Aus all den Sachen, die über das späte Bekenntnis von Günter Grass (der sich inzwischen schon als Opfer von Neid- und Hasskampagnen sieht) geschrieben wurden, sticht die messerscharfe Analyse von Evelyn Finger in der Zeit heraus. Grass stilisiert sich mit Hilfe der FAZ “als Schaf unter Schafen” und verschleiert mit dem, was er preisgibt, mehr als er enthüllt. Nicht so sehr die “Fakten”, sondern die Frage nach der Verantwortung:
Das Fürchterliche an dem Interview ist nicht Grass‘ fortgesetzte Feigheit vor der eigenen Biografie, sondern dass er die Lebenslügen seiner Generation und auch der Generation seiner Eltern nachträglich beglaubigt. Wenn schon der junge Grass, das angehende Genie, der spätere Nobelpreisträger »verführt« wurde, wie hätten da erst alle anderen das Dritte Reich in seiner Grausamkeit durchschauen sollen? Sich gar verweigern?
Der Gipfel dieser Entschuldungstaktik ist die Anekdote über den Kriegsgefangenen Joseph, mit dem Grass sich anfreundete und von dem er uns glauben machen will, es sei Ratzinger gewesen. Die FAZ entblödet sich nicht, ein Uniformporträt des Luftwaffenhelfers und späteren Papstes zu drucken, dessen frohe Botschaft lautet: Auch du, Ratzinger! Nicht nur Grass, nicht nur alle Deutschen, sogar der Stellvertreter Gottes, also im Grunde Gott selbst war, wie man so sagt, verstrickt.
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