zum einen wären wir die seltsamen „zwei Gesichter Gottes“ los (Vor dem Tod: ein vergebender, liebevoller Gott, der jeden sucht, annimmt und so viele Chancen gibt, wie benötigt werden. Nach dem Tod: Ein kalter Justiz-Gott, der die „Guten“ ins Töpfchen und die „Schlechten“ ins Kröpfchen steckt – wobei sich „gut“ bzw. „schlecht“ zu allem problematischen Überfluss auch noch an der dogmatischen Gesinnung ausrichtet… -, der jegliches Gefühl für zweite, dritte, vierte oder die sieben mal siebzigste Chance verloren zu haben scheint.).
Zum anderen würde der Transformationsprozess, den der Glaube ja in uns laut Jesus anstoßen möchte und der durch die „Sola Gratia“-Theologie doch schnell in Vergessenheit gerät (oder zum puren Heiligungsdruck mutiert) wieder in den Fokus rücken (worum geht es Gott? Um die Rettung deiner Seele? Nein. Er möchte, dir helfen so zu werden, wie Jesus wäre, wenn er du wäre!). Und dass dieser Prozess auf der Erde zwar wichtig ist, im Augenblick des Todes jedoch seltsam übergangslos, plötzlich (Huch) abgeschlossen sein soll, macht ja irgendwie nicht wirklich Sinn.
Zum dritten, böte das Fegefeuer eben die Hoffnung auf eine „Möglichkeit der Rettung Aller“ ohne einen Liebesbesoffenen Gott, dem einfach egal ist, wer da so „rein“ kommt, so lange er oder sie nur reinkommen. Gott würde eben nicht bloß „eiei“ machen und uns über den Kopf streicheln, wie wir das mit kleinen Kindern tun, sondern er würde uns und unsere Entscheidungen ernst nehmen. Aber eben nicht indem er ein ewig andauerndes Strafgericht über die zu-Jesus-Nein-sager verhängt, sondern indem jedem die ewige Möglichkeit ließe, Gottes Liebe zu finden.
Und zum vierten schließlich nähme das Fegefeuer die Opfer ernst. Die große Frage nach Gerechtigkeit, die vielen Menschen auf dieser Welt nicht zuteil wird. Die Gefolterten, Ausgebeuteten, Vergewaltigten usw. Das Fegefeuer böte einen Vorstellungsraum, in dem ein Täter nicht einfach bloß durchgewunken wird (weil er im Augenblick seines Todes gerade noch die magischen Worte gesprochen hat), sondern in dem er mit seinem Sein und seinen Taten konfrontiert würde. Hierin würden sowohl Opfer als auch Täter ernst genommen. Was ich einem anderen Menschen angetan habe ist nicht einfach weg-vergeben. Nein, ich werde mit meinen Taten konfrontiert (das Opfer sieht damit auch, dass nicht egal war, was ihm angetan wurde) und Himmel breitet sich in meinem Leben aus, „wie durchs Feuer hindurch“ (Paulus).
Meines Erachtens kommen wir, wenn wir die Gnade und die Gerechtigkeit und die Liebe Gottes konsequent auf das Leben denken wollen, gar nicht ohne ein Fegefeuer aus.
Hmmm… Ich bin da skeptischer, Jay: Für Walls steht (wie traditionell im Protestantismus, der westlichen Theologie und erst Recht im Evangelikalismus – Walls ist halt Methodist mit starken Einschägen der Heiligungsbewegung) das Individuum im Mittelpunkt. So klingt das hier wenigstens. Wenn es aber um eine Transformation der ganzen Schöpfung geht und individuelle Transformation bzw. Vollendung darin enthalten ist, dann lässt sich individuelle Unvollkommenheit nicht von der Umwelt, auf die sie ja reagiert und einwirkt, trennen. Und dann wäre auch die Frage, ob eine vorübergehende Quarantäne der Heilung des einzelnen und dem Schutz der Allgemeinheit dient oder ob nur beides in Beziehung zu einander möglich ist.
Sehr schön!
Das „Fegefeuer“ finde ich als Vorstellung auch immer atraktiver. Es nimmt den Menschen und seine Entscheidungen ernst, verharmlost also seine Sünden nicht, und glaubt doch daran, dass jeder versöhnbar ist. Somit hat man keine „billige“ Allversöhnung sondern einen Versöhner, der in alle Ewigkeit daran glaubt, dass letztlich Liebe alle erreichen und transformieren wird.
