Gesellschaft mit beschränkter Bodenhaftung

Die SZ beleuchtet das Leben der Superreichen, die völlig losgelöst vom Rest der Welt zu existieren scheint. Und fragt, wie das geschehen konnte. Eine Schlussfolgerung ist diese:

In den neunziger Jahren lautete das Mantra des Erfolges: “Think outside the box”. Nur wer es schaffte, außerhalb der etablierten Strukturen zu denken, wer die gängigen Regeln und Grenzen ignorierte, missachtete, überlistete, der konnte auch vom Informatikstudenten zum Milliardär, vom BWL-Praktikanten zum Konzernchef aufsteigen. Wer aber sein Leben nach der rebellischen Maxime ausgerichtet hat, Regeln zu missachten und dafür so reich belohnt wurde – warum soll er sich noch an Gesetze halten?

Bei aller berechtigten und nötigen Betonung von Kreativität und Querdenkertum finde ich es gut, dass die meisten Leute in der emerging conversation sich eine gute Bodenhaftung bewahrt haben. Ist vielleicht auch einfacher, weil man damit weder reich noch mächtig wird.

Trotzdem bleiben immer noch Sätze in dem Artikel, die nachdenklich machen. Etwa in der Diskussion um führerlose Organisationen:

… letztlich haben laterale Strukturen und laterales Denken nicht nur schwerfällige Hierarchien eliminiert, sondern eben auch das Gefühl der Verantwortung.

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4 Antworten auf „Gesellschaft mit beschränkter Bodenhaftung“

  1. Kurz zum letzten Zitat: Ich hab in einer lateralen Struktur schon ein Maß an Verantwortungsgefühl erlebt wie sonst nirgends, weil das übliche „irgendwer wird schon dafür zuständig sein“ nie in den Sinn gekommen ist. Statt dem „Denn es gibt keine letzte Instanz“ kann sich auch ein „Jeder ist die letzte Instanz“ entwickeln. Aber das muss ja nicht zwangsläufig funktionieren: Die Verantwortung wird zwar irgendwie gleichmäßiger verteilt, kann aber schon sein, dass sie eben gleichmäßig bei null verteilt wird…

  2. Ja, das alte Dilemma: Wenn es alle sind, ist es keiner und umgekehrt. Ich weiß auch keine Antwort darauf. Aber manchmal habe ich den leisen Verdacht, dass laterale Strukturen reale Macht verschleiern und Verantwortung verhindern können.

  3. Das verschleiern von realer Macht ist natürlich eine enorme Gefahr, weil mit undefinierter Macht in angeblich lateralen Strukturen bedeutend schlechter umgegangen werden kann wie mit klar umrissenen Machtstrukturen. Auch das kann man hier und da besorgt beobachten. Wenn sich sowas herausbildet sollte man das schleunigst auch offen besprechen.

  4. Ich weiß nicht, ist der Artikel nicht selbst ein Beispiel für laterales Denken?
    Also überzeugen tut mich die These nicht. Ich würde nicht sagen, dass die Kreativen gleichzeitig die Superreichen sind. Ich würde sagen, dass genau die, die sich penibel an die Spielregeln einer liberalen Wirtschaftsordnung halten, die sind, die erfolreich sind. Und die Spielregeln der Wirtschaftseliten sind nunmal nicht deckungsgleich mit den Spielregeln der Moral.
    Aber vielleicht denke ich nur zu sehr „inside the box“ von alten Resentiments und bin ein Opfer des Linksrucks…
    Achja ansonsten finde ich den Punkt mit den versteckten Hierarchien ähnlich.

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