Gehorsam, Angst und Strafe

Ich habe gerade wieder Hans Urs von Balthasars (ich konnte die Autokorrektur gerade noch daran hindern, hier „Barthaar“ zu schreiben) „Kleinen Diskurs über die Hölle“ vor mir liegen. Balthasar steigt mit der Frage ein, ob die objektive Sicherheit über das Vorhandensein der Hölle nötig sei, um dem Evangelium den nötigen ernst zu verleihen.DSC01522.jpg

Von Balthasar setzt dagegen, dass nicht Gottes Strafgerechtigkeit, sondern gerade seine Liebe den Ernst des Evangeliums begründe. Freilich komme die Hölle als eine „reale Möglichkeit“ in den Blick, freilich finden sich in den Evangelien neben Worten der Hoffnung auch Drohworte. Macht man allerdings aus letzteren die Beschreibung objektiver Fakten, dann nimmt man ersteren damit allen Sinn. Man muss aber, um für sich selbst hoffen zu können, für die ganze Menschheit hoffen dürfen – und nicht etwa umgekehrt. Ein sehr sympathischer Gedanke gegen jede Form des Heilsegoismus.

Ganz passend dazu lese ich eben Folgendes bei Arno Gruen über Gruppen und Gesellschaften die nach dem Gehorsamsprinzip funktionieren (nur bevor jetzt jemand fragt: ein reifes Christentum stellt die Liebe und damit die Empathie über den Gehorsam, aber mache Spielarten christlicher Frömmigkeit trifft der folgende Absatz nur zu gut):

Gehorsam scheint […] zu einem Bedürfnis nach Eindeutigkeit zu führen, was als Kriterium für eine „Verantwortung“ herhält und wiederum ja nur den Autoritäten dient. Diese falschen Verantwortung führt durch die Anpassung an soziale Normen zu persönlicher Kohärenz. Diese Kohärenz aber beruht auf Gehorsam. Sie unterscheidet sich grundlegend von einer Identität, die sich aus eigenen empathischen Wahrnehmungen herleitet, durch die Notwendigkeit, andere Verhaltensweisen bestrafen zu müssen. Denn abweichendes Verhalten bedroht die eigene Anpassung an den Gehorsam, stellt sie infame und macht genau deswegen Angst. Das ist ein – vielleicht sogar der hauptsächliche – Faktor, der die Gewalttätigkeit ideologischer Extremisten auslöst. (Dem Leben entfremdet: Warum wir wieder lernen müssen zu empfinden, 32f.)

Darüber lohnt es sich eine Weile nachzudenken…

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2 Antworten auf „Gehorsam, Angst und Strafe“

  1. Immer wenn ich die Möglichkeit einer Hölle ganz aufgeben möchte, muss ich an das Gedicht von Kurt Marti denken:
    das könnte manchen herren so passen
    wenn mit dem tode alles beglichen
    die herrschaft der herren
    die knechtschaft der knechte
    bestätigt wäre für immer
    das könnte manchen herren so passen
    wenn sie in ewigkeit
    herren blieben im teuren privatgrab
    und ihre knechte
    knechte in billigen reihengräbern
    aber es kommt eine auferstehung
    die ganz anders wird als wir dachten
    es kommt eine auferstehung die ist
    der aufstand gottes gegen die herren
    un dgegen den herrn aller herren, den Tod

  2. Ja, und vor allem müssen wir dazu auch die Hoffnung auf die Auferstehung und das Gericht festhalten in dem Sinn, dass Gott die verletzte Gerechtigkeit herstellt.

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