Irisch und ironisch

Also ich mag ja den Rollins – den irischen Akzent, den verschmitzten Humor, das Um-noch-eine-Ecke-mehr-Denken. Auch wenn ich nicht immer einverstanden bin mit dem, was er schreibt. Die Pose des Rebellen und Underdogs wird einem (Nord)Iren ja als zweite Natur in die Wiege gelegt, zugleich wird sie konterkariert durch die Autorenbeschreibung auf dem Buchdeckel, die so auch für etablierte Größen der evangelikalen Szene gelten könnte:

Peter Rollins is a widely sought-after writer, lecturer, storyteller and public speaker nationally and internationally. Es folgen die akademischen Lorbeeren: BA, MA, PhD und dass er momentan in Greenwich, Connecticut lebt.

Weil wir ja aber alle wissen, dass Rollins ein Leitungsverweigerer ist, kann der Verweis auf seine Kompetenz als Meinungsführer ja eigentlich auch nur Ironie sein. Oder?

Zu Beginn von Kapitel 7 von Insurrection erzählt Rollins wieder eine seiner subversiven Parabeln: Gott beschließt nach einem Blick auf die Erde, dass er nun endlich die Spreu vom Weizen trennen sollte. Er ruft vom Himmel all jene, die der Welt entsagt und sich dem Himmel zugewandt haben. Sie werden entrückt, und kaum sind sie oben angekommen, verlässt Gott mit seinen Engeln den Platz auf den Wolken und schlägt sein Zelt auf Erden auf: Bei denen, die um der Welt willen Gott aufgegeben hatten, und freut sich, dass nun endlich die Schafe von den Böcken, die Treuen von den Abtrünnigen geschieden sind.

Ok, die Geschichte ist natürlich schwer konstruiert. Aber was sagt sie eigentlich aus? Bevor wir Rollins seine eigene Interpretation geben lassen, lohnt sich ein Blick auf das, was er hier macht. Manchmal verraten Gleichnisse ja mehr, als der Autor im Sinn hatte:

Die ganze Story hat eine solide dualistische Grundlage: die Gegensatzpaare Himmel/Erde und Gerechte/Ungerechte (oder deren Äquivalent). Rollins stellt den Dualismus hier nicht in Frage, sondern einfach nur auf den Kopf. Statt einen überraschenden dritten Weg zu eröffnen, erklärt er – wenig überraschend, wenn man bis hier durchgehalten hat – den ersten Weg und seine Vertreter für verfehlt. Er scheint aber ganz zufrieden damit, dass die Hölle nun im Himmel ist und der Himmel auf der Erde.

Nun zu den Leerstellen des Gleichnisses. Was überhaupt nicht in den Blick kommen darf, ist ja die Möglichkeit, sich für Gott und die Welt zugleich zu entscheiden. Also muss Gott am Ende die Entscheidung für die Welt und gegen ihn umdeuten in eine Entscheidung für ihn. Dass man sich aus ebenso banalen Gründen für ein Aufgehen in der Welt unter Vermeidung möglichst aller Schmerzen entscheiden kann wie für die fromme Weltflucht, kommt auch nicht in Betracht.

Für sich genommen, bestätigt das Gleichnis also das Dilemma dieses Buches bis hierher: Rollins kritisiert und hat in manchem Recht. Aber irgendwie scheint ihm die Distanz zu fehlen, aus der Negation und der Antithese zu einer konstruktiven Perspektive vorzudringen. Und offensichtlich fällt es ihm auch schwer, so richtig Anschluss an eine nichtdualistische Denktradition zu finden.

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5 Antworten auf „Irisch und ironisch“

  1. Interessante Gedanken: Peter Rollins als Leiter und Dualist.

    Ist Leitungsverweigerung ein Mythos? Oder kann sie nur von Titellosen/Verlaglosen vertreten werden?

    Das Gleichnisses (zu sehen auch hier: http://vimeo.com/26809652) finde ich in deiner Auslegung überstrapaziert. Dennoch finde ich auch viel dualistisches in seinem Denken. Zu viel vielleicht.

  2. Sehr schön dekonstruiert. Man muss eben auch die Dekonstruktion dekonstruieren.
    ich denke manchmal, dass Rollins nicht nur theologisch da Schwächen hat, sondern auch methodologisch/philosophisch. Das könnte auch von seinem ungeklärten Nebeneinander von sehr wiedersprüchlichen Ansätzen:
    zwischen dem Paradox der Dekonstruktion und der Dialektik,
    zwischen Existenzialismus und Psychoanalyse
    und übrigens damit zusammenhängend auch mit einer sehr einseitigen Lesart Zizeks, die fast die gesamte Betonung der Geschichte und der Sozialkritik aus Zizek auszublenden scheint.

  3. @Anarchie: Das Nebeneinander der Ansätze finde ich wohl bei Rollins. Aber wieso sind sie wiedersprüchlich und nicht ergänzend?

    Ich finde ja Rollins muss widersprochen werden. Und sei es ihn zu bestätigen.
    Aber Rollins benutzt Zizek und Bonhoeffer doch nicht als Autoritätsargumente sondern um seine Gedanken und sicherlich auch Interpretation niederzuschreiben. Die ist aus seiner Biografie auch sicherlich besser zu verstehen – wie Peter am Anfang des Posts schrieb.

    Die Story hat finde ich etwas von dem Gegenüber der Hebräer und Ägypter. Erd- und Lebensverbundenheit auf der einen Seite und die Ägypter, die an den Gräbern für ihr Nachleben arbeiteten. Hat vielleicht etwas von N.T. Wright…

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