Außerdem wird der Fokus mit dem Fegefeuer darauf gelegt, worum es wirklich geht. Nicht um Glaubenssätze, die man vor sich her redet, sondern, darum, dass wir zur Liebe umgestaltet werden.
Tolles Zitat!
Und das mit dem Fegefeuer höre ich inzwischen auch gelegentlich. Ich meine, ich hätte vor Jahren dazu mal was im Informationsblatt der englischen Bibelgesellschaft gelesen (das ist im übrigen eine wirklich exzellente Zeitschrift…).
Danke für diesen kleinen Gedankenhinweis.
PS: Ich glaube, Du hast da einen kleinen Vertipper drin. Beim lieben Gott kurz vor Ende des Zitats.
Gruß
Philipp
danke – habs gefunden und korrigiert!
mir kam bei oben genanntem Thema ein anderes Problem: nicht den Anderen zu schnell zu verwerfen, sondern ich stellte fest (am ehesten im Blick auf die eigenen Kinder) das ich mit dem Höllengedanken im Hinterkopf gar nicht konsequent vorbehaltlos LIEBEN KANN. Denn die tatsächliche Möglichkeit der Hölle (möglicherweise auch für die eigenen Kinder ???) bringt im Hintergrund so sehr den Gedanken der Furcht (die nicht in der Liebe sein „soll“) mit, das ich sofort alle möglichen Verdrängungs-und-Vermeidungsstrategien aktiviere um die Angst davor „im Zaum zu halten“. Also ist Liebe aus reinem Herzen dem Anderen gegenüber gar nicht möglich, weil sie sofort von diesen „Verdunkelungsfäden“ durchzogen wird. Man muß sich nur mal von den eigenen (möglichst kleinen Kindern) nach der Endkonsequenz der Hölle fragen lassen, … mich hat das dem Herzen Gottes vielleicht eher näher gebracht, als manche theologische Abhandlung, auch wenn damit die Thematik nicht „geklärt“ ist. Aber das Klären, ist an dieser Stelle auch nicht angebracht, könnten wir das, stellte sich die Frage kaum noch, dann hätten wir alle Höhen und Tiefen durchschritten und die Gottesfrage wäre geklärt.
@Susanne: Den Hinweis mit den Kindern, die eher empathisch da herangehen, finde ich ganz wichtig. Dem gegenüber sind in manchen Apologien der „Hölle“ häufig Sätze zu finden, die sagen, dass man seine Empfindungen bitteschön beiseite lassen soll und „sachlich“ argumentieren – schließlich geht es ja um Bibelstellen, nicht um Menschen…
Das ist schon bezeichnend, wie da eine theologische Richtung darauf gepolt wird, Mitgefühl zu unterdrücken um der „Wahrheit“ irgendwelcher Prinzipien willen.
Letztlich können wir die Frage, ob jemand errettet oder verloren ist, nicht klären. Das ist allein Gott vorbehalten. Wir sollen einfach „nur“ vorbehaltlos lieben und das Gericht alleine Gott überlassen.
Deswegen aber, u.a. mit bemühter Logik, die Hölle oder Verdammnis versuchen zu leugnen oder kleinzureden a la „nur“ Fegefeuer ist m.E. auch nicht hilfreich, aber allzu menschlich.
Lasst uns doch Gottes Gebot, allen Menschen von ihm zu erzählen (landläufig bekannt als Mission) und ihnen in Wort und Tat zu helfen als oberste Priorität gelten (damit erfüllen wir auch das Gebot, die Menschen zu lieben), dann handeln wir letztlich in seinem Sinne.
@Peter, jetzt aber mal Butter bei die Fische: Wer sagt denn so etwas? Bisl konkreter, sonst ist das nur ein vager Rundumschlag, der nur Ressentiments fördert.
Wieso sollte ich hier öffentlich jemanden denunzieren?
Weil du so einfach eine große Gruppe einem Generalverdacht unterziehst, ohne dass die sich wehren kann. Und wenn dann jemand sagt, dass das doch gar nicht so sei, kannst du immer sagen, du bist gar nicht gemeint oder du weißt doch gar nicht, wen ich meine. Schattenboxen. Reine Rhetorik.
