Vor einer Weile habe ich mich hier mit der Frage der Sichtbarkeit des „Reiches Gottes“ beschäftigt. Jesus sagt in Lukas 17,20f dass es nicht so kommt, dass man darauf zeigen könnte und sagen: Da ist es. Es ist nicht eindeutig identifizerbar oder klar abzugrenzen gegen den Rest der Welt. Dazu kommt, wie das Gleichnis vom Senfkorn zeigt, dass es immer winzig klein anfängt, selbst wenn ihm eine große Zukunft verheißen ist. Die jedoch ist auch 2000 Jahre später noch Zukunft und nicht schon greifbare Gegenwart.
Zwei Impulse aus Bernhard vom Mutius‘ Sammelband Die andere Intelligenz haben mich nun daran erinnert. Das eine war, dass Mutius dort sagt, komplexe Systeme funktionieren nichtlinear. Von einer großen Wirkung kann man nicht zwingend auf große Ursachen zurückschließen, sondern kleine Ursachen können durchaus große Wirkung haben. Ich glaube, das hat Jesus mit dem Senfkorn und dem Sauerteig gemeint – und mit der maßlosen (u.a. auf Ezechiel 17 anspielenden) Übertreibung, dass aus dem winzigen Senfkorn der größte Baum wachsen werde. Da schlummert im übrigen auch das Konzept der Emergenz.
Dann zitiert Mutius Hannah Arendt, dass Politik im Zwischen-den-Menschen entsteht und sich als Bezug etabliert (dasselbe ließe sich vom Reich Gottes auch sagen, und damit ist es eben immer auch ein politischer Faktor), um kurz darauf im Blick auf Wirtschaft und Kapital zu folgender Aussage zu kommen, die auch vielerlei Reflexe auf das Reich Gottes ermöglicht:
Dies ist ein sonderbares, schwereloses Kapital, das man nicht anfassen kann, das in den Köpfen der Mitarbeiter, Partner, Zulieferer und Kunden steckt, in ihren Teamstrukturen und Netzwerken kaum sichtbar verborgen ist. Und dieses Wissenskapital vermehrt sich auf eigenartige Weise: Man muss es weggeben, verausgaben, gemeinsam mit anderen teilen. Wer es hortet oder wer nur abgeschottet von anderen mit ihm arbeitet, wird es verlieren.
Viel (oder die Meisten?) warten ja auf das grosse „Kollektiv-Ereignis“. Irgendwas in die Richtung vom Johannes-Evangelium. Also eine Mischung aus Musical und Horror-Triller. Also „ganz grosses Kino….“ Nur zu blöd, wenn es dann nicht statt findet, wenn man gerade lebte. Wenn dann die Toten ihrer Augen wieder auf machen, ist die Show schon vorbei. Das ist dann wie Silvester verschlafen und sich am nächsten Tag erzählen lassen wie toll das Feuerwerk war.
…Unlucky!
Hallo Olaf,
mag sein, nur den Bezug zu Johannes kann ich noch nicht nachvollziehen…?
Sorry! Natürlich nicht das Evangelium sondern natürlich die Offenbarung. Und her ganz Konkret 21,1-3 Wie es Kommt…
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde waren vergangen, und das Meer gibt es nicht mehr. Und ich, Johannes, sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabsteigen, zubereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel sagen: Siehe, das Zelt Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen; und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott.“
Die Toten werden nach Off 20,5 erst nach der „Show“ erweckt z.T. erst 1000 Jahre später.
Danke für den Hinweis auf den Irrtum.
Ok. Ich habe gar nichts dagegen, dass es so kommt und empfinde das auch nicht als Show sondern als hoffnungsvolle Perspektive: Am Ende wird aus dem Senfkorn ein gewaltiger Baum. Nur halt jetzt noch nicht…
Olaf meint wohl die Offenbarung des Johannes. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jemand das „live“ erleben moechte.
Hmm, da sieht man, wie lange ich brauche, einen Kommentar abzufassen…
Den Anbruch des Himmelreichs wrde ich nicht auf die Zukunft verlegen wollen. Das ist schon da, wenn auch manchmal schwer zu glauben.
@Manfred: Nicht der Anbruch, sondern die Vollendung steht aus. Kleiner Unterschied, aber wichtig.
@Manfred B: Wenn du schreibst „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jemand das ‚live‘ erleben moechte.“ Gut. Deshalb fragte sich schon Ludwig Seebohm (Quaker: http://www.the-independent-friend.de/?q=node/120) warum den Leute jeden Sonntag „…dein Reich komme…“ beten, wenn sie es sowieso nicht erwarten, oder gar nicht wünschen?
Aber wie Peter schon angerissen hat, lässt sich das Reich Gottes auch anders verstehen. Die Frage ist ob man zu einer eschatologischen Glaubensgemeinschaft gehört oder nicht.
@Olaf:
Ich bezog mich nicht auf das Kommen des Reiches Gottes als solches, sondern auf das in der Offenbarung beschriebene Schreckenszenario.