Hallo Wien!

Es geht wieder auf Ende Oktober zu und die Frage stellt sich, was machen wir zu Halloween? Die Marketing-Maschine läuft und hofft auf gute Absätze von Gruselmaterial und Süßigkeiten. Ich kannte es eigentlich nur aus Peanuts, wenn der große Kürbis über das Kürbisfeld steigt, was er übrigens nun seit genau 40 Jahren macht. Doch plötzlich kommt das Totenfest hier schwer in Mode. Ich kann mich dafür nicht begeistern, auch wenn ich bei manchen piepsstimmigen Geisterchen am meiner Tür schmunzeln muss, und zwar

  • weil es hemmungslos kommerzialisiert wird
  • weil es keine gewachsene Tradition ist bei uns (dasselbe gilt für rotnasige Rentiere…)
  • weil das “Erpressen” von Süßigkeiten auch ohne Halloween schon gut klappt
  • weil der Bogen immer wieder überspannt wird von kleinen und größeren Vandalen

Mehrere Richtungen zeichnen sich ab, hier ein Ausschnitt aus dem bunten Treiben:

1. Boykottieren

Die Strategie, mit der viele konservative Gruppen schon beim Fasching (in mancher Hinsicht das Pendant der Brasilianer, Venezianer und Rheinländer zu Halloween – die Angelsachsen feiern ja traditionell keinen Karneval) keine nennenswerte Wirkung erzielt haben. Manche fromme Kindergärten feiern keinen Fasching, aber es gibt im Februar ein Kostümfest – zuuuufällig zeitgleich. Die Kinder sagen natürlich trotzdem Fasching. Mit Verboten “erreicht” man eh nur die eigenen Kinder und ermöglicht ihnen oft auch keine eigenständige Auseinandersetzung mit der Thematik. Könnte ja sein, dass sie Halloween von sich aus doof finden.

2. Ignorieren

Wäre mir eigentlich am liebsten, aber kann man das auf Dauer machen? Gut, es ist bequem.

3. Konterkarieren
Da gibt es nun eine Reihe von Ansätzen:

  • Die Nordelbische Kirche schickt ihren einzig verbliebenen Heiligen ins Rennen und verteilt “Luther-Bonbons”, weil am 31.10. Reformationsfest ist.
  • Campus für Christus hat die Köpfe seiner Kreativabteilung rauchen lassen und zeigt bzw. verteilt – tata! – den Jesus-Film. Dass der immer passt, verrät der Slogan “Nach der WM ist vor Halloween”. Ich habe lange über die Verbindung der beiden Ereignisse gegrübelt, aber jetzt hab ich es – glaube ich – kapiert: Bei der kultigen WM ist die tot(gesagt)e Nationalmannschaft erschienen, und von Märchen, Zauber und Geist war ja auch viel die Rede. Die Mini DVD ist – noch ein toller Einfall – als “J-Pod” verpackt, ein Papp-Imitat der zahllosen (selbst schon peinlichen) Apple-Designplagiate auf dem mp3-Markt.
  • Der absolute Hammer kommt, wie so oft, aus den Staaten. Dort spielen Christen ihr eigenes Gruseltheater: Hell House. Da werden dann Sketche vorgespielt, wie jemand wegen seines Lotterlebens in der Hölle landet – zum Beispiel, weil er Harry Potter liest. Nachdem die Qualen drastisch genug ausgemalt wurden, taucht nach dem apokalyptischen Cliffhanger aber noch der deus ex machina in Form von bewaffneten Engeln bzw. Jesus auf und alles wird gut (wenn Du nur dieses kleine Gebet an deinen persönlichen Heiland mitsprichst, lieber Zuschauer). Halt wie im richtigen Leben…

Vielleicht gibt es bessere Ideen. Wie wäre ein Abend mit dem Motto “Hallo Wien”: Kaffeehaus-Atmosphäre, Walzer (“Heuriger” geht leider erst ab Martini), ein bisserl schwarzer Humor der Feder von Wiener Liedermachern und Literaten? Das würde wenigstens mir schon mal Spaß machen.

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Eine Antwort auf „Hallo Wien!“

  1. Wie wär es mit einem christlichen Kürbisfest, bei dem man politisch korrekt die Kürbisse die beim Erntedank übrig geblieben sind zu Suppe, Marmelade und Kompott verarbeitet und dann statt Süßigkeiten an die Kinder verschenkt?

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