Ja, wie immer beschreibe ich hier Probleme, die keine sind. Erstaunlich, dass Dich das noch erstaunt. Aber die Tatsache, dass Du meinst, wen-auch-immer in Schutz nehmen zu müssen, sagt doch auch schon was aus 🙂
Was bei dir alles etwas aussagt… 😉 das sagt auch etwas über dich aus, könnte man da sagen.
Ich möchte halt gerne Ross und Reiter beim Namen genannt haben. Solche Andeutungen bringen gar nichts. Das ist nur der Aufbau eines Scheingegners, über den man sich empören kann. Das macht Erdogan gerade ganz extrem, indem er dubiose ungenannte „ausländische Kräfte, die der Türkei ihre wirtschaftlichen Erfolge neiden“, für die Demonstrationen verantwortlich macht.
Du empörst Dich offenbar gern. Dann versuch’s doch einstweilen mit Erdogan. Da kann man nicht viel falsch machen.
Balthasar in allen Ehren, guter Mann.
Aber in diesem Ausschnitt scheint es, er wolle die Richtigkeit dogmatischer Aussagen davon abhängig machen, ob sie uns zur Liebe befähigen oder nicht. Das ist mir etwas wenig.
Wenn die Hölle eine reale Gefahr ist, kann ich liebend um den anderen Angst haben oder lieblos ihn „sich selbst überlassen.“ Ist sie es nicht, kann ich liebend den anderen sich selbst überlassen oder lieblos Angst haben, ihn im Himmel wiederzusehen.
Ob ich den anderen liebe oder nicht, ist meiner Erfahrung nach unabhängig von meinen dogmatischen Entscheidungen.
@Andreas: Ich glaube, von Balthasar meint das anders. Erstens wendet er sich an dieser Stelle gegen die Kritik, dass ein universales Verständnis des Heils zu Gleichgültigkeit und einem Verlust von Ernsthaftigkeit führt.
„Objektive“ Aussagen über die Hölle sind nicht möglich, so lange das nur eine Möglichkeit und eben keine Wirklichkeit ist. Ergo hält er es für sinnvoller, als Postulat der praktischen (!) Vernunft (und nicht der „theoretisch-wissenden“, wie er schreibt) davon auszugehen, dass Gott in Ewigkeit niemanden aufgibt, weil auch ich dann niemanden aufgeben darf/sollte/werde. Denn wenn Gott irgendwer später so egal ist, dass ihn dessen Qualen ihn nicht ewig schmerzen, dann (so verstehe ich das auch) kann das jetzt nicht so viel anders sein, Gott bleibt ja derselbe. Wenn aber Gott jetzt schon Menschen gleichgültig wären (oder, um mal den fabelhaften Mr. Piper zu bemühen, er sogar mächtig wütend auf sie ist), dann kann ich mir das freilich auch gestatten.
Vielen Dank! Auf welche Kritik v. Balthasar eingeht, war ja aus dem Ausschnitt nicht erkennbar. So lässt sich das Zitat besser einordnen.
Ich könnte, solange ich die Hölle für eine Möglichkeit halte, vielleicht als Postulat der praktischen Vernunft auch formulieren: „Ich will niemanden aufgeben, bevor Gott es tut.“
Dann würde die Praxis nicht so sehr mit der traditionellen Dogmatik auseinander fallen. (Ob das ein Ziel ist, kann man natürlich diskutieren, aber es erleichtert vieles.)
@Peter, ja, so eine Reaktion hab ich nur erwartet. Ich empöre mich nicht, du empörst dich, und zwar total nebulös, ohne irgendeine Angriffsfläche zu bieten. Das ist feige. Und nicht aufrichtig. Steh doch zu deinem Wort und nenne die Dinge beim Namen. Wir leben in einer Demokratie, in der jeder sagen kann, was er denkt. Weich mir nicht aus.
Es ist nicht schön, dein Antwortmuster zu sehen. Auf Lob artig mit danke zu antworten ist keine Kunst, auf Kritik mit beißendem Sarkasmus zu antworten statt sich damit auseinanderzusetzen sollte nicht sein.
@Andreas, guter Einwand!
Ich wundere mich, wie man sich so ohne Weiteres mit einer Existenz der Hölle abfinden und ein positives Gottesbild bewahren kann. Man stelle sich nur mal vor, ein Land würde Verbrecher als Strafe für den Rest ihres Lebens foltern. Da wären wir doch zurecht entsetzt. Aber wenn es darum geht, dass Menschen ewig gefoltert werden, zucken wir nur mit den Schultern.
Ich würde sowas den schlimmsten Menschen, die jemals gelebt haben, nicht wünschen.
Ich fände es auch nicht gerecht. Für die Opfer der Sünde wäre nichts gewonnen. Auch nach dem Prinzip „Auge um Auge“ wäre es nicht fair, da keine Mensch in seinem Leben so viel Leid anrichten kann um ewige Folter zu rechtfertigen.
Damit bleiben mir nur zwei Grunde für eine Hölle: Zur Rache und als Drohung zur Machtausübung. Beides meiner Meinung nach ziemlich armselige Gründe.
@JohannesP: Ich beobachte deine Kommentare zu diversen Posts schon seit einer Weile. Es scheint immer das gleiche Schema zu sein: Peter schreibt über irgendetwas und bezieht zu irgend etwas (nicht irgendjemanden!) Position. Dann kommst du und willst von ihm, dass er dir sagt, gegen wen (nicht gegen was, denn das hat er ja schon geschrieben) er sich wendet.
Das Spiel ist langweilig und bringt nicht weiter. Bitte einfach über eigene Einstellungen diskutieren und wie man sie begründet und nicht darüber wer gegen wen ist. So ist Platz für alle Meinungen.
Danke.
Danke, Daniel.
Allgemein scheint es offensichtlich, das die wenigsten von uns begriffen haben (ich schließe mich damit ein — allenfalls ahne ich was), wie Böse und Verdorben wir im Grunde sind — und wie heilig Gott ist! Und wie sehr wir die Hölle eigentlich verdient haben.
Solange wir dafür keinen klaren Blick haben, scheint Gott ungerecht, überzogen etc., zumindest, wenn man seine „klassische Leseart“ der Bibel nicht ändert!
Die Liebe Gottes wird umso größer scheinen, je mehr wir erkennen, wie wenig wir es verdient haben und der Tod Jesu am Kreuz wird umso mehr verherrlicht werden.
Wird nicht erst die große Spannweite der Gegenpole – Sündiger Mensch / Heiliger Gott – Gottes Bewegung auf uns(!) hin zu seine große Liebe und sein Erbarmen deutlich machen? Wer das erfährt, der wird, wie Anderas schon erwähnt hat, kaum das „Liebes/Angst“-Problem haben.
@Matthias: Im Blick auf Dich selber ist dieses Erschrecken durchaus sinnvoll, wenn es nicht (wie bei vielen) zu einem krankhaft negativen Selbstbild führt, wo man vor lauter Sünde nichst Gutes und Liebenswertes mehr an sich selbst erkennen kann. Für mich klingt das aus Deinen Worten etwas durch, vielleicht höre ich aber nur das Echo der Stimmen, auf die so eine Diagnose zutrifft, und Du bist ein rundum gesunder und fröhlicher Mensch.
Aber es ist eben eine Folge der Offenbarung Gottes in Christus und nicht etwa menschlichen Wunschdenkens, dass viele sich einen Gott der Rache nicht mehr vorstellen können, eben weil ich Barmherzigkeit erlebt habe und im Grunde meines Herzens nicht besser bin als andere, die Gott (noch?) nicht kennen oder keinen Zugang zu ihm finden.
„Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes! Denn es steht geschrieben: „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr.“
… es scheint doch eher menschliches Wunschdenken zu sein!
6 Denn es ist gerecht bei Gott, mit Bedrängnis zu vergelten denen, die euch bedrängen,
7 euch aber, die ihr Bedrängnis leidet, Ruhe zu geben mit uns, wenn der Herr Jesus sich offenbaren wird vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht 8 in Feuerflammen, Vergeltung zu üben an denen, die Gott nicht kennen und die nicht gehorsam sind dem Evangelium unseres Herrn Jesus. 9 Die werden Strafe erleiden, das ewige Verderben, vom Angesicht des Herrn her und von seiner herrlichen Macht, 10 wenn er kommen wird, dass er verherrlicht werde bei seinen Heiligen und wunderbar erscheine bei allen Gläubigen an jenem Tage; denn was wir euch bezeugt haben, das habt ihr geglaubt. 2 Thess. 1,6-10
Das Wort „Gott der Rache“ kommt hier wohl nicht vor, aber der Text spricht erstmal für sich selbst!
Es stimmt wohl, das ich kaum besser als andere bin, aber das heißt ja nicht, dass uns Gott deswegen als eine Solidargemeinschaft aller Menschen in den Himmel nimmt. Allein echter Glaube aufgrund der Schrift ist und bleibt das, was uns vor dem kommenden Zorn errettet.
Freilich lassen sich solche Bibelstellen finden und noch viel Schlimmere, freilich sind Rachevorstellungen auch im NT nicht völlig überwunden, und wenn man alles undifferenziert nebeneinanderstellt, dann kann man daran verzweifeln. Die Bibel ist eben ein sehr menschliches Buch. Theologie fängt da an, wo man nicht mit Belegstellen um sich wirft, sondern nach sinnvollen (!) Zuordnungen dieser Aussagen fragt. Und da bin ich nicht der einzige, der sagen würde, das Bild, das Jesus und von Gott gegeben hat, verträgt sich mit diesen Vorstellungen nicht. Zumal diese Lesart ja keineswegs zwingend ist: Wenn Gott die Rache zu überlassen ist, dann ist damit gerade nicht gesagt, dass er von der Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch macht. Es heißt nur, dass mich der Täter ab da nichts mehr angeht.
„Wenn Gott die Rache zu überlassen ist, dann ist damit gerade nicht gesagt, dass er von der Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch macht. Es heißt nur, dass mich der Täter ab da nichts mehr angeht.“ Super formuliert.
Aber worin unterscheidet sich diese Einstellung von dem von Balthasar kritisierten „den andern sich selbst überlassen“?
Ich hätte besser schreiben sollen: Die Frage, ob und wie er bestraft wird, geht mich nichts mehr an. Oder der andere in seiner Rolle als Täter.
Aah! Kein so schöner Aphorismus mehr, aber verständlicher, danke!
@Matthias: Eben habe ich erst bemerkt, dass Du oben ja tatsächlich geschrieben hast: „Es stimmt, dass ich kaum (!) besser als andere bin“…?
Ich denke, dass „die Hölle“ wichtig ist, damit Gottes Liebe nicht missverstanden wird. Gottes ist in seiner Liebe frei, er muss mich nicht lieben und könnte auch aufhören mich zu lieben. Dass er mich liebt und mir treu ist, versteht sich nicht von selbst.
Vielleicht ist das der Grund dafür, dass Jesus meistens zu den Frommen über die Verdammnis spricht., denen die Gnade zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Warum dafür die Hölle wichtig ist, erschließt sich mir nicht. Wenn man ein Problem damit hat, jeden in den Himmel zu lassen, würde ja eine Verdammnis im Sinne eines ewigen Todes (Nichtexistenz) genügen.
Auch wieder wahr. Zumal heutzutage die Hölle oft als Ort definiert ist, an dem Gott nicht mehr ist. Wenn Gott aber der Grund unserer Existenz ist, dürfte in der Hölle eigentlich auch niemand mehr existieren. Außer man macht sich die platonische Sicht von der unsterblichen Seele zu eigen.
Auf der Linie liegt auch das beste theologische Argument: Wenn Paulus in 1.Kor 15,28 heißt, dass als letzter Feind der Tod entmachtet wird und dann Gott alles in allem sein wird, dann ist da eigentlich kein Platz mehr für eine Hölle.
Man könnte das bestenfalls noch so denken, und das geschieht auch ab und zu, dass ein Mensch einen derartigen Widerwillen gegen Gott und seine Liebe entwickelt, dass die Gegenwart Gottes für ihn zur Qual wird, nicht seine Abwesenheit. Furchtbar plausibel finde ich den Gedanken trotzdem nicht.
Bei manchen Menschen denke ich, die werden es im Himmel echt schwer haben, weil er nicht 100%ig unseren Vorstellungen enstpricht, und das wird für sie die Hölle sein. Aber vermutlich hat Gott auch für die noch ein Ass im Ärmel 😉
Ich fürchte, unter den vom Himmel enttäuschten könnten vor allem Christen sein. Die hätten ihre Mühe damit, wer noch so alles da ist…
Super Kommentar! 😀
(Typisches ?) Allversöhner-Argument! In der Offenbarung „fehlt“ anscheinend ein Kapitel, das die Gesamte Wiederherstellung beschreibt!
Ein gewisser „Tim Kelly“ hat sich dem Thema „Allversöhnung“ etwas ausführlicher geäußert und die ganze Sache gut auf den Punkt gebracht!
„Es wird eine Zeit kommen, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen können …“
Dass es solche Meinungen schon immer gab, ist ja nicht die Frage, aber offensichtlich hat unsere Zeit mehr denn je offene Ohren für diese (barmherzigen???) Thesen und immer mehr kommt dies in der Mitte der Neoevangelikalen an!
„Und weil die Gesetzlosigkeit überhand nimmt wird die Liebe in vielen erkalten“. Wie trefflich doch die Bibel ist!
Ich weiß nicht, welch treffliche Bibel Du liest, Matthias, aber wenn am Ende der Offenbarung alle Völker ihre Schätze ins himmlische Jerusalem bringen, dann ist das eine ziemlich universale Heilsansage, ganz auf die Linie von Römer 11.
Die Klage über „Gesetzlosigkeit“ und Abkehr von der „wahren Lehre“ ist ein Standardelement konservativer Untergangsrhetorik, mit der seit Generationen jede Art von eigenständigem Denken abgewürgt wird. Ich finde das albern.
14 Darum, meine Lieben, während ihr darauf wartet, seid bemüht, dass ihr vor ihm unbefleckt und untadelig im Frieden befunden werdet,
15 und die Geduld unseres Herrn erachtet für eure Rettung, wie auch unser lieber Bruder Paulus nach der Weisheit, die ihm gegeben ist, euch geschrieben hat.
16 Davon redet er in allen Briefen, in denen einige Dinge schwer zu verstehen sind, welche die Unwissenden und Leichtfertigen verdrehen, wie auch die andern Schriften, zu ihrer eigenen Verdammnis.
17 Ihr aber, meine Lieben, weil ihr das im Voraus wisst, so hütet euch, dass ihr nicht durch den Irrtum dieser ruchlosen Leute samt ihnen verführt werdet und fallt aus eurem festen Stand.
18 Wachset aber in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilands Jesus Christus. Ihm sei Ehre jetzt und für ewige Zeiten! Amen.
Brillant!
Pro oder contra Hölle zu „argumentieren“ halte ich für ein schwieriges Unterfangen. Philosophische Betrachtungen haben sicherlich irgendwo ihre Berechtigung, dennoch muss sich jeder Mensch einfach entscheiden, ob er die zahlreichen Warnungen von Jesus und vielen anderen Autoren der Bibel, (für immer) zu scheitern, ernst nimmt, akzeptiert. M.E auch ein Schritt von Demut. In diese Richtung, nämlich die Möglichkeit des eigenen Scheitens einzubeziehen, ging ja eigentlich auch der anfängliche Beitrag, nicht darum, die Hölle logisch wegzuargumentieren.
Interessant. Aber ist nicht letztlich wichtiger, ob ein doppelter Ausgang möglich ist, d.h. was theologisch „richtig“ ist, als die psychologische Wirkung, die eine „Allversöhnung“ hätte?
Entschuldige, der obige Kommentar sollte zum Blogbeitrag „Sola Gratia. Echt jetzt?“
Ich kann den Kommentar leider nicht „umhängen“. Also nur die kurze Antwort, dass mich bei diesem Post erst einmal nur die Rolle des Verdienstgedankens interessiert. Zumal ich glaube, dass die Frage nach dem Ausgang vorab nicht, wie von Balthasar zu Recht sagt, auf der Basis theoretisch-wissender Vernunft zu entscheiden ist, mithin nur die Ebene der praktischen Vernunft (wie wirkt sich das schon konkret aus?) oder eben der Hoffnung bleibt.