Die Frage, wie man Werte vermittelt und Verhalten verändert hat mich seit letzter Woche noch weiter beschäftigt. Mit moralischen Appellen oder Belehrungen kommt man nicht so schrecklich weit, scheint es. Einen ganz anderen Weg wählt die Aktion “Einfach die Welt verändern”. Das dazu gehörige Buch verkauft sich bei Amazon wie verrückt (letzte Woche war es an vierter Stelle bei Büchern!). Auf der dazu gehörigen Website sind zehntausende Ideen gelistet. Und 97% der Besucher glauben, dass man etwas bewegen kann.
Natürlich wird die Aktion nicht alle Probleme des Planeten lösen. Aber sie hilft offenbar vielen aus der Resignation heraus, dass man als einzelner in unserer komplexen Welt doch nichts verändern kann und dass die meisten gut gemeinten Aktionen sich als ungewollt schädlich entpuppen. Je länger ich drüber nachdenke, desto interessanter finde ich das Projekt. Man kann eine Menge davon lernen darüber, wie Veränderung vorstellbar und möglich wird. Zum Beispiel dies:
• Ein Grund für den Erfolg ist sicher der, dass man das Buch gern in die Hand nimmt. Es ist einfach ansprechend und ästhetisch, eine Schar von Designern haben es gestaltet. Umsonst – aber nicht vergeblich!
• Man braucht keinen Ideologiewechsel, bevor man anfangen darf. Es gibt keine ermüdendenden Grundsatzdiskussionen, sondern das Angebot, dabei zu sein bei einer großen Bewegung kleiner Schritte.
• Unter 58.000 Aktionen findet wirklich jede(r) kleine, einfache und praktische Dinge, die sie/er tun kann. Und die kleinen Schritte werden gewürdigt anstatt (wie so oft) immer nur zu betonen, was noch alles geschehen muss (und damit wieder Resignation zu fördern).
• Manches macht sogar Spaß (Wasser sparen beim Baden mit jemandem, den man liebt…) und das ist gewollt. Die falsche Alternative zwischen Egoismus und “Altruismus” (ich muss verlieren, damit ein anderer gewinnt) wird überwunden. Wir gewinnen alle. So oder so.
• Wenn es viele Leute konsequent tun, hat es große Wirkung. Auch hier entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das man vielleicht mit Live8 vergleichen kann, aber das länger anhält und mehr praktische Auswirkungen hat.
Das Motto We are what we do treibt bestimmt manchen Christen die (Seel-)Sorgenfalten auf die Stirn, aber der Zusammenhang zwischen Sein und Tun (und dass das Tun auch das Sein massiv beeinflusst), ist schwer von der Hand zu weisen. Erst neulich habe ich irgendwo den Satz “love is what love does” gelesen, ich glaube es war bei Scott M. Peck. Und es kommt nahe hin an das, was Michael Frost als “Sakrament der Tat” bezeichnet.
Ganz nebenbei zeigt sich auch hier, dass der “Nächste”, also der Kreis von Personen, die von den Folgen meines Handelns betroffen sind, heute ganz anders aussieht. Viele der Menschen sehen wir gar nicht, weil sie in anderen Ländern leben oder (ökologisch gedacht bzw. beim Thema Staatsdefizit) noch gar nicht geboren ist. Insofern ist sogar eine Sache, bei der ich gar niemandem persönlich begegne und in die Augen sehe, ein Akt von Nächstenliebe. Ganz konkret etwa auch in dem Schritt: Werde Organspender.
Ich merke schon, wie ich jetzt versucht bin, kritische Fragen Richtung Christenheit zu stellen. Aber lassen wir es doch mal beim Positiven. Das wäre der erste Lernerfolg aus dem Buch!